22 July 2024

EFAHRER.com (Germany)

Hätte beinahe einen GAU verursacht: Fährt dieses AKW trotzdem wieder hoch?

Die USA wollen ihre Atomkapazitäten bis 2050 verdreifachen, doch neue AKW sind nicht in Sicht. Stattdessen könnte ein Meiler mit Beinahe-GAU wieder hochgefahren werden.
Source : EFAHRER.com: Hätte beinahe einen GAU verursacht: Fährt dieses AKW trotzdem wieder hoch? https://efahrer.chip.de/news/haette-beinahe-einen-gau-verursacht-faehrt-dieses-akw-trotzdem-wieder-hoch_1021201

von Kai Gosejohann • 19. Juli 2024

Es war einer der schwersten Atomunfälle in der Geschichte der USA: Am 28. März 1979 kam es im Kernkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg, Pennsylvania, zu einer partiellen Kernschmelze. Radioaktive Stoffe entwichen, tagelang wurde das Schlimmste befürchtet. Reaktor 2 ging nie wieder ans Netz, 2019 wurde auch Block 1 nach 45 Jahren abgeschaltet. Doch nun steht ein Comeback im Raum. „Wir glauben, dass es technisch möglich wäre, es wieder in Betrieb zu nehmen“, so Joe Dominguez, Chef des AKW-Betreibers Constellation Energy, laut n-tv.de.

Steigende Stromnachfrage durch KI-Boom

Der Grund für die Überlegungen: Die USA brauchen in Zukunft enorme Mengen an zusätzlichem Strom. Experten rechnen damit, dass sich allein der Energiebedarf von Rechenzentren bis 2030 verdreifacht, angetrieben durch den KI-Boom bei Tech-Giganten wie Amazon, Google oder Microsoft. Um den wachsenden Strombedarf ohne Kohle und Gas zu decken, will die US-Regierung neben dem massiven Ausbau von Wind- und Solarenergie auch die Atomkapazitäten bis 2050 verdreifachen. Dafür wären Dutzende neue Kernkraftwerke nötig.

Doch trotz der ambitionierten Pläne ist derzeit kein neues AKW-Projekt in den USA in Sicht. Der Grund: die immensen Kosten. Laut einer Analyse der Energy Information Administration (EIA) sind die Baukosten für neue Atomkraftwerke seit 2013 um 50 Prozent gestiegen. Windparks verteuerten sich im gleichen Zeitraum nur um 13 Prozent, Solarparks sogar nur um ein Prozent.

Die hohen Kosten für AKWs erklären sich durch teure Spezialbauteile und extrem hohe Sicherheitsanforderungen, gerade nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima. Private Investoren scheuen diese Risiken, Atomkraft rechnet sich meist nur noch mit staatlicher Unterstützung. Laut dem World Nuclear Industry Status Report (WNISR) befinden sich bereits 45 Prozent der weltweiten Atomkapazitäten in staatlicher Hand - Tendenz steigend.

US-Regierung setzt auf Laufzeitverlängerung statt Neubauten

Doch zu einer kompletten Kostenübernahme ist die US-Regierung bisher nicht bereit. Statt einer staatlichen AKW-Versicherung kündigte Energieministerin Jennifer Granholm laut ntv.de nur eine Arbeitsgruppe an, die Wege zur Unterstützung des Atomausbaus prüfen soll. De facto will derzeit kein Investor ein neues AKW auf eigenes Risiko bauen.

Stattdessen setzt man auf Laufzeitverlängerungen für die 93 aktiven US-Reaktoren, teils ohne die langfristigen Konsequenzen abschätzen zu können. Auch die Leistung bestehender Meiler soll durch Nachrüstungen gesteigert werden. Sogar die Reaktivierung stillgelegter AKW wird geprüft.

So soll das 2022 nach über 50 Jahren abgeschaltete AKW Palisades in Michigan als erstes US-Kraftwerk überhaupt aus dem Ruhestand geholt werden. Der neue Besitzer prüft eine Sanierung für einen Weiterbetrieb bis mindestens 2051 - die Regierung stellt dafür 1,5 Milliarden US-Dollar in Aussicht.

Auch laufende AKWs werden für hunderte Millionen Dollar nachgerüstet, etwa mit effizienteren Turbinen. Laut dem Branchenverband NEI könnten die US-Atomkraftwerke so bis 2032 zusätzliche 2,5 Gigawatt einspeisen - so viel wie zwei neue Reaktoren. Doch auch hier zeigt sich ein bekanntes Problem der Atomindustrie: Zwischen Ambitionen und Realität klafft oft eine Lücke. Jede Nachrüstung braucht eine Genehmigung, in den letzten zwei Jahren gingen gar keine neuen Anträge ein - auch nicht für Three Mile Island.

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