Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Einleitung
Allgemeiner globaler Überblick
Überblick: Betrieb, Stromerzeugung, Altersstruktur
Internationale Szenarien für den Atomenergie-Ausbau
Überblick über gegenwärtige Neubau-Projekte
Überblick über die potentiellen Newcomer-Staaten
Status und Trends der atomtechnischen Fertigungskapazitäten
Status und Trends der Fachkompetenz
Wirtschaftliche Analyse
Einführung
Probleme der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Kostenvergleiche bei der Atomenergie
AKW der „Generation III+“ und andere Reaktortypen
Die bestimmenden Faktoren der nuklearen Ökonomie
Die Fixkosten
Betriebskosten
Stilllegungskosten
Laufzeiten
Konsequenzen für laufende und künftige AKW
Reaktoren in Betrieb
In Bau befindliche Reaktoren
Reaktoren, deren Bau unterbrochen wurde
Künftige Auftragslage
Haftungsfragen der Atomenergie
Subventionierung der Atomkraftnutzung
Atomsubventionen – ein Überblick
International übliche Subventionsformen
Subventionierung gegenwärtig in USA betriebener Reaktoren
Subventionen der Atomenergienutzung im Vereinigten Königreich
Überblick nach Regionen und Ländern
Afrika
Amerika
Asien
Europa
Atomenergie in der Europäischen Union – EU27
Atomenergie in der EU15 + Schweiz
Atomenergie in der EU10
Russland und die frühere Sowjetunion
Anhang 1: Status der Atomenergie in der Welt (Stand 1. August 2009)
Anhang 2: Atomkraftwerke weltweit “in Bau” (Stand 1. August 2009)
Anhang 3: Potentielle Newcomer-Staaten, Forschungsreaktoren, Netzkapazität
Anhang 4: Chronologie der Ereignisse um Olkiluoto-3, nach Nucleonics Week
Anhang 5: Subventionen für Atomkraftwerke im Vereinigten Königreich
Die Autoren danken Amory B. Lovins, dem Gründer und Leiter des Rocky Mountain Institute, USA, für seine hilfreichen Kommentare zu einem Entwurf dieses Berichts. Wolfgang Neumann, intac-Hannover, sei Dank für sein sorgfältiges Lektorat der deutschen Version.
Der Projektkoordinator dankt seinen Mitautoren für ihre wertvollen Beiträge und kreativen Ideen.
Dieser Bericht gibt die Auffassung und Meinung des Auftragsnehmers wieder und muss nicht mit der Meinung des Auftraggebers (Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) übereinstimmen.
Die Zukunft der Atomindustrie ist nach wie vor Thema einer Unzahl von Medienberichten, Forschungsprojekten, Expertentreffen und Politikdebatten. Viele der diskutierten Daten basieren aber auf Spekulation statt auf einer genaueren Analyse der industriellen Entwicklung, gegenwärtiger Produktionsbedingungen und zugrundeliegender Trends.
Der Welt-Statusbericht Atomindustrie 2009 präsentiert dem Leser die wesentlichen quantitativen und qualitativen Fakten hinsichtlich der heute betriebenen, in Bau und in Planung befindlichen Atomkraftwerke – weltweit. Ein detaillierter Überblick beurteilt die Wirtschaftlichkeit früherer und heutiger Atomkraftwerke.
Bei Redaktionsschluss dieses Reports am 1. August 2009 waren weltweit 435 Reaktoren in Betrieb, das sind neun weniger als 2002. Die IAEO (Internationale Atomenergie-Organisation) listet 52 Reaktoren als “in Bau“ befindlich auf. Dreizehn dieser Baustellen werden dort bereits seit über 20 Jahren geführt. Mindestens die Hälfte (26) aller Projekte verzeichnet zumeist erhebliche Verzögerungen.
Zum Vergleich: auf der Höhe der Expansionsphase der Atomindustrie im Jahr 1979 waren 233 Reaktoren gleichzeitig im Bau.
Seit dem Beginn der kommerziellen Atomenergienutzung Mitte der 50er Jahre war 2008 das erste Jahr, in dem zwar mehrere Reaktoren vom Netz genommen wurden, aber kein neues AKW in Betrieb gegangen ist. Die letzte Betriebsaufnahme fand vor über zwei Jahren am 7. August 2007 in Rumänien statt, als Cernavoda-2 nach 24 Jahren Bauzeit schließlich ans Netz ging.
Im Jahre 1989 wurden 177 Atomreaktoren auf dem Territorium der 27 heutigen EU-Mitgliedsstaaten betrieben. Im August 2009 waren es nur noch 144 Reaktoren. Die installierte Kapazität aller heute weltweit betriebenen Reaktoren beträgt 370 000 Megawatt (370 GW), das sind ca.1 600 MW [1] weniger als noch vor einem Jahr. Im Jahr 2007 lieferten AKW etwa 2 600 TWh [2] oder 14 % des globalen Stromverbrauchs. Nachdem die weltweite Atomstromproduktion 2007 um beispiellose 2 % zurückgegangen war, sank sie auch 2008 noch einmal um einen halben Prozentpunkt. Atomkraft deckte damit 5.5 % der weltweit verbrauchten kommerziellen Primärenergie und entspricht etwa 2 % der weltweit genutzten Endenergie – der Trend weist seit mehreren Jahren kontinuierlich nach unten.
In 27 der 31 Staaten mit laufenden Atomkraftwerken blieb 2008 der Atomstromanteil konstant (23 Staaten) oder sank ab (vier Staaten), in vier Ländern (Litauen, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik) erhöhte er sich.
Das durchschnittliche Alter der zurzeit betriebenen Reaktoren beträgt weltweit 25 Jahre. Einige Betreiber planen Gesamtlaufzeiten ihrer Reaktoren von 40 Jahren und mehr. Alle bisher stillgelegten Reaktoren (123 weltweit) erreichten ein Durchschnittsalter von nur 22 Jahren. Da erscheint die jetzt angestrebte Verdoppelung der bisher erreichten bzw. genehmigten Gesamtlaufzeiten optimistisch. Doch wir haben bei unseren Berechnungen eine solche Laufzeit von 40 Jahren angenommen, um die künftig zu erwartenden jährlichen Reaktorstilllegungen abzuschätzen. Diese Berechnungen zeigen, wie viele neue Reaktoren in den nächsten Jahrzehnten Jahr für Jahr ans Netz gehen müssten, um die Zahl der jeweils noch aktiven Anlagen weltweit konstant zu halten.
Hier das Ergebnis: zusätzlich zu den 52 jetzt in Bau befindlichen Reaktoren [3] müssten bis 2015 insgesamt 42 neue Reaktoren bzw. etwa 16 000 MW [4] neue Atomenergiekapazität geplant, gebaut und in Betrieb genommen werden – etwa jeweils ein neuer Reaktorblock in sechs Wochen – und in dem darauf folgenden Jahrzehnt noch mal 192 Reaktoren mit insgesamt 170 000 MW Kapazität – jeweils ein neuer Reaktor in 19 Tagen.
In einem neuen “PLEX [5]-Szenario” haben wir eine Situation nachgebildet, in der nicht nur alle offiziell zurzeit „in Bau“ befindlichen Reaktoren ans Netz gehen, sondern auch alle 54 bis August 2009 in den USA genehmigten Laufzeitverlängerungen von 40 auf 60 Jahre umgesetzt werden [6]. Auch dann wird die Zahl der aktiven Reaktoren nicht wieder die Spitze von 444 Blöcken im Jahre 2002 erreichen. Bis 2015 würde die Zahl um 10 unter den heutigen Stand sinken, wenn auch die installierte Kapazität um 9 600 MW ansteigt. Doch in den zehn nachfolgenden Jahren müssten weltweit 174 Reaktoren mit einer Kapazität von 152 000 MW durch neue Anlagen ersetzt werden, um den Reaktorpark auf dem heutigen Stand zu halten.
Selbst wenn Finnland und Frankreich je einen oder zwei weitere Reaktoren bauen, und wenn China 20 neue Reaktoren hinzufügt und auch Japan, Südkorea und Osteuropa noch einige neue Reaktoren fertig stellen, kann dies den globalen Abwärtstrend über die kommenden zwei Jahrzehnte höchstwahrscheinlich nicht aufhalten. Bei Planungsvorläufen von zehn oder mehr Jahren scheint es schlicht unmöglich, die weltweite AKW-Kapazität über die kommenden zwei Jahrzehnte zu stabilisieren oder gar zu erhöhen. Das ginge nur, wenn sich die durchschnittlichen Laufzeiten aller Reaktoren tatsächlich auf 40 oder mehr Jahre ausdehnen ließen. Doch für diese Annahme gibt es heute keine Grundlage.
Hinsichtlich praktisch aller potentiellen Newcomer im Kreis der Atomenergie nutzenden Staaten ist es weiterhin unwahrscheinlich, dass diese in absehbarer Zeit die erforderlichen technischen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für ein ziviles Atomprogramm schaffen können. Keiner dieser Staaten verfügt über ein entsprechendes Regelwerk, eine unabhängige Genehmigungsbehörde, eine eigene technische Wartungskapazität oder das ausgebildete Fachpersonal für ein Atomenergieprogramm. Zur Schaffung solcher Rahmenbedingungen benötigt ein „Anfänger“-Staat einen Vorlauf von mindestens 15 Jahren.
Überdies haben nur wenige Staaten ein Stromnetz, das die Produktion eines größeren Reaktors überhaupt aufnehmen und verteilen könnte – ein oft übersehenes Hindernis. Dies bedeutet, dass die finanzielle Herausforderung eines Atomprojektes durch zusätzliche hohe Investitionen in das Stromleitungsnetz erheblich gesteigert wird.
Selbst in Staaten, deren Stromnetz für die Integration eines großen AKW kurz-bis mittelfristig ausreichen würde, wäre eine Reihe weiterer erheblicher Hindernisse zu überwinden, unter anderen: kritische oder desinteressierte Regierungen (z.B. Australien, Norwegen, Malaysia, Thailand); eine ablehnende Bevölkerung (z.B. Italien, Türkei); das Risiko der Weiterverbreitung von Atomwaffen (z.B. Ägypten, Israel); große wirtschaftliche Probleme (z.B. Polen); Umweltrisiken wegen hoher Erdbeben-und Vulkanaktivität (z.B. Indonesien); das Fehlen der erforderlichen Infrastruktur (z.B. Venezuela). In vielen Staaten kumulieren sich mehrere der genannten Hindernisse.
Fehlendes Fachpersonal bzw. der sich beschleunigende Verlust atomtechnischer Kompetenzen in praktisch allen die Atomenergie nutzenden Staaten sind wahrscheinlich das größte Hindernis, das den nuklearen Ambitionen entgegensteht. Selbst in Frankreich, dem Land mit der wohl größten atomtechnischen Kompetenzbasis, besteht ein besorgniserregendes Defizit an Fachpersonal. Die Demographie ist eine wesentliche Ursache. Eine ganze Generation von „Baby-Boomern“ nähert sich der Altersgrenze — bis 2015 gehen etwa 40 % des Atompersonals des weltweit größten AKW-Betreibers EDF in Rente. Gegenwärtig stehen ganze 300 Absolventen atomtechnischer Studiengänge einem Bedarf von 1 200-1 500 gegenüber. Eine zusätzliche Schwierigkeit entsteht dadurch, dass viele der jungen Ingenieure nicht in der Atomindustrie ihre berufliche Zukunft sehen. In den USA sind es nur ein Viertel der infrage kommenden frisch diplomierten Ingenieure, die in der Atomindustrie oder bei einem Atomkraftwerksbetreiber arbeiten wollen. Viele planen ein Aufbaustudium, wollen zum Militär oder in anderen Behörden oder in der Privatwirtschaft arbeiten. In den meisten anderen Betreiberstaaten ist die Situation ähnlich oder gar schlimmer.
Zumindest kurzfristig bestehen auch ernste Engpässe bei den Industriekapazitäten. Nur ein einziges Unternehmen auf der Welt, Japan Steel Works, kann die Stahlgussteile für Reaktordruckbehälter zum Beispiel des Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) herstellen – das ist ein weiteres Handicap, das einer „Renaissance“ der Atomenergie in der Praxis im Wege steht.
Ergänzend zu früheren Jahresberichten bietet dieser Report eine Wirtschaftlichkeitsanalyse zurückliegender, heutiger und geplanter Atomenergie-Projekte. Üblicherweise gelingt es den meisten Industriebranchen, nach Überwindung einer Lernkurve ihre spezifischen Kosten zu senken – nicht so der Atomindustrie. Hier klettern die Kosten der aktuellen Bauprojekte bzw. die Kostenvoranschläge stetig weiter. Im Mai 2009 hat das Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine frühere Kostenschätzung (ohne Finanzierungskosten) von 2 000 $ auf 4 000 $ pro installiertem Kilowatt verdoppelt. Die Wirklichkeit hat auch diese Einschätzung bereits überholt: das Flaggschiff des weltgrößten Reaktorherstellers AREVA NP, der sog. EPR, der in Olkiluoto in Finnland gebaut wird, verursacht ein wahres finanzielles Desaster. Das Projekt hinkt über drei Jahre hinter dem Zeitplan her und ist mindestens 55 % über dem Kostenplan und trieb die Gesamtkosten-Prognose mittlerweile auf 5 Mrd. € bzw. 3 100 € pro installiertem Kilowatt in die Höhe.
Bei den Regierungen gibt es mannigfache Methoden der aktiven oder tolerierten Subventionierung der Atomenergienutzung. Diese reichen von direkten Krediten oder Kreditbürgschaften bis zur öffentlich finanzierten Forschung und Entwicklung (F+E). Weitere Varianten sind das Regierungseigentum an öffentlich subventionierten Einrichtungen der Atombrennstoffkette, öffentlich finanzierte Stilllegungs-und Entsorgungsprogramme, eine sehr begrenzte Betreiberhaftpflicht bei Atomunfällen, die Abwälzung von Kapitalkosten auf die Stromkunden, z.B. durch Anerkennung von Fehlinvestitionen als sogenannte „stranded costs“ [7] und sonstige tarifaufsichtliche Vergünstigungen zulasten der Stromzahler.
Die gegenwärtige Wirtschaftskrise verschärft viele der Probleme, mit denen die Verfechter der Atomenergienutzung konfrontiert sind. Zurzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass der empirisch offensichtliche Niedergang der internationalen Atomindustrie sich in eine strahlende Zukunft verwandeln würde.
Die Zukunft der globalen Atomindustrie ist Gegenstand fortlaufender Spekulationen in den Medien, Ankündigungen der Industrie und Politikdebatten. Aber es klafft eine sich ständig erweiternde Lücke zwischen dem tatsächlichen Zustand dieser Branche und ihrer gegenwärtigen Trends einerseits, und einer weitverbreiteten Vorstellung von einer “Renaissance der Atomenergie“ andererseits. Eine Pressemitteilung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) vom September 2008 lieferte einen perfekte Illustration für dieses Missverhältnis: “Die IAEO hat ihre Prognose für den Beitrag des Atomstroms bis zum Jahr 2030 nach oben korrigiert, während sie gleichzeitig mitteilte, dass der Anteil des Atomstroms der globalen Stromproduktion 2007 um einen weiteren Prozentpunkt auf 14 % gesunken sei." Die definitive IAEO-Zahl für 2008 lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor, doch liegt auf der Hand, dass die relative Bedeutung der Atomenergie im globalen Stromangebot weiter zurückgegangen ist.
Sind das nur kurzfristige Trends oder Anzeichen einer strukturellen Veränderung? Welche Vorhersagen über die Rolle der Atomenergie in der Weltenergiewirtschaft gibt es und wie realistisch sind diese? Es gibt neue Reaktorprojekte, aber werden sie auch termin-und kostengerecht fertig gestellt? Wird es ausreichend Ersatz für stillzulegende Altanlagen geben? Das sind Fragen, denen der Welt-Statusbericht Atomindustrie in den letzten Jahren [8] nachgegangen ist und auch heute weiter nachgeht.
Als Ergänzung dazu hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) darum gebeten, auf die Wirtschaftlichkeitsaspekte in der diesjährigen Analyse besonders einzugehen. Die Ursachen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise haben etwas mit ungenügender Transparenz zu tun und mit Kreditmärkten, die starke Initiativstrukturen vermissen lassen. Umso wichtiger, dass man sich über die Wettbewerbsfähigkeit einer Technologie wie der Atomkraft im Klaren ist, die hohen Kapitalaufwand erfordert und ebenso hohe finanzielle Risiken in sich birgt.
Eine Renaissance der Atomenergie? – Vielleicht auch nicht.
Fortune Magazine
22. April 2009 [9]
Im Juni 2008 teilte die IAEO mit, dass die globale Atomstromproduktion 2007 um 2 % gesunken sei, das war die größte jährliche Einbusse, seit der erste Kernspaltungsreaktor 1954 in der damaligen Sowjetunion ans Stromnetz angeschlossen wurde. In der EU betrug der Rückgang sogar 6 %. Die Einbuße von ca. 60 TWh entspricht der durchschnittlichen Jahresproduktion von zehn Reaktoren bzw. einem höheren Atomstrom-Output, als jeder von zwei Dritteln aller AKW-betreibenden Staaten durchschnittlich pro Jahr ins Netz liefert. Zu diesem Ergebnis trugen insbesondere folgende Faktoren bei: die sieben Reaktorblöcke des japanischen AKW bei Kashiwasaki bleiben seit einem schweren Erdbeben im Juli 2007 abgeschaltet; in Deutschland waren bis zu sechs Reaktoren gleichzeitig wegen größerer Reparaturen vom Netz genommen; und in Frankreich mussten zahlreiche Reaktoren Inspektionen und Wartungsprogramme durchlaufen, nachdem an den Dampferzeugern ein „generisches“ Problem aufgetreten war. In Frankreich wird damit gerechnet, dass dieses Problem auch in den Jahren 2008 und 2009 die Auslastung des Reaktorparks um zwei bis drei Prozentpunkte verschlechtert.
Die weltweite Atomstromproduktion erholte sich auch 2008 nicht und sackte einen weiteren halben Prozentpunkt ab. Die „Großen Sechs“ AKW-Betreiberstaaten USA, Frankreich, Japan, Deutschland, Russland und Südkorea haben 2007 und 2008 immer noch etwa zwei Drittel des weltweiten Aufkommens an Atomstrom beigetragen, doch in den Jahren zuvor waren es sogar drei Viertel.
Seit Beginn der zivilen Atomenergie-Ära Mitte der 50er Jahre (siehe Graphik 1) gab es zwei Wellen von Reaktorstarts. Die erste erreichte ihren Höhepunkt 1974 mit 26 Neuzugängen, und die zweite kulminierte 1984 und 1985 – ein Jahr vor Tschernobyl – mit dem historischen Rekord von 33 Betriebsaufnahmen in jedem dieser beiden Jahre. Gegen Ende der achtziger Jahre aber hatte es mit den jährlichen Netto-Zuwächsen an Reaktorkapazität ein Ende, und 1990 übertraf die Zahl der Stilllegungen erstmals die Zahl von Neuzugängen.
Quelle: IAEA, PRIS, 2009, MSC [10]
Quelle: IAEA, PRIS, 2009, MSC
Anfang August 2009 listet die IAEO 436 Reaktoren in 31 Staaten als in Betrieb auf, mit einer Gesamtkapazität von 370 Gigawatt [11] (siehe Details in Graphik 3 und Anhang 1). Doch trägt die IAEO-Statistik nicht der Tatsache Rechnung, dass am 6. März 2009 der mit 36 Jahren älteste französische Reaktor, der Brüter Phénix, definitiv vom Netz ging. Damit reduziert sich die Zahl der weltweit betriebenen AKW auf 435, neun weniger als zum historischen Höchststand 2002 mit 444 Reaktoren.
2008 war das erste Jahr in der Geschichte der kommerziellen Atomenergienutzung, in dem kein neuer Reaktor ans Netz angeschlossen wurde. [12] Über zwei Jahre ist es her, seit die letzte Betriebsaufnahme in der Welt zu verzeichnen war und am 7. August 2007 Cernavoda-2 in Rumänien nach 24 Jahren Bauzeit in Betrieb ging.
Der historische Höhepunkt mit 294 betriebenen Reaktoren in Westeuropa und Nordamerika war bereits 1989 überschritten. Die Öffentlichkeit hat es kaum bemerkt, aber der Niedergang der „etablierten“ Atomindustrie hat schon vor vielen Jahren begonnen.
Die IAEO veröffentlicht pflichtgemäß nur die von den Mitgliedsländern bereitgestellten Daten. Das führt manchmal zu Anomalien. Vor einigen Jahren definierte die Organisation einen neuen Reaktorzustand, den sogenannten “langfristigen Betriebsstop”, als neue Kategorie neben den gebräuchlichen Kategorien “in Betrieb” und “in Bau”. Ein Reaktor jedoch, der als „in Betrieb“ aufgeführt ist, liefert nicht notwendigerweise Strom ins Netz, und ein “langfristiger Betriebsstop” kann in der Tat sehr lange andauern. Daraus entsteht eine Reihe statistischer Probleme, wie man am Beispiel des Berichtsjahres 2008 sehen kann:
• Fünf Reaktoren sind offiziell unter „langfristiger Betriebsstop“ aufgeführt, vier in Kanada und einer in Japan. Die kanadischen Reaktoren haben seit 1995 (Bruce-1) bzw. 1997 (Bruce-2, Pickering-2 und -3) keinen Strom mehr ins Netz eingespeist. Der japanische “Schnelle Brüter” bei Monju steht seit einem Natriumbrand 1995 ebenfalls still.
• Mindestens 17 Reaktoren, die von der IAEO für 2008 als „in Betrieb“ aufgelistet sind, haben in diesem Jahr keinen Strom geliefert. Von diesen Reaktoren sind zehn in Japan, vier in Indien, zwei in Deutschland, und einer im Vereinigten Königreich. Dreizehn Reaktoren sind schon länger als ein Jahr außer Betrieb, einer schon über zwei Jahre, zwei über vier Jahre, und einer hat gar seit 2001 keinen Strom mehr produziert (Siehe Tabelle 1). Tatsächlich hat Chubu Electric, Betreiber von zwei Reaktoren bei Hamaoka in Japan, am 22. Dezember 2008 seine Entscheidung bekanntgegeben, dass man das AKW endgültig stilllegen werde, “weil eine Wiederinbetriebnahme unwirtschaftlich wäre“. [13]
Die installierten Atomstromkapazitäten sind in den vergangenen Jahren leicht angestiegen. Dies war im Wesentlichen eine Folge von technischen Nachrüstungen, „Uprating“ genannt. Wie der Industrieverband World Nuclear Association (WNA) mitteilte, hat die US-Reaktorsicherheitsbehörde NRC seit 1977 insgesamt 124 solcher “Upratings” genehmigt, einige schon zum wiederholten Mal, bis zu Kapazitätssteigerungen von 20 %. Das hatte einen Zugang von zusätzlichen 5,6 Gigawatt installierter Kapazität allein in den USA zur Folge. [14]
Die gleiche Tendenz zu “uprates” und Laufzeitverlängerungen der laufenden Reaktoren existiert in Europa. Namentlich Betreiber in Belgien, Deutschland und der Schweiz haben die Leistung ihrer Anlagen geboostet. Frankreich hat für den Zeitraum 2008 bis 2015 ein Uprating-Programm in Arbeit, das für fünf 900 MW-Reaktoren eine dreiprozentige und für zwanzig 1300 MW-Blöcke eine siebenprozentige Kapazitätserhöhung vorsieht. Ähnlich will man in Finnland, Spanien und Schweden verfahren. Die jetzige Nennleistung des schwedischen Reaktors Oskarshamm-3 soll zum Beispiel um 21% auf 1 450 MW geboostet werden.
Land | AKW-Name | Produktion |
---|---|---|
Deutschland | Brunsbüttel (KKB) | keine Produktion in 2008 |
Krümmel (KKK) | keine Produktion in 2008 | |
Indien | Narora-2 | keine Produktion in 2008 |
Rajasthan-1 | keine Produktion nach 2004 | |
Rajasthan-2 | keine Produktion in 2008 | |
Rajasthan-3 | keine Produktion in 2008 | |
Japan | Hamaoka-1 | keine Produktion nach 2001 |
Hamaoka-2 | keine Produktion nach 2004 | |
Kashiwazaki Kariwa-1 | keine Produktion seit Erdbeben in July 2007 | |
Kashiwazaki Kariwa-2 | keine Produktion seit Erdbeben in July 2007 | |
Kashiwazaki Kariwa-3 | keine Produktion seit Erdbeben in July 2007 | |
Kashiwazaki Kariwa-4 | keine Produktion seit Erdbeben in July 2007 | |
Kashiwazaki Kariwa-5 | keine Produktion seit Erdbeben in July 2007 | |
Kashiwazaki Kariwa-6 | keine Produktion seit Erdbeben in July 2007 | |
Kashiwazaki Kariwa-7 | keine Produktion seit Erdbeben in July 2007 | |
Shika-1 | keine Produktion in 2008 | |
Vereinigtes Königreich | Oldbury-A | keine Produktion nach 2006 |
Summe der Reaktoren | 17 |
Quelle: Nucleonics Week, 12 Feb 2009, IAEA-PRIS 2009
Die globale Reaktorkapazität wurde so in den Jahren 2000 bis 2004 jährlich um etwa drei Gigawatt erhöht. Von 2004 bis 2007 kamen jährlich zwei Gigawatt hinzu. Doch seit 2008 überstieg die Leistung stillgelegter Reaktoren den Nettozuwachs durch Uprates um 1,6 GW. [15]
Diese Zahlen müssen im Kontext der Dimensionen globaler Strommärkte gesehen werden. Die weltweit im Jahre 2007 in Bau befindliche Kraftwerksleistung wurde auf mindestens 600 Gigawatt geschätzt. [16] Davon entfiel der Löwenanteil auf Kohle, Wasserkraft und Erdgas – der Anteil der Atomenergie betrug ungefähr 4,4 %.
Der Einsatz von Atomenergie ist auf wenige Staaten beschränkt: nur 31 Länder, oder 16% der 192 UN-Mitgliedsstaaten, betreiben Atomkraftwerke (siehe Graphik 3). Davon sind die Hälfte Mitglieder in der EU, und auf sie entfällt rund die Hälfte des globalen Aufkommens an Atomstrom.
2008 war kein Wachstum der weltweiten Erzeugung von Atomstrom zu verzeichnen beim Stand von 2 600 TWh [17], was 2007, wie bereits erwähnt, etwa 14% der globalen Stromproduktion entsprach; 2006 waren es noch 15% und 2005 noch 16% gewesen. Die 2008er Atomstrom-Produktion entsprach 5.5% des weltweiten kommerziellen Einsatzes von Primärenergie und etwa 2% der Endenergie [18]. Nur vier Staaten (Tschechische Republik, Litauen, Rumänien und die Slowakei) steigerten 2008 den Atomenergie-Anteil an ihrem Stromangebot, in 23 Ländern blieb der Anteil stabil (unter 1% Änderung), und in vier Staaten verringerte sich der Atomenergie-Beitrag (Armenien, Japan, Schweden, Vereinigtes Königreich). Siehe die Länderstatistik in Anhang 1.
Obwohl es in den vergangenen zwei Jahren zunehmend Probleme mit dem Betrieb von Reaktoren vor allem in Frankreich, Deutschland und Japan gab, scheint die weit verbreitete offizielle Begeisterung über die Atomenergie darunter nicht gelitten zu haben. So hieß es in der Abschlusserklärung des G8.Treffens auf Hokkaido im Juli 2008: “In den letzten Jahren ist die Zahl jener Staaten gewachsen, die sich für die Atomenergie als Mittel gegen den Klimawandel und für die Sicherheit ihrer Energieversorgung interessieren. Wir nehmen zur Kenntnis, dass das Interesse an der Atomenergie eindeutig zunimmt, obwohl die angemessene Zusammensetzung des jeweiligen Energiemixes von der Situation und der Politik jedes einzelnen Staates bestimmt wird.“ Die IAEO berichtete, dass über 50 Staaten Interesse an Atomenergie angemeldet haben.
Quelle: IAEA, PRIS, 2009 [19]
Wir wollten uns hier über die verheißene „Renaissance der Atomenergie“ unterhalten .in den USA muss diese Renaissance erst noch stattfinden…
Robert Rosner
Direktor, Argonne National Laboratory
April 2009
Die internationale Atomenergie-Gemeinde hat ihre Zukunftszuversicht nicht verloren. “Wachsende Stromnachfrage, Sorgen wegen des Klimawandels und Importabhängigkeiten von fossilen Brennstoffen unterstützen die Argumentation zugunsten eines weiteren Ausbaus der Atomenergienutzung. Steigende Erdgaspreise und Klimaschutz-Begrenzungen des Kohleeinsatzes sprechen gemeinsam dafür, die Ausbauplanungen für Europa und Nordamerika erneut auf die Tagesordnung zu setzen“, heißt es beim Industrieverband World Nuclear Association. [20]
Die Atomindustrie blieb nicht allein beim Verkünden ihrer eigenen „Renaissance“. In den letzten Jahren stimmten mehrere internationale Studien darin überein, der Atomenergie für den Zeithorizont 2030 optimistischere Zukunftsperspektiven einzuräumen.
Die Internationale Energie-Agentur (IEA) der OECD erstellt einen jährlichen Welt-Energie-Ausblick (World Energy Outlook – WEO) über die Energiemärkte und deren Trends. Die neueren WEO-Berichte präsentieren in allen ihren Energie-Szenarien sehr optimistische Annahmen zugunsten der Atomenergie. Die 2007er WEO-Version [21] stellt ein “Referenz-Szenario”, ein “Alternatives Energiepolitik-Szenario” und ein “450-Stabilisierungs-Szenario” [22] vor, mit jeweils installierten Reaktorkapazitäten von 415 GW, 525 GW bzw. 833 GW. Die Stromerzeugung auf Atomenergiebasis würde sich im dritten Szenario im Vergleich zu heute verdoppeln, um 2030 insgesamt 6 560 TWh zu erreichen.
In der 2008er WEO-Ausgabe [23] sieht das Referenz-Szenario für 2030 eine weltweit installierte Reaktorkapazität von 433 GW vor, sowie eine Stromproduktion auf Atomenergiebasis von 3 460 TWh. Doch der prozentuale Anteil des Atomstroms fiele auf 13 % in 2015 und auf 10 % in 2030, während der Anteil am kommerziellen Primärenergieaufkommen im gleichen Zeitraum von 6 % auf 5 % absinken würde. Der WEO-Report schätzt, dass die Zuwächse der Reaktorkapazität außerhalb der EU erfolgen würden, während innerhalb der EU die Kapazität von den jetzigen 131 GW auf 89 GW in 2030 und das Stromaufkommen von 795 TWh auf 667 TWh zurückgehen würde. Das liefe auf ein Schrumpfen des Atomenergie-Anteils am Stromaufkommen der EU auf etwa die Hälfte hinaus – von 30 % in 2006 auf 16 % in 2030.
Die 2008er WEO-Version führt ein mittleres sog. „550-Energiepolitik-Szenario“ ein, das für 2030 eine Reaktorkapazität von 540 GW mit der Produktion von 4 166 TWh vorhersieht, das wären 20 % mehr als im Referenz-Szenario. Ein neues “450 Policy Scenario” prognostiziert 680 GW an Reaktorkapazität, mehr als das Doppelte an Neuzugängen als im “550 Politik-Szenario”, mit einer Stromproduktion von 5 200 TWh in 2030, d.h. einer Verdoppelung gegenüber 2008, wenn auch nur 18 % des Weltstromverbrauchs. Diese beiden Szenarien sehen die Zukunftsaussichten der Atomenergie viel optimistischer als noch vor wenigen Jahren.
Man vergleiche mit der 2006er Version, wo es hieß, “Atomenergie wird nur dann an Bedeutung zunehmen, wenn die Länder, in denen Atomenergie akzeptiert wird, sich stärker für die Erleichterung von Privatinvestitionen einsetzen, insbesondere in den liberalisierten Märkten”, und “wenn Besorgnisse wegen der Reaktorsicherheit, Abfallentsorgung und Proliferationsrisiken im öffentlichen Bewusstsein ausgeräumt werden können." [24]
Ähnlich lautete die Schlussfolgerung eines vom “Inter Academy Council”, einer Forschungs.koordinierungsstelle nationaler Wissenschaftsakademien, in Auftrag gegebenen Berichts von 2007: “Als CO2-arme Energiequelle kann Atomenergie weiterhin einen signifikanten Beitrag zur Weltenergieversorgung der Zukunft leisten, aber nur, wenn die erheblichen Probleme hinsichtlich der Kapitalkosten, der Anlagensicherheit und der Waffenproliferation angegangen werden.“ Der Council schloss daraus, dass „keine sicheren Folgerungen hinsichtlich der künftigen Rolle der Atomenergie möglich sind, außer, dass eine weltweite Renaissance der kommerziellen Atomenergie sich in den kommenden Jahrzehnten ohne substantielle Unterstützung durch die Regierungen wohl kaum einstellen wird." [25]
Das U.S. Energieministerium (Department of Energy -DOE) sagt in der Ausgabe 2007 seines “Internationalen Energie-Ausblick” (International Energy Outlook -IEO) für 2030 eine weltweit installierte Reaktorkapazität von 438 GW voraus – “entgegen unseren früheren Vorhersagen eines Rückgangs der Reaktorkapazitäten“. [26] 2008 sagt der IEO für 2030 sogar eine installierte Leistung von 498 GW voraus mit einer Stromproduktion von 3 800 TWh, das sind 10 % mehr als im Referenz-Szenario der OECD-IEA. [27] Es heißt im IEO 2008 aber auch:
Jedoch bestehen nach wie vor große Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Atomenergie. Probleme, die den künftigen weiteren Ausbau der Atomenergie verlangsamen können, sind u. a. die Anlagensicherheit, die Endlagerung radioaktiver Abfälle und die Weiterverbreitung von Atomwaffen. Diese ungelösten Fragen lösen in vielen Staaten öffentliche Besorgnisse aus und könnten die Entwicklung neuer Reaktoren behindern. Überdies könnten die hohen Kosten für Kapital und Wartung einige Staaten veranlassen, vom Ausbau ihrer Atomenergieprogramme abzusehen. [28]
Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) hat im Verlauf der letzten Jahre ihre Prognosen mehrfach revidiert. Ihre aktuellen Vorhersagen gehen in einem “niedrigen” Szenario für 2030 von 473 GW Reaktorkapazität aus, und in einem “hohen” Szenario – mit bewundernswerter Präzision – von 747,5 GW. [29] Die Verdoppelung des Zuwachses zwischen 2020 und 2030, verglichen mit einer eigenen Prognose aus dem Jahre 2001, wird von der IAEO mit „einer Zunahme des Optimismus hinsichtlich der Atomenergie in einigen Weltregionen“ erklärt. [30]
Das Sekretariat der Klimaschutz-Konvention der vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change -UNFCCC) hat ein “Hintergrundpapier” über Investitionen für die “Entwicklung wirksamer und angemessener internationaler Maßnahmen gegen den Klimawandel“ vorgelegt mit einem „Referenz“-Szenario“ und einem „Milderungs“-Szenario mithilfe von 546 GW [31] bzw. 729 GW [32] Atomenergiekapazität bis 2030. [33]
Die vorstehend genannten Szenarien “prognostizieren” eine bis 2030 zu errichtende Reaktorkapazität zwischen 415 GW und 833 GW bzw. einen „Zuwachs“ zwischen 13 % bis 125 % über den jetzt installierten 370 GW. Aber selbst die untere Zahlenangabe stellte eine gewaltige Herausforderung dar, wenn man die heutige Altersstruktur der laufenden Reaktoren betrachtet – siehe Graphik 5. Keines dieser Szenarien berücksichtigt in angemessener Weise die erforderliche bedeutende Erweiterung atomtechnischer Studien-und Ausbildungsprogramme, der industriellen Fertigungsbasis und eines entsprechenden Meinungswandels in breiten Bevölkerungskreisen.
Atomenergie wird mindestens bis 2050 kaum eine wesentliche Rolle bei der Begrenzung der Konzentration von CO2 – Äquivalenten in der Atmosphäre spielen. Es gibt keinen realistischen Plan für den Neubau von genügend Atomreaktoren, um innerhalb der kommenden 30-40 Jahre die Obergrenze von 550ppme CO2 zu unterschreiten. [34]
Robert Rosner
Direktor, Argonne National Laboratory
(USA) April 2009 [35]
Auf den AKW-Baustellen jener 15 Staaten, an denen zurzeit Neubauprojekte in Arbeit sind, eskalieren kostentreibend die Fertigstellungszeiten. Zum Stichtag 1. August 2009 meldet die IAEO 52 Reaktoren als „in Bau“. Zum Vergleich: Zum Jahresende 1987 waren es noch 120 Reaktoren, und 1979 sogar eine einmalige Spitze von 233 Reaktoren mit über 200 GW Stromkapazität – siehe Graphik 4. Im Jahr 2004 aber war es mit 26 Blöcken „in Bau“ die geringste Zubaurate seit den Anfängen der Atomenergie-Ära in den 1950er Jahren.
Die Gesamtkapazität aller in Bau befindlichen Reaktoren beträgt etwa 46 GW, ihre durchschnittliche Größe ist ca. 880 MW pro Block (siehe Einzelheiten in Anhang 2). Sieht man genauer auf diese Liste, dann offenbart sich das Ausmaß der Unsicherheiten, mit denen der Reaktor-Zubau heute belastet ist:
• 13 Reaktoren, mehr als ein Viertel der Gesamtzahl, sind schon seit über zwanzig Jahren “in Bau”. Der zweite Reaktorblock für das AKW Watts Bar hält den Rekord: Baubeginn war im Dezember 1972, dann wurde das Projekt zwischenzeitlich auf Eis gelegt. Als nächstes kommt das persische AKW von Busheer, dessen Grundstein im Mai 1975 von der Siemens-Kraftwerkunion gelegt wurde, um nun von russischen Reaktorherstellern vollendet zu werden. Zur Liste solcher Dauerbaustellen gehören auch vier russische Reaktorblöcke, zwei in Belene in Bulgarien, zwei im slowakischen Mochovce und zwei bei Khmelnitzki in der Ukraine. Im Bau sind schließlich auch noch zwei Blöcke bei Lungmen auf Taiwan – seit zehn Jahren.
• Für 24 Projekte existiert kein IAEO-Datum für den Baubeginn – zu diesen gehören fünf der neun russischen Reaktoren, die beiden in Bulgarien und dreizehn der sechzehn aufgelisteten chinesischen Reaktorprojekte. Der Reaktorblock Nr.5 im AKW von Balakovo war seit 1987 auf der Neubau-Liste und sollte 2010 ans Netz gehen. Das Projekt ist abgebrochen worden und wurde Anfang 2008 einfach von der Liste gestrichen; es wurde durch einen Reaktor “Novovoronesh-2-1” ersetzt, dessen Betriebsbeginn für 2012 geplant ist.
• Die Hälfte (26) der von der IAEO aufgelisteten “in-Bau”-Reaktoren haben ernste Probleme mit ihren Fertigstellungsterminen. Mit den übrigen Projekten wurde erst während der letzten fünf Jahre begonnen, d.h. sie haben die geplante Bauzeit noch nicht durchlaufen. Da lässt sich einstweilen kaum abschätzen, ob die Baufortschritte nach Plan verlaufen.
• Zwei Drittel (36) der Projekte liegen in nur vier Staaten: China, Indien, Russland und Südkorea. Diese Länder sind nicht besonders bekannt für ihre Transparenz, wenn es um Informationen über ihre AKW-Baustellen geht.
Quelle: IAEO, Internationaler Status und Zukunftsaussichten der Atomenergie 2008, 2009
Die geographische Verteilung der AKW-Projekte ist auf Asien und Osteuropa konzentriert und entspricht einem bereits etablierten Trend. Zwischen 2004 und 2008 gab es in diesen Regionen insgesamt 14 neue Projekte. Dort sind auch 47 der zurzeit registrierten 52 AKW-Baustellen angesiedelt.
Das richtige Einschätzen der Reaktor-Bauzeiten ist keine einfache Sache. Den globalen Durchschnitt zu ermitteln – das wären neun Jahre Bauzeit bei den 14 zuletzt ans Netz gegangenen Reaktoren – macht wenig Sinn, weil die Länder zu unterschiedlich sind. Die Bauzeiten der vier in Rumänien, Russland und in der Ukraine zuletzt fertig gestellten Reaktoren betrugen zwischen 18 und 24 Jahre. Dagegen belief sich die durchschnittliche Bauzeit der zehn zuletzt in China, Indien, Japan und Südkorea fertig gestellten Blöcke auf nur fünf Jahre.
Vorlaufzeiten für AKW beinhalten nicht nur die eigentliche Bauzeit, sondern auch Langzeitplanungen, langwierige Genehmigungsverfahren (in den meisten Staaten), komplexe Finanzierungsverhandlungen und die Bauplatzvorbereitung. Außerdem muss meist noch das Stromnetz ertüchtigt werden, neue Hochspannungsleitungen müssen durchs Land gelegt werden, was ebenfalls Planungs-und Genehmigungsaufwand erfordert. Zuweilen wehrt sich die Bevölkerung vehementer gegen diese Stromtrassen als gegen das Kraftwerk selbst.
Planungsvorgaben hinsichtlich der Fertigstellungsfristen sind also mit Skepsis zu betrachten, das lehrt die Erfahrung. Ein Beispiel aus den USA: George W. Bush hob 2001 das „Atomenergie-Programm 2010“ aus der Taufe. Nach einem im Oktober 2001 vom US-Energieministerium (Department of Energy – DOE) verkündeten Zeitplan war es das Ziel des Programms, “bis 2010 eine Vielzahl wettbewerbsfähiger Atomkraftwerke zu bauen und in Betrieb zu nehmen”. Als ein „Minimal-Szenario“ waren “mindestens ein Leichtwasserreaktor und ein gasgekühlter Reaktor” geplant. Die Wirklichkeit aber sieht ganz anders aus, und es ist offensichtlich, dass bis 2010 kein neues AKW in den USA fertig gestellt wird.
Anfang August 2009 waren bei der US-Atomaufsicht NRC 17 Bau-und Betriebsgenehmigungen (Construction and Operation License – COL) für insgesamt 26 Blöcke beantragt. [37] Doch weist das Energieministerium darauf hin, dass “das Stellen von Anträgen nicht notwendigerweise heißt, dass auch wirklich ein Reaktor errichtet (oder gar in Betrieb genommen) wird.“ [38]
Es existiert lediglich eine neue Genehmigung für einen einzigen Reaktorblock, dessen Inbetriebnahme bis 2015 geplant ist. Das Stromunternehmen NRG plant den Baubeginn an seinem Standort South Texas noch 2009, sodass der Reaktor ab 2014 Atomstrom liefern könnte. Die Bau-und Betriebsgenehmigung wird gegenwärtig von der NRC geprüft. „Die Beantragungen dienen oft nur dem Zweck, eine atomare Option offenzuhalten, und beruhen dann nicht auf einer wirklichen Bauabsicht.“ [39] Die Kredit-Ratingagentur Moody’s sieht ausgedehnte Gerichtsverfahren voraus: „Wir glauben, dass der erste COL-Antrag gerichtlich angefochten werden wird, und das könnte für die gesamte Branche längere Verzögerungen nach sich ziehen.“ Ende 2007 zitierte die Londoner Financial Times aus vertraulichen amtlichen Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass die Probleme im Vereinigten Königreich ähnlich liegen. [40]
Quelle: IAEA-PRIS, 2009
Quelle: IAEA-PRIS, MSC, 2009
Die Erfahrung zeigt, dass ein Bauauftrag und sogar ein fortgeschrittenes Baustadium bei Reaktorprojekten noch lange keine Gewähr dafür bieten, dass es dann auch zum Netzanschluss bzw. zur Stromproduktion kommt. Die Atomenergie-Kommission Frankreichs (Commissariat à l’Énergie Atomique -CEA) hat bis 2002 regelmäßig eine Statistik über stornierte Reaktoraufträge veröffentlicht. Am Stichtag waren 253 stornierte Aufträge in 31 Staaten registriert -viele von ihnen nach weit fortgeschrittener Bautätigkeit. Allein in den USA waren es 138 Abbestellungen. Viele Energieversorgungsunternehmen der USA erlitten dabei herbe finanzielle Einbussen.
Nachdem es nun seit Jahren schon keinen nennenswerten Reaktorneubau und Netzzugang mehr gegeben hat, beträgt das Durchschnittesalter der produzierenden Reaktoren (seit Betriebsbeginn) etwa 25 Jahre.
Einige der Betreiber rechnen mit Laufzeiten von vierzig und sogar bis zu sechzig Jahren. Die OECD rechnet in ihrem “World Energy Outlook 2008” mit einem Zeitrahmen von 40 bis 50 Betriebsjahren und gibt die durchschnittliche Laufzeit mit 45 Jahren an. In den USA werden in der Regel zunächst Betriebsgenehmigungen von 40 Jahren erteilt. Die Betreiber können dann eine Verlängerung beantragen, und die Genehmigungsbehörde kann Laufzeitverlängerungen von bis zu 20 weiteren Jahren gewähren. Zum Stichtag 1. August 2009 war für 54 Reaktorblöcke eine solche Verlängerung genehmigt. In zahlreichen Staaten unterliegen Betriebsgenehmigungen keiner zeitlichen Begrenzung. In Frankreich zum Beispiel müssen die Reaktoren alle zehn Jahre einer Inspektion und diversen Tests unterzogen werden. Der älteste jetzt noch laufende kommerzielle Reaktor Frankreichs war 1977 ans Netz gegangen, d.h. es hat soeben die fällige dritte Überprüfung begonnen. Die Sicherheitsbehörde Frankreichs hält es für verfrüht, jetzt schon über Laufzeitverlängerungen über vierzig Jahre hinaus zu diskutieren. “Es hat uns amüsiert, dass die EDF (der nationale AKW-Betreiber Frankreichs) dieses Thema erstmals in Unterhaltungen mit britischen Finanzanalysten angeschnitten hat”, meinte im April 2009 André-Claude Lacoste, Präsident der französischen Atomsicherheitsbehörde (Autorité de Sûreté Nucléaire -ASN). “Es wäre keine so schlechte Idee, wenn sie vielleicht erst einmal mit einem technischen Dossier darüber bei uns vorbeikämen!“, setzte er hinzu. [41] Die ASN plant, sich jeden einzelnen Reaktor daraufhin anzusehen, ob er länger als 30 Jahre sicher laufen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt hält man es bei der ASN jedenfalls für müßig, über Laufzeitverlängerungen bis 40 Jahre und darüber hinaus zu reden, während die EDF kein Geheimnis daraus macht, dass sie Laufzeitverlängerungen den Vorrang vor massiven Neubauprogrammen geben.
Um zu beurteilen, wie wahrscheinlich bzw. wie realistisch Reaktorbetriebszeiten von bis zu 60 Jahren sind, kann man sich den statistischen Altersaufbau der zurzeit laufenden Reaktoren ansehen und das Durchschnittsalter aller bereits stillgelegten Reaktoren zum Vergleich heranziehen (siehe die
Graphiken 5 und 6). Gegenwärtig haben weltweit erst zwei Reaktoren Laufzeiten von über 40 Jahren hinter sich. Diese beiden Reaktoren, Oldbury-1 und -2, sollen in zwei Jahren stillgelegt werden. Sieben weitere Reaktoren haben die Altersgrenze von 40 Jahren erreicht. Innerhalb der kommenden zehn Jahre wird eine ganze Welle Reaktoren die vier Jahrzehnte Laufzeit erreichen, – heute sind 135 Reaktoren dreißig Jahre alt oder älter – aber bisher gibt es praktisch keinerlei Erfahrung mit längeren Betriebszeiten.
Die Altersstruktur der 123 bereits stillgelegten Reaktoren bestätigt das. Denn 26 von ihnen hatten Laufzeiten von dreißig oder mehr Jahren, und von diesen liefen 15 Reaktoren vierzig Jahre oder länger (siehe Graphik 6). Letztere waren bis auf einen kleinen russischen 5 MW Reaktor sämtlich englische Magnox-Reaktoren, die zur Produktion waffenfähigen Plutoniums eingesetzt waren. Sie hatten relativ geringe Nennkapazitäten von 50 MW bis 225 MW und sehr niedrige Abbrände (mit relativ geringer Radioaktivitätsbelastung) – waren also kaum vergleichbar mit den kommerziellen Reaktorgrößen von 900 MW oder 1300 MW mit sehr hohen Abbränden und einer sehr viel höheren strahlenbedingten Materialbelastung. Während viele Reaktoren der ersten Generation sogar nur für kurze Zeit oder allenfalls einige Jahre in Betrieb waren, sind auch die Betriebserfahrungen mit Reaktorlaufzeiten über dreißig Jahre oder länger bisher sehr begrenzt. Zieht man in Betracht, dass das durchschnittliche Lebensalter aller 123 bereits stillgelegten Reaktoren etwa 22 Jahre beträgt, dann scheint es ziemlich optimistisch, mit einer Verdopplung der ursprünglich geplanten Laufzeiten aller Reaktoren zu rechnen. Aber zum Zwecke der Modellierung möglicher künftig verfügbarer Reaktorkapazitäten kann man glaubwürdig mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 40 Jahren rechnen – mit kleinen Abstrichen; so werden die verbliebenen 17 Reaktoren in Deutschland nach geltender Gesetzgebung mit durchschnittlichen Betriebszeiten, die etwa 32 Volllastjahren entsprechen, endgültig abgeschaltet [42], und es gibt eine Reihe weiterer besonders gelagerter Fälle, für die Stilllegungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen sind (siehe Graphik 7).
Das Szenario zu erwartender Laufzeiten ermöglicht eine Berechnung, wie viele neue Reaktoren im Lauf der kommenden Jahrzehnte gebaut werden müssten, um die abzuschaltenden Einheiten zu ersetzen und so Anzahl und installierte Leistung der Reaktoren stabil zu halten. Um Letzteres zu erreichen, müssten über die 52 „in Bau“ befindlichen Blöcke [43] hinaus zum Stichtag 1. August 2009 bereits 42 weitere Reaktoren oder 15 800 MW neuer AKW-Kapazitäten geplant und gebaut und noch vor 2015 ans Netz angeschlossen werden. Das entspricht einem Reaktor-Neustart alle sechs Wochen, und in den darauf folgenden zehn Jahren dann 192 weitere Einheiten oder 170 000 MW, entsprechend einem Neustart alle 19 Tage.
Ein Erreichen der 2015er Zielmarke ist schlicht unmöglich angesichts der begrenzten industriellen Fertigungskapazitäten. Infolgedessen wird die Zahl der noch laufenden Reaktoren von Jahr zu Jahr abnehmen, – selbst wenn die installierte Kapazität auf dem heutigen Niveau gehalten werden könnte [44] – es sei denn, dass Laufzeitverlängerungen über 40 Jahre hinaus zur Regel werden. Würden Laufzeitverlängerungen zum Standard, dann müssten viele andere Fragen wie Reaktorsicherheit, Wartungskosten usw. noch eingehender behandelt werden.
Quelle: IAEA-PRIS, WNA, MSC 2009
Quelle: IAEA-PRIS, US-NRC, WNA, MSC 2009
Quellen: IAEA-PRIS, US-NRC, WNA, MSC 2009
Quellen: IAEA-PRIS, US-NRC, WNA, MSC 2009
Die Trends der Atomenergie-Nutzung in Asien und vor allem in China werden die globale Situation nicht grundlegend ändern. Das Regierungsblatt “China Daily” erklärte im Oktober 2007 [45]: “China verfolgt mit einem Schnelldurchlauf seiner Atomenergie-Entwicklung in den letzten Jahren eine Expansion von zurzeit (2007) ca. 9 000 MW [9 GW] auf 40 000 MW [40 GW] (2020) -so sieht es der langfristige Atomenergie-Entwicklungsplan vor.“ Nicht lange danach gipfelte die Zielprojektion sogar vorübergehend bei 60 GW (2008), um dann wieder auf 40 GW zurückgenommen zu werden. Doch die durchschnittliche Bauzeit der ersten fertig gestellten Reaktoren war 6,3 Jahre. Selbst, wenn es künftig etwas zügiger vorangehen sollte, müssten alle dafür erforderlichen Reaktorprojekte spätestens 2015 in Bau gehen, um ab 2020 Strom liefern zu können. Aber zurzeit ist erst ein Drittel der erforderlichen zusätzlichen Reaktorkapazitäten von 31 GW in Bau gegangen. Zwölf Blöcke mit insgesamt 11 GW hatten ihren Baustart erst im Lauf der letzten vier Jahre. Um Chinas ehrgeizigen Plan zu erfüllen, müsste sich das Bauvolumen verdreifachen – und das ist eher unwahrscheinlich [46] – obwohl es nicht völlig auszuschließen ist. Aber selbst eine so außergewöhnliche Kraftanstrengung einschließlich des Investitionsaufwandes und der technisch-organisatorischen Herausforderungen könnte doch nur ein Zehntel jener Reaktorblöcke ersetzen, die im selben Zeitraum rund um den Erdball die Altersgrenze von 40 Jahren erreichen werden.
Eine von der amerikanischen Elektrizitätswirtschaft finanzierte Studie des Keystone Center wies daraufhin, dass die Errichtung von 700 GW neuer Reaktorkapazitäten “erfordern würde, dass die Industrie unverzüglich zu dem höchsten Wachstumstempo ihrer Geschichte (1981-90) zurückkehren und dieses Wachstum danach für 50 Jahre aufrechterhalten müsste. [47] Die internationale Lobby-Organisation World Nuclear Association ist der Auffassung, sie könne das, und noch mehr: “Es ist bemerkenswert, dass in den achtziger Jahren 218 Reaktoren den Betrieb aufgenommen haben, im Schnitt einer alle 17 Tage. (…) Deshalb kann man sich durchaus vorstellen, dass wir das im Jahrzehnt nach 2015 wieder fertig bringen. Doch wenn China und Indien ihre Atomprogramme forcieren und die weltweite Stromnachfrage 2015 das Doppelte derjenigen von 1980 beträgt, dann wäre eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten wohl näher an dem Äquivalent eines neuen 1000 MW-Reaktors irgendwo auf der Welt alle fünf Tage.“ [48]
Es ist fraglich, ob man das eine „realistische Einschätzung“ nennen kann. Die Situation im zweiten Jahrzehnt des 21.Jahrhunderts wird sich von derjenigen der achtziger Jahre radikal unterscheiden. In den frühen Jahren der Atomindustrie wusste man wenig über die finanziellen und technischen Herausforderungen der atomaren Brennstoffkette -das verschaffte der Industrie einen gewissen Spielraum. Die Reaktorbetreiber profitierten noch davon, dass sie einen Großteil des Investitionsrisikos den Stromzahlern aufbürden konnten; dass sie die Last der Entsorgung und der Reaktorstilllegung in die Zukunft auslagern durften; und dass es keine Konkurrenz von privaten Stromerzeugern auf offenen Strommärkten gab. Verlorenes Kapital, dass zu hunderten von Milliarden Dollar in frühere Neubau-Programme versenkt wurde, und unbewältigte Herausforderungen durch die ungelösten Entsorgungsprobleme, Atomwaffen-Weiterverbreitung und die weltweite Finanzkrise stellen all die großartigen neuen Atompläne in Frage. Viele Analysten urteilen, dass die Schlüsselprobleme der Atomenergie nicht überwunden sind und sich auf den globalen Märkten als echter Wettbewerbsnachteil erweisen werden. Aktuell drohen weitere Schwierigkeiten durch die Liberalisierung der Energiemärkte und durch die Weltwirtschaftskrise.
Ken Silverstein, der Direktor des US-Beratungsunternehmens Energy Industry Analysis, schrieb:
Nach der Deregulierung des Strommarktes und wegen weiterer Unsicherheiten der Märkte und der Politik kann es sich kein Stromversorgungsunternehmen leisten, die Risiken neuer Reaktorprojekte auf sich zu nehmen. Ein Report der Agentur Standard and Poor’s benennt die Hindernisse. Die Mehrkosten durch Bauverzögerungen können zukünftige Projekte in ungeahntem Ausmaß verteuern. Das bedeutet zusätzliche Gefahr für jeden denkbaren Kreditgeber. Um Kapital einwerben zu können, müssen künftige Projektentwickler nachweisen können, dass diese Gefahr nicht mehr besteht oder durch entsprechende Energiegesetze aufgefangen wird. Peter Rigby, ein Analyst bei Standard & Poor’s und Verfasser des Reports, warnt: ’Die nukleare Erblast der Kosteneskalation, technologischer Probleme, beschwerlicher Genehmigungs-und Aufsichtsprozeduren, sowie die neuen Probleme des Marktwettbewerbs und der Terrorismusgefahr lassen die Risiken derart zunehmen, dass selbst die Politik mit Staatsbürgschaften nicht mehr darüber hinweghelfen kann.’ [49]
Im Jahre 2005 verabschiedeten die USA ein Energiegesetz, das Investitionen in neue AKW anschieben sollte. Die Maßnahmen schlossen Steuererleichterungen auf die ersten 6 GW neuer Reaktorkapazitäten ein, eine Kreditbürgschaft für 80 %ige Fremdfinanzierung bis zu einer Gesamtinvestitionssumme von 20,5 Mrd. US$ in Atomanlagen [50] und zusätzliche Hilfen für den Fall unvorhergesehener Bauverzögerungen bei bis zu sechs Reaktoren, sowie die Verlängerung der beschränkten Haftpflicht entsprechend dem Price-Anderson-Gesetz bis 2025 (siehe Details in Kapitel III).
Das Genehmigungsverfahren in den USA ist gestrafft worden. Doch die Bürgerinitiative “Public Citizen” betrachtet das neue Verfahren nicht nur als eine hohe Subventionierung der Industrie (siehe Kapitel III), sondern auch als ernste Behinderung demokratischer Entscheidungsprozesse. “Die kombinierte Bau-und Betriebsgenehmigung (Combined Construction and Operating License – COL) ist Teil eines neuen, verschlankten Verfahrens, das zum Bau neuer Reaktoren ermuntern soll, indem die Betreiber hoch subventioniert werden und die Mitwirkung der Öffentlichkeit bei der Erörterung wichtiger Sicherheitsfragen beschnitten wird. Durch die Kombination zweier zuvor getrennter Genehmigungsverfahren – für Bau und Betrieb – kann die Öffentlichkeit nach Beginn der Bautätigkeit keine Probleme im Zusammenhang mit dem aktuellen Baugeschehen mehr ansprechen. Im Moment des ersten Spatenstichs besitzt der Reaktor bereits eine Betriebsgenehmigung. [51]
Eine Verjüngung des globalen Reaktorbestandes oder auch nur die Laufzeitverlängerung der bereits laufenden Reaktoren stößt auf drei größere Probleme: einen kurzfristigen Engpass bei den industriellen Fertigungskapazitäten von Großkomponenten, eine dramatische Verknappung des Fachpersonals und einen zunehmend skeptischer werdenden Finanzsektor. Weitere Probleme entstehen durch stark ausschlagende Rohstoffmärkte, durch Spätwirkungen der Tschernobyl-Katastrophe und die neue Dimension eines Atomterrorismus. Durch die Weltwirtschaftskrise verschärfen sich diese Probleme noch, und dies ganz besonders in potentiellen Newcomer-Staaten.
Wir haben in Frankreich einen vorzüglichen Präsidenten: Monsieur Sarkozy. Er ist unser bester Handelsvertreter für Atomtechnik. Er fährt in alle Länder und verkauft ihnen Atomkraftwerke.
Colette Lewiner
Global Energy, Utilities and Chemicals Leader, Capgemini
London, Juni 2008 [52]
Ziemlich bald schon werden wir neun Atomwaffenstaaten haben und wahrscheinlich zusätzlich 10 oder 20 virtuelle Atomwaffenstaaten.
Mohamed ElBaradei
Generaldirektor der IAEO
Wien, Mai 2009 [53]
Zahlreiche Staaten haben in den letzten Jahren Interesse an der Atomenergie bekundet. Die IAEO teilte mit, 12 Länder “bereiteten sich aktiv auf die Nutzung der Atomenergie vor” und weitere 38 Länder hätten ein „Interesse an der Inbetriebnahme eines AKW signalisiert“. [54] Von diesen 51 Staaten lägen 17 im Mittleren Osten und in Asien bis hin zum Pazifik, 13 seien in Afrika, 11 in Europa und neun in Lateinamerika.
Allein von 2006 bis 2008 hat die IAEO Anfragen von 43 Mitgliedsstaaten wegen technischer Kooperationswünsche erhalten. Die IAEO prognostiziert bis 2030 zwanzig neue Atomenergie-Staaten, und in einer niedrigen Variante könnten es fünf Neueinsteiger sein. Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, planen nicht alle Staaten, die bei der IAEO wegen technischer Hilfe anfragen, auch den Bau eines AKW. Einige von ihnen sind eher daran "interessiert, etwas über die mit einem Atomenergieprogramm verbundenen Fragen zu erfahren.“ [55]
Definition der Kategorie | Anzahl der Staaten |
---|---|
Keine eigenen AKW geplant, aber interessiert an den mit Atomenergie verbundenen Fragen | 16 |
Ein Programm ist geplant, um bestimmte Energieziele zu erreichen, ernste Absicht, ein Programm zu starten | 14 |
Aktive Vorbereitung eines Atomenergie-Programms, aber noch keine endgültige Entscheidung | 7 |
Es ist entschieden, Atomenergie zu nutzen, eine Infrastruktur ist dazu im Aufbau | 4 |
Eine Ausschreibung zum Bau eines AKW wird vorbereitet | 1 |
Ein AKW ist geordert | - |
Ein neues AKW ist im Bau | 1 |
Quelle: IAEA, “International Status and Prospects of Nuclear Power”, 2008
Nur ein Newcomer-Land, Iran, baut bereits an einem AKW.
Frankreich hat sich beim Aushandeln von Atomhandels-und Kooperationsabkommen mit Newcomer-Staaten besonders hervorgetan. Laut Philippe Pallier, Direktor der neugegründeten Agence France Nucléaire International (AFNI), ist Frankreich von “mehreren Dutzend Staaten” um Unterstützung bei der Initiierung ziviler Atomenergieprogramme ersucht worden. Es sind Vereinbarungen unterzeichnet oder in Vorbereitung mit Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens, u. a. mit Algerien, Jordanien, Libyen [56] , Marokko, Tunesien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Interesse an Atomenergieprojekten haben außerdem Ägypten, Israel, Jordanien, Kuwait, Katar, Syrien, and der Jemen signalisiert. [57] Die US-Regierung hat ein Atomenergie-Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnet und Übereinkommen mit Saudi-Arabien und Bahrain geschlossen.
Jordanien hat ein Komitee für Atomstrategie berufen und erste Vorschläge von KEPCO (Südkorea), AREVA, Atomstroyexport (Russland) und AECL (Kanada) eingeholt. Der erste Reaktorbau soll bereits 2012 beginnen.
In Asien gehören Thailand und Vietnam zu den potentiellen Empfängern französischer Atomhilfe. China, Russland und Südkorea sollen ihrerseits Bangladesh Hilfe beim Bau eines AKW offeriert haben, ein 46 Jahre altes Projekt, wie der Financial Express bemerkt. [58]
In Europa diskutieren Albanien und Kroatien die Möglichkeit eines gemeinsamen Reaktorprojekts. [59] Montenegro und Bosnien sind ebenfalls zur Teilnahme eingeladen. Der Stromversorger Italiens, ENEL, soll eine Machbarkeitsstudie erstellt haben.
Portugal soll sich mit einem Atomprojekt tragen, das auch Strom nach Spanien exportieren könnte. Die portugiesische Regierung hat aber auch frühere Projekte abgelehnt und Spanien hält sich strikt an seinen Ausstiegsbeschluss.
Litauen hat Polen, Estland und Lettland den Bau eines gemeinsamen “Baltischen” AKW vorgeschlagen, das an die Stelle des Reaktors Ignalina-2 treten könnte, der entsprechend einer Klausel der litauischen EU-Beitrittsvereinbarung Ende 2009 abgeschaltet werden muss. Aber selbst nach Abschaltung von Ignalina wird der Strombedarf in den Anrainerstaaten den Neubau eines großen AKW nicht rechtfertigen, ganz abgesehen von der Finanzierungsfrage.
Weißrussland, das von der Tschernobyl-Katastrophe am schwersten betroffene Land, hat AKW-Angebote von Atomstroyexport, AREVA und Westinghouse.
Insgesamt 23 der potentiellen Newcomer-Staaten betreiben mindestens einen Forschungsreaktor [60], was man als eine der Voraussetzungen für das Betreiben kommerzieller AKW betrachten kann. Sehen wir uns die 11 Länder mit kleinen Atomenergie-Programmen mit einem oder zwei AKW (siehe Tabelle 3) an, dann sind darunter nur zwei Staaten, Armenien und Litauen, die keinen Forschungsreaktor betreiben. Beide waren früher Republiken der Sowjetunion und haben nachhaltig vom technischen Knowhow, den Regularien und dem integrierten Stromnetz des großen Staatenverbundes profitiert. Es sind ebendiese Staaten zuzüglich Slowenien, deren nationale Stromnetzkapazität kleiner als 10.000 MW ist und deren AKW-Kapazität mehr als 10 % der gesamten Stromerzeugungskapazität ausmacht. Auch Slowenien war als früherer Teil Jugoslawiens in einen größeren Verbund integriert. Bulgarien betreibt zwei Reaktoren, von denen jeder für sich 8,5 % der gesamten Netzkapazität ausmacht, doch auch hier ist eine recht gute Anbindung an übergreifende Netze gegeben.
Land | Blöcke | Gesamte Atomkapazität (in MW) | Kapazität des größten Reaktors (in MW) | Gesamte installierte Stromleistung (in MW 2007) | Anteil des größten Reaktors an der Gesamtkapazität (in %) |
---|---|---|---|---|---|
Mexiko | 2 | 1,3 | 650 | 53,8 | 1.2% |
Brasilien | 2 | 1,766 | 1,275 | 96,6 | 1.3% |
Pakistan | 2 | 425 | 300 | 19,5 | 1.5% |
Argentinien | 2 | 935 | 600 | 28,3 | 2.1% |
Niederlande | 1 | 482 | 482 | 22,6 | 2.1% |
Südafrika | 2 | 1,8 | 900 | 41,1 | 2.2% |
Rumänien | 2 | 1,3 | 650 | 19,2 | 3.4% |
Bulgarien | 2 | 1,906 | 953 | 11,2 | 8.5% |
Armenien | 1 | 376 | 376 | 3,2 | 11.8% |
Slowenien | 1 | 666 | 666 | 3,1 | 21.5% |
Litauen | 1 | 1,185 | 1,185 | 3,8 | 31.2% |
Quellen: nach IAEA-PRIS 2009, EIA, 2009
Die IAEO erklärt, dass „man allgemein davon ausgeht, dass ein 10 %-Anteil an der gesamten Kraftwerkskapazität die obere Grenze für eine zusätzliche Einheit jeglicher Art darstellt, um Netzschwankungen zu vermeiden“. Bei sieben der elf kleinsten aktiven Atomenergie-Programme entspricht der größte Reaktor weniger als 4 % der installierten Gesamtkapazität. Die anderen vier Programme haben sich unter gänzlich anderen Bedingungen entwickelt. Das heißt demnach, dass ein Zehn-Prozent-Anteil bereits einen ziemlich extremen Grenzwert für die größte Stromerzeugungseinheit in einem Land darstellt.
Von 38 von der WNA genannten potentiellen Newcomern haben 15 Staaten keine Erfahrung mit dem Betrieb von Forschungsreaktoren, und 20 Staaten haben Stromnetze, die kleiner als 10 000 MW sind. [61] Nur die folgenden 17 Staaten haben Erfahrung mit Forschungsreaktoren und verfügen über Stromnetze mit einer Kapazität von über 10 000 MW (siehe Anhang 3): Australien, Chile, Ägypten, Indonesien, Israel, Italien, Kuwait, Malaysia, Norwegen, die Philippinen, Polen, Portugal, Thailand, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Venezuela und Vietnam.
Welche Aussichten haben Atomenergie-Programme in diesen Ländern?
Australien ist ein wichtiger Uran-Lieferant, und doch stieß der Gedanke an ein eigenes Atomenergie-Programm stets auf lebhaften öffentlichen Widerstand. Ein Memorandum für den Premierminister, der sogenannte Switkowski-Report [62] von Dezember 2006, empfahl einen zügigen Einstieg in die Atomenergie. Doch eine internationale Expertengruppe, der auch drei der Autoren dieses Berichts [63] angehörten, bewertete den Switkowski-Report als äußerst voreingenommen und erklärte dessen Ziele für unrealistisch. [64] Seither hat sich nichts getan. Jedwede Weiterverfolgung atomindustrieller Ambitionen erscheint für die kommenden zwei Jahrzehnte sehr unwahrscheinlich. Switkowski gestand im März 2009 ein, dass es selbst bei öffentlicher Akzeptanz der Atomenergie einer “Vorlaufzeit von mindestens 15 Jahren bedürfte, ehe mit dem Reaktorbau begonnen werden könnte“. [65] Tatsächlich aber wird durch die neugewählte australische Regierung ein solches Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Minister für Rohstoffe und Energie, Martin Ferguson, hat unlängst nochmals bekräftigt, dass „die Regierung eine eindeutige Politik des Verbots der Entwicklung einer australischen Atomkraftindustrie verfolgt.“ [66]
Im November 2007 wurde berichtet, dass der Präsident von Chile seinen Energieminister beauftragt habe, die Atomenergie-Option zu prüfen. Es scheint eine gewisse Bemühung zu geben: im Staatshaushalt ist für 2009 ein Titel für eine Untersuchung zur Atomenergie, Betrag: 430 Millionen chilenische Pesos (585 000 €). Schon diese bescheidene Summe provozierte heftige Kritik von Seiten der chilenischen Umweltschutzbewegung. [67] Auf kurze bis mittlere Sicht wird es keine Atomenergie in Chile geben.
In Ägypten ist es schon 35 Jahre her, dass ein erstes AKW im Gespräch war, doch es ist nicht dazu gekommen. Vor nicht langer Zeit allerdings wurden zwei Kooperationsabkommen mit Russland und China geschlossen, und im Dezember 2008 teilte die Regierung mit, sie habe das US-Unternehmen Bechtel (seither auf Worley Parsons übertragen) beauftragt, sie bei der Auswahl eines Reaktorherstellers und bei der Ausbildung von Fachpersonal zu unterstützen. Bis 2017 soll ein 1000 MW-Reaktor den Betrieb aufnehmen.
Atomprojekte haben in Indonesien bereits eine 20jährige Geschichte. 1989 hat eine “National Atomic Energy Agency” (BATAN) erste Studien durchgeführt. 2007 erklärte sich die südkoreanische “Korea Electric Power Corp.” (KEPCO) bereit, eine neue Machbarkeitsstudie für zwei 1000 MW-Reaktoren zu erstellen. Kooperationsabkommen wurden mit Japan und Russland geschlossen. Der indonesische Minister für Forschung und Technologie ließ sich im März 2008 mit der Feststellung zitieren, sein Land werde bis 2025 zwei 1200 MW-Reaktoren benötigen, von denen der erste 2016 betriebsbereit sein solle. Baubeginn werde noch 2008 sein. “Sonst wären wir verspätet”, erklärte der Minister. [68] Indonesien ist verspätet. Ende Juni 2009 gab es immer noch keine Ausschreibung. Die Atompläne haben Bedenken und Proteste ausgelöst, wegen hoher Seismik und Erdbeben just in jenem Landstrich Zentral-Javas, der als Standort des ersten AKW ausersehen war. Kurz-bis mittelfristig wird es in Indonesien wohl keinen Reaktorbetrieb geben. Ein aktualisierter Zeitplan ist nicht bekannt.
Israel hat ein komplettes Atomwaffenprogramm und verfügt deshalb über reichliches Knowhow in der Atomtechnik. Doch es spricht einiges gegen ein (ziviles) Atomenergie-Programm auf kurze bis mittlere Sicht. Für das Stromnetz von gerade eben 10 000 MW wäre ein AKW überdimensioniert. Israel ist dem Atomwaffen-Sperrvertrag nicht beigetreten und deshalb technisch-industriell isoliert. Zudem werden AKW oft als vorinstallierte Atombomben bezeichnet, und es dürfte kein zweites Land geben, für das dieser Aspekt mehr zuträfe als für Israel. Und schließlich ist Israel ein Pionier der Erneuerbaren Energien: in Kalifornien plant ein israelisches Unternehmen gerade das größte Solarkraftwerk der Welt – mit einer Kapazität von 1300 MW [69]. Ein ähnliches Kraftwerk mit 500 MW soll 2012 in Israel den Betrieb aufnehmen.
Die Berlusconi-Regierung Italiens hat ein Gesetz verabschiedet, das einer Wiederaufnahme der Atomenergienutzung den Weg ebenen soll. Vier EPR-Reaktoren könnten ab 2013 gebaut werden – so steht es in einem im Februar 2009 unterzeichneten Abkommen zwischen der französischen EDF und Italiens ENEL, den beiden nationalen Stromversorgern. Italien ist das einzige Land der Welt, das nach dem Tschernobyl-Unglück 1986 sein Atomenergie-Programm komplett stoppte. Eine Volksabstimmung bekräftigte 1987 diese Entscheidung. Vier Reaktoren wurden vom Netz genommen und der Bau an vier weiteren Blöcken wurde abgebrochen – seit 1987 wurde kein Atomstrom mehr ins Netz eingespeist. Auch zwanzig Jahre danach sind die Stilllegungs-und Entsorgungslasten immer noch hoch, es gibt kein Endlager für hochradioaktiven Müll, die Bevölkerung lehnt die Atomenergie auch weiterhin ab. Doch Italien hatte eine bedeutende Atomindustrie und hat immer noch eine starke Atomlobby. Unlängst erklärte ENEL die Absicht, außerhalb Italiens in Atomkraftwerke zu investieren, so beim Mochovce-AKW in der Slowakei und beim französischen Reaktor Flamanville-3. Diese Strategie mag realistischer sein als jeder Versuch, in Italien selbst auf kurze bis mittlere Sicht die Atomenergie wiederzubeleben. [70]
Kuwait hat im März 2009 die Bildung einer Nationalen Atomenergie-Kommission bekanntgegeben und ein entsprechendes Gesetz vorbereitet. Man unternahm erste Schritte zur Formulierung einer eventuellen eigenen Atomenergie-Politik. Das eigene Stromnetz ist aber mit 11 000 MW noch sehr klein, und Atomenergie kommt wohl höchstens auf längere Sicht in Frage.
Indiens Atomindustrie hat Malaysia angeboten, bei der Entwicklung eines Atomenergie-Programms zu helfen, “für den Fall, dass ernsthaftes Interesse besteht, denn Atomenergie setzt eine langfristige Verpflichtung voraus”. [71] Doch auf kurze bis mittlere Sicht gibt es in Malaysia weder eine solche Perspektive noch entsprechende Ambitionen.
In Norwegen hat eine von der Regierung berufene Beratergruppe empfohlen, “den potentiellen Beitrag der Atomenergie zu einer nachhaltigen Energiezukunft im Auge zu behalten.“ [72] Doch ein Länderprofil der OECD-Atomenergie-Agentur stellt lakonisch fest: “Norwegen betreibt kein Atomenergie.Programm.“ [73]
Polen hatte zwischen 1974 und 1982 fünf Reaktoren aus russischer Fertigung in Auftrag gegeben. Zwei Blöcke waren bereits bei Zarnowiec in Bau, doch sämtliche Aufträge wurden bis 1990 storniert. Die jetzige Regierung hat das Projekt wieder aufleben lassen und erklärt, ein erster Reaktor solle spätestens 2020 in Betrieb gehen. Der staatliche Stromversorger PGE hat im Januar 2009 Pläne bekanntgegeben, zwei Atomkraftwerke mit je 3 000 MW in Polen zu errichten. Außerdem hat sich Polen der litauischen LEO (Lithuanian Energy Organisation) zugesellt, die in einem Verbund von Lettland, Estland und Litauen ein “Baltisches AKW” namens Viasginas projektiert. Ursprünglich war ein neues AKW als Ersatz für das Ende 2009 stillzulegende AKW Ignalina geplant; das neue Kraftwerk sollte schon 2015 den Betrieb aufnehmen. Doch es sind keine realistischen zeitlichen oder finanziellen Rahmenbedingungen genannt worden. Eine Ausschreibung ist ebenfalls nicht erfolgt. Die baltischen Staaten sind die mit Abstand am meisten von der Wirtschaftskrise betroffenen Länder der EU.
Die Philippinen hatten bereits einmal ein Atomenergie-Projekt. 1974 war ein 600 MW-Reaktor von Westinghouse bestellt worden, der “Bataan-1”, und mit dem Bau war 1976 begonnen worden. Das nahezu fertig gestellte Kraftwerk wurde von der neugewählten Aquino-Regierung wenige Tage nach dem Tschernobyl-Unglück 1986 aufgegeben. Anscheinend wurden noch bis 2007 Raten für das Pleiteprojekt abbezahlt. [74] Im Februar 2008 besuchte eine IAEO-Abordnung auf Einladung der Regierung den Bauplatz. Wiederholt haben Parlamentarier versucht, zuletzt im Dezember 2008, über entsprechende Gesetzesvorlagen das Projekt wieder aufzunehmen. Dazu bemerkte die IAEO: “Die Regierung muss abschätzen, was für die Erteilung einer erneuten Genehmigung erforderlich ist, wie die zwanzig Jahre alte Technologie auf den neuesten Stand zu bringen wäre, und wie sicherzustellen wäre, dass die Anlage in jeder Hinsicht funktioniert und sicher betrieben werden kann. Es kann nicht Aufgabe der IAEO sein, festzustellen, ob der Reaktor noch betriebsfähig ist oder nicht, oder wie viel es kosten würde, ihn nachzurüsten“. [75] Der Standort des AKW liegt nahe bei einem erdbebengefährdeten Gebiet und unweit des Pinatubo-Vulkans. Aber wegen des Finanzdebakels mit den ursprünglichen Investitionen, auch wegen des Fehlens eines angemessenen Regelwerks für die behördliche Zulassung und Überwachung, und nicht zuletzt wegen der Ablehnung in breiten Bevölkerungskreisen erscheint die Wiederaufnahme des Projekts unwahrscheinlich.
In Portugal “hat die Regierung 2004 einen Vorschlag zur Einführung der Atomenergienutzung abgelehnt, aber diese Entscheidung wird einer erneuten Prüfung unterzogen“, schreibt der Industrieverband WNA. [76] Doch die portugiesische Bevölkerung ist in ihrer großen Mehrheit gegen Atomenergie, und es existieren keine konkreten Pläne. Die Atomenergie-Agentur der OECD stellt in ihrem Länderprofil denn auch fest: “Portugal hat kein Programm für Atomenergie.” [77]
In Thailand hat es seit den 1970er Jahren immer wieder Pläne für ein Atomenergieprojekt gegeben, von denen aber keiner realisiert worden ist. Der Energieminister der vorigen Regierung hatte ein Projekt für den Bau von vier Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von 4000 MW wiederbelebt, die ab 2020-21 Strom liefern sollten. [78] Die neue Regierung hat sich diese Pläne aber nicht zueigen gemacht.
Zwar benennt die IAEO nicht die in den einzelnen Kategorien in Tabelle 2 aufgeführten Staaten, doch hat die Türkei als einziges Land unter den potentiellen Newcomern bereits eine Ausschreibung veröffentlicht. Bis September 2008 war jedoch nur ein Angebot der russischen Atomstroyexport (ASE) eingegangen, obwohl es sechs potentielle Anbieter gibt. Eigentlich muss die Ausschreibung wiederholt werden, da nach türkischem Gesetz ein derartiger Auftrag nicht erteilt werden darf, wenn es nur einen einzigen Anbieter gibt. Doch wird über das Angebot des russischen Konsortiums, dem neben ASE auch Inter UES und das türkische Unternehmen Park Teknik angehören, kontinuierlich verhandelt. Das Angebot entspricht dem sogenannten „BOO“-Modell (Build, Own, Operate = Bauherr, Eigentümer, Betreiber) und erstreckt sich auf die Errichtung von vier 1200 MW-Reaktoren des Typs AES-2006 VVER) an einem Standort nahe Mersin im Distrikt Akkuyu. Im Februar 2009 war das Projekt Gesprächsgegenstand zwischen den Präsidenten Russlands und der Türkei. Die Finanzierung ist das Problem. Berichte besagen [79], dass die russische Seite den Atomstrom zu einem Tarif von mehr als dem Dreifachen des aktuellen türkischen Großhandelstarifs angeboten hat. Ein nachgebessertes Angebot wäre immer noch das Doppelte des Großhandelstarifs. Akkuyu ist übrigens ein Standort, für den es früher schon einmal ein komplett vorfinanziertes AKW-Projekt gegeben hat, das trotzdem gescheitert ist. In der Türkei fehlte, und fehlt immer noch, eine konsistente Infrastruktur für Atomenergie, und die ortsansässige Bevölkerung wehrt sich vehement gegen das Vorhaben. Das aktualisierte Projekt hat diese örtliche Opposition bereits wieder auf den Plan gerufen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAR) haben entsprechend einem Vorschlag der IAEO eine “Atomenergie-Programm-Durchführungs-Organisation (Nuclear Energy Program Implementation Organization -NEPIO) gegründet und die “Emirates Nuclear Energy Corporation (ENEC)” als Staatsunternehmen mit einem Gründungskapital von US$ 100 Millionen hat mit der Formulierung eines atomgesetzlichen Regelwerks begonnen. Dies entspricht Empfehlungen eines amtlichen Grundsatzpapiers zur “Bewertung und eventuellen Entwicklung friedlicher Atomenergie” [80] . In den Emiraten denkt man an den Betrieb von drei 1500 MW-Reaktoren ab 2020, doch war bis Ende Juni 2009 noch keine Entscheidung über eine Ausschreibung gefallen.
Zwar haben die VAR ein umfassendes atomtechnisches Kooperationsabkommen mit Frankreich unterschrieben, doch gibt es im US-Kongress starken Widerstand gegen ein ähnliches Abkommen mit den USA, das noch in den letzten Tagen der Bush-Regierung am 15. Januar 2009 zustande gekommen war. “Angesichts der bisherigen Rolle der VAR als wichtiges Verkehrskreuz für die Importe der iranischen Atom-und Raketenprogramme, bestehen ernste Vorbehalte dagegen, seitens der USA mit den VAR auf atomtechnischen Gebiet zusammenzuarbeiten”, erklärte das Kongressmitglied Ileana Ros-Lehtinen, Sprecherin der Republikaner im Außenausschuss. [81] Solche starken, parteiübergreifenden Vorbehalte in den USA sind ein ernstzunehmendes potentielles Hindernis für ein Atomenergie-Programm der VAR, auch wenn Präsident Obama offiziell die Umsetzung des Abkommens genehmigt hat. [82] Des Weiteren müssten die VAR ihr Stromnetz erheblich erweitern, da ein 1500 MW-Reaktor bereits 10 % der gesamten Netzkapazität ausmachen würde.
Venezuela hat schon 1975 einen Beschluss zur “Entwicklung der Atomindustrie” verabschiedet, aber es ist nicht zu einem Atomenergie-Programm gekommen. Im September 2008 wurde Präsident Chavez mit dem Ausspruch zitiert: “Wir sind definitiv an der Entwicklung der Atomenergie interessiert, für friedliche Zwecke natürlich, für medizinische Zwecke und die Stromproduktion." [83] Russland und Frankreich haben ihre guten Dienste angeboten, aber konkrete Pläne gibt es noch nicht.
Schon 1996 hat Vietnam ein Kooperationsabkommen mit Südkorea zur “Erforschung der friedlichen Nutzung der Atomenergie” unterzeichnet. Ähnliche Abkommen wurden später auch noch mit Kanada, China, Frankreich, Japan und Russland geschlossen. Mitte 2008 wurde ein Atomgesetz verabschiedet, das ab 2014 den Bau von zwei 1000 MW-Reaktoren vorsieht, die ab 2018 Strom liefern sollen. Es gibt in Vietnam keinerlei atomtechnische Infrastruktur, und das Stromnetz müsste erheblich nachgerüstet werden, denn die beiden Reaktoren würden bereits 20 % der gesamten bisherigen Netzkapazität beanspruchen.
In praktisch allen Fällen potentieller Newcomer-Staaten ist es nach wie vor unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit die notwendigen technischen, politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Realisierung eines Atomenergie-Programms geschaffen werden können. Keiner dieser Staaten verfügt über ein entsprechendes Regelwerk und eine unabhängige Regulierungsbehörde, über heimische Wartungskapazitäten und Fachpersonal, um ein AKW betreiben zu können. Der Chef der französischen Behörde für Reaktorsicherheit schätzt, dass in Staaten, die ganz von vorn mit einem Atomprogramm beginnen wollen, eine Vorlaufzeit von mindestens 15 Jahren zur Schaffung der erforderlichen kontrollbehördlichen Rahmenbedingungen benötigt wird.
Außerdem verfügen nur wenige Saaten über die Stromnetz-Kapazität, um ein großes AKW integrieren zu können. Die Schwierigkeiten mit der Finanzierung eines AKW werden durch die notwenigen zusätzlichen Investitionen in das Stromnetz also noch verschärft.
Jene Staaten, deren Stromnetze von Umfang und Qualität für ein größeres AKW im Prinzip ausgelegt scheinen, müssen weitere bedeutende Hürden überwinden. [84] Zu diesen gehören eine ablehnende oder indifferente Regierung (Australien, Norwegen, Malaysia, Thailand), eine überwiegend feindselige Haltung der öffentlichen Meinung (Italien, Türkei), internationale Vorbehalte wegen potentieller Weiterverbreitung von Atomwaffen (Ägypten, Israel), große wirtschaftliche Schwierigkeiten (Poland), gefährliche Umweltbedingungen wegen seismischer und Vulkanrisiken (Philippinen, Indonesia), Fehlen jeglicher notwendiger Infrastruktur (Venezuela). Viele Staaten sehen sich mehreren dieser Barrieren gleichzeitig gegenüber.
Ob es zu einer Renaissance der Atomenergie kommt, hängt überwiegend von Erfolg oder Scheitern der industriellen Infrastruktur ab, die Komponenten und Anlagen für den AKW-Bau liefert.
Kristine L. Svinicki
Kommissar der NRC (US-Atomaufsicht)
Mai 2009 [85]
Die Situation der Atomindustrie hat sich seit dem Höhepunkt des Reaktorbaus um 1980 radikal verändert. Viele der Unternehmen, die noch 1980 führend waren, haben sich von der Atomwirtschaft gänzlich verabschiedet. Manche haben mit anderen Betrieben im Atomsektor fusioniert, oder sie haben sich umorientiert auf die Stilllegung atomtechnischer Anlagen oder das Abfallmanagement, wo es in letzter Zeit zunehmend zu tun gibt. Im Ergebnis sind es jetzt weniger Betriebe in weniger Ländern, die noch imstande sind, den Bau eines kompletten Atomkraftwerks zu managen. [86]
Die Amerikanische Vereinigung der Maschinenbau-Ingenieure (American Society of Mechanical Engineers -ASME), teilt mit, die Zahl der von ASME zertifizierten atomtechnischen Betriebe seien weltweit von 600 im Jahr 1980 auf weniger als 200 im Jahr 2007 zurückgegangen. Dieser Rückgang betraf vor allem die Vereinigten Staaten, denn in den übrigen Staaten blieb die Zahl ziemlich konstant bei etwa 100. Seit 2007 ist die Zahl der ASME-zertifizierten Betriebe wieder leicht auf 225 angestiegen, kaum ein Quantensprung. [87]
Das US-Energieministerium kam in einer Untersuchung der für den AKW-Bau nötigen Industrieinfrastruktur zu der Einschätzung, dass die Reaktor-Hauptkomponenten Reaktordruckbehälter, Dampferzeuger und Dampfabscheider-Wiederaufheizanlagen für die nächste Zukunft der Generation.III-Reaktoren nicht in den USA hergestellt würden. “Die Fertigung von Reaktordruckbehältern (RDB) könnte behindert werden durch die begrenzte Verfügbarkeit der atomtauglichen großen Rundschmiedestücke, die zurzeit nur beim japanischen Hersteller Japan Steel Works Ltd (JSW) gefertigt werden. Weiterer Zeitverzug dürfte in den Beschaffungsplänen für RDB entstehen, abhängig von der verlässlichen Lieferfähigkeit dieses einzigen Herstellers. Dieser potentielle Lieferengpass stellt ein erhebliches Risiko für die Bauzeitplanung und auch für die Projektfinanzierung dar.” [88] Der NRC-Vorsitzende Dave Klein warnte, es sei zeitaufwändiger, bei Reaktorkomponenten aus ausländischer Fertigung die vorgeschriebenen Inspektionen durchzuführen als eine Qualitätssicherung bei heimischen Herstellern zu gewährleisten. [89]
JSW hat etwa 130 bzw. 30 % der gegenwärtig weltweit installierten Reaktordruckbehälter geliefert. [90] Zwar stammen etwa 90 % der in den USA noch betriebenen Reaktordruckbehälter von heimischen Herstellern, doch kein einziger der Ersatzdruckbehälterdeckel, die 2002 nach der Entdeckung eines großen Lochs im Druckbehälterdeckel des AKW Davis Besse eingebaut werden mussten, waren noch in den USA hergestellt. Tatsächlich können nur noch die JSW Großkomponenten aus Stahlblöcken bis zu 450 Tonnen [91] und mehr herstellen, wie sie für die Druckbehälter des EPR und anderer Generation-III-Reaktortypen gebraucht werden. JSW haben einen weiteren Ausbau ihrer Produktionskapazität angekündigt, doch ist ihr jährlicher maximaler Ausstoß weiterhin unklar. Berichten zufolge sollten “moderatere Investitionen in den Jahren 2006-8” den Ausstoß 2007 auf ein Äquivalent von vier Sets der druckführenden Reaktorkomponenten (Druckbehälter und Dampferzeuger) und bis 2008 auf 5,5 Sets bringen. JSW wollen bis 2010 ihre Fertigungskapazität auf ein jährliches Äquivalent von 8,5 Sets steigern und die maximale Größe der Stahlblöcke auf 650 t steigern. Bereits Ende 2007 waren die Fertigungskapazitäten bei JSW für Atomtechnische Komponenten bis Ende 2010 ausgebucht. [92] AREVA hat für den Zeitraum “bis 2016 und darüber hinaus” eine Vereinbarung mit JSW getroffen, “die uns eine gewisse Sicherheit für den nächsten Expansionsschub unseres Programms zur Kapazitätserweiterung verschafft.“ [93]
Ein Problem stellt der Terminus „Äquivalent“ dar, weil nicht klar ist, wie viel von der Schmiedekapazität für die neuen AKW-Projekte eingesetzt werden soll. JSW liefern beispielsweise jährlich auch 100 Schmiedestücke für fossil betriebene Turbinen und Generator-Rotoren allein an China.
Die maximale Größe der von AREVA in ihrer Schmiede bei Chalon hergestellten Stücke ist 250 Tonnen. AREVA hat erklärt, die jährliche Kapazität ihrer Schmiede sei auf 12 Dampferzeuger begrenzt [94] “zzgl. einiger RDB-Deckel“ und kleinere Ausrüstungen bzw. ein Äquivalent von 2 bis 2,5 Sets pro Jahr, vorausgesetzt, sie fertige ausschließlich Komponenten für neue Reaktoren. In Wirklichkeit sind die Kapazitäten längst ausgebucht, und zwar für Nachrüstungsmaßnahmen zur Laufzeitverlängerung bestehender AKW – Ersatz-Dampferzeuger und –RDB-Deckel, auch für AKW in den USA. [95] Im Juli 2007 teilte AREVA mit, die im Jahr 2006 bei JSW bestellten Schwerkomponenten für einen US-EPR seien beim Stahlwerk Chalon eingetroffen. AREVA behauptet, man könne aufgrund dieser Bestellung als einziger AKW-Lieferant „durch die nun vorrätigen Komponenten die Aufnahme der Stromproduktion bis 2015 garantieren." [96] Seit 1973 hat das Werk Chalon insgesamt 600 Schwerkomponenten einschließlich 76 RDB, 63 Ersatz-RDB-Deckel und 292 Dampferzeuger gefertigt. Über 500 dieser Komponenten wurden in französische AKW eingebaut.
Im Juli 2008 hat AREVA angekündigt, man werde die Kapazität im Stahlwerk Le Creusot (in derselben Region wie Chalon gelegen) erweitern, um die jährliche Produktion der Schmiedestücke von insgesamt 35 000 Tonnen auf 50 000 Tonnen zu steigern. AREVA behauptet, derzeit “80 % der Komponenten eines EPR im Werk Le Creusot herstellen zu können, und künftig werde man 100 % herstellen können, einschließlich Reaktordruckbehälterkomponenten”. [97] Wenige Monate später hieß es, die Kapazität des Werks Chalon werde “von etwa 1,7 EPR-Äquivalenten auf 2,7 EPR-Äquivalenten" erweitert. [98]
Die Zahlenangaben von AREVA zeigen, wie schwierig es ist, die realen Fertigungskapazitäten zu ermitteln. Die Kapazität von AREVA wird von maximal 2,5 Generation-II-Blöcken auf ein Maximum von 2,7 Generation-III-Blöcken angehoben. Das sieht nach einer eher bescheidenen Kapazitätserhöhung aus.
In den USA plant AREVA gemeinsam mit Northrop Grumman den Bau einer spiegelbildlichen Chalon-Anlage für einen Standort in Newport News, Virginia. Das 360 Mio $ teure Werk würde Reaktorbehälter, Dampferzeuger und Druckhalter für künftig in den USA zu bauende EPR herstellen. Doch AREVA befindet sich in großer Finanznot (siehe auch Kapitel III. und IV.) und es sieht momentan nicht danach aus, dass alle diese ehrgeizigen Investitionsvorhaben verwirklicht werden können. [99]
Anderweitige Initiativen zur Behebung des offensichtlichen Engpasses bei den Industriekapazitäten:
• Die chinesischen Stahlunternehmen Harbin Boiler Works, Dongfang Boiler Group und Shanghai Electric Heavy Industries Corp. (SEC) bereiten sich auf ihren Eintritt in den Weltmarkt für sehr große Schmiedestücke vor. Bisher sind nur zwei chinesische Unternehmen zur Bearbeitung ca. 350 t schwerer Stahlblöcke imstande; SEC soll bis zu 500 t-Stücke bearbeiten können. Im Jahr 2008 haben sich Chinas Stahlfabrikanten das ehrgeizige Ziel gesetzt, ab 2015 pro Jahr zwanzig oder mehr Sets von Druckbehältern und Dampferzeugern herzustellen. Europäische und US-amerikanische Industrievertreter mit China-Erfahrung meinen allerdings, dieses Ziel werde erst sehr viel später erreichbar werden. Nur ein einziges chinesisches Stahlwerk, China Erzhong, besaß bislang ein ASME-Zertifikat zum Schmieden von Reaktorkomponenten, eine für die Exportproduktion unverzichtbare Voraussetzung. Und die Größe der Druckbehälter ist auf 600 MW begrenzt. Anfang Juni 2009 gab die Shandong Nuclear Power Equipment Manufacturing Co. bekannt, die ASME Zertifikation für AP1000 Komponenten erhalten zu haben. [100] Die ersten vier AP1000-Druckbehälter für den chinesischen Markt wurden allerdings noch bei einem koreanischen Hersteller geordert. Die Größe der 1000 MW Reaktoren bleibt noch weit entfernt von den Dimensionen eines 1600er EPR Druckbehälters. Der Atomsektor müsste sich außerdem im Wettbewerb mit anderen Industriesektoren um die vorhandenen Schmiedekapazitäten behaupten. Über 90 % der Schmiedestücke für Kohlekraftwerke über 600 MW werden von China importiert, vor allem aus Japan. [101]
• Der russische Hersteller von Schwerkomponenten, ZiO-Podolsk, ein Tochterunternehmen von Atomenergomash, soll bis 2015 ca. 2,9 Milliarden Rubel (65 Mio €) für die Erweiterung seiner Fertigungskapazität bis auf ein jährliches Äquivalent von vier Reaktor-Komponentensets investieren. [102]
• Anfang 2009 unterzeichnete der spanische Stromversorger ENSA eine strategische Vereinbarung mit GE-Hitachi Nuclear Energy (GEH) über die Herstellung von Druckbehältern für Fortgeschrittene Siedewasserreaktoren (ABWR) und „Economic Simplified Boiling Water Reactors (ESBWR)“. Im Februar 2009 lieferte JSW das erste von sechs Schmiedestücken für einen ESBWR. ENSA plant mit der Fertigstellung des Druckbehälters erst für 2012.
• In den USA hat Westinghouse Verträge mit Chicago Bridge & Iron (CB&I) über die Lieferung von vier AP1000-Druckbehältern geschlossen. CB&I hat nach eigenen Angaben 75 % aller in den USA betriebenen Reaktordruckbehälter hergestellt und plant seine Fertigungskapazitäten wieder hochzufahren. Die ersten Auslieferungen sind für den Zeitraum zwischen 2014 und 2018 vorgesehen. [103] Das ist nur ein Beispiel für die im Atombereich üblichen langen Vorlaufzeiten.
• Im Vereinigten Königreich ist die Atomindustrie verzweifelt um Hilfe bei der Rückgewinnung ihrer atomtechnischen Kompetenz bemüht. Das Scheitern der britischen Industrie bei den Ausschreibungen um den finnischen EPR war ein schwerer Schlag. Weniger als 1 % der 2 183 Firmen, die an Olkiluoto beteiligt sind, ist britisch. AREVA hat durchblicken lassen, man sei dazu bereit, der britischen Industrie bei der Wiedergewinnung ihrer Expertise zu helfen. [104] Premierminister Brown hat im Mai 2009 die in Sheffield beheimateten Stahlschmieden besucht. Doch eine Entscheidung darüber, ob der Staat den erbetenen 20 %-Zuschuss zur veranschlagten 140 Mio. Investition für eine 15 000-Tonnen-Presse gewähren wird, steht noch aus. Diese Ertüchtigung würde das Sheffielder Unternehmen in die Lage versetzen, im Wettbewerb mit dem hochexklusiven Kreis atomtechnisch zertifizierter Stahlschmieden mitzuspielen. [105]
Die Atomindustrie befindet sich in einem Prozess tiefgreifender Reorganisation und Rehabilitation, doch Investitionen in Fabrikationsanlagen für schwere Ausrüstungen sind sehr kapitalintensiv. Die Hersteller werden kaum mit Investitionen in Höhe mehrerer hundert Millionen Dollar vorangehen, wenn keine festen Bestellungen für mehrere Jahre vorliegen. Doch der aktuelle Rückgang des Stromverbrauchs, bescheidenere Staatssubventionen, und das gleichzeitige Wachstum im Markt für Erneuerbare Energien lassen Investoren an der Machbarkeit neuer Atomenergie-Projekte zweifeln. Das Stornieren bereits fortgeschrittener Projekte in Südafrika, Kanada und in den USA, sowie die wiederholte Verzögerung zahlreicher anderer Projekte vermittelt kaum das für die notwendigen kapitalintensiven Investitionen unabdingbare Vertrauen.
Das Altern der Belegschaften raubt unzähligen Firmenchefs nachts den Schlaf.
Eric Schmitt
Capgemini [106]
Das Investitions-und Bautempo der 80er Jahre lässt sich nicht 30 Jahre danach einfach wiederholen. [107] Atomindustrie und Stromversorger stehen vor der Herausforderung radikal veränderter industrieller Verhältnisse. Heutzutage müssen sich staatliche wie private Atomindustrie mit Kosten für Abfallmanagement und Reaktorstilllegungen befassen, die weit über den ursprünglichen Kostenansätzen liegen, selbst wenn ein Löwenanteil oft mit öffentlichen Mitteln abgedeckt wird. Außerdem gibt es Konkurrenz von einem weitgehend modernisierten Gas-und Kohlesektor und neuen aufstrebenden Wettbewerbern im Sektor der Neuen und Erneuerbaren Energien. [108] Und ganz besonders droht das Problem eines rapiden Kompetenzverlustes beim Bau und Betrieb der Atomanlagen.
Mehrere Gutachten bestätigen, dass man es bei diesem Kompetenzschwund mit einem weltweiten Phänomen zu tun hat.
Schon im Jahr 2000 kam die Nuclear Energy Agency (NEA) der OECD nach Analyse der Situation in 16 Staaten zur alarmierenden Erkenntnis:
In den meisten Staaten gibt es heute weniger umfassende, weniger qualitativ hochstehende atomtechnologische Studienprogramme an Universitäten als zuvor. Die Hochschulen sind kaum mehr in der Lage, qualifizierte Studenten für solche Programme zu interessieren, sodass für die Atomindustrie künftig Personal fehlt und auch kaum Spitzenforschung betrieben werden kann. (…) Wenn das Ruder nicht herumgeworfen wird, dann setzt sich diese Spirale aus nachlassendem Studenteninteresse und fehlendem akademischem Angebot fort. [109]
Die IAEO hat Initiativen gestartet, um dem Kompetenzdefizit mit sogenanntem “Atom-Wissensmanagement” zu Leibe zu rücken. [110] 2004 wurde eine internationale Konferenz zu Fragen des Atom-Wissensmanagement organisiert, die durch eine Serie von ungeschönten Länderberichten einen aufschlussreichen Überblick ermöglichte. [111] Aber obwohl einige der Reports interessantes Hintergrundwissen (siehe unten) vermitteln, so bleiben die Schlussfolgerungen und Empfehlungen doch sehr allgemein, wenn es dort etwa heißt: “Das IAEO-Sekretariat und die Mitgliedsstaaten müssen alle möglichen Schritte tun, um nukleares Wissen zu erhalten und weiterzugeben…“. 2007 organisierte die IAEO ein zweites internationales Treffen zum Thema. [112] In einem Beitrag des IAEO-Sekretariats war erneut die Rede von der „verlässlichen Bereitstellung kompetenten Fachpersonals als einer der größten Herausforderungen der gesamten Atomindustrie.“ [113] Die Erkenntnisse und Empfehlungen des Berichterstatters benennen die „zunehmende Wichtigkeit dieses Themas“ und weisen trotz einer leichten Zunahme der Ausbildungsrate darauf hin, dass „das Personalproblem wahrscheinlich der schlimmste Engpass sein wird: sogar in den „etablierten“ Atomenergie-Staaten gibt es Generationslücken.“ Der Berichterstatter der Konferenz empfahl der IAEO und der NEA, „Werbung für eine Atom-Renaissance, um junge Talente anzulocken.“ Er unterließ jede Erwähnung jener Meinungsumfrage des ‘Young Generation Network’, die herausfand, dass über 40 % der jungen Nachwuchsprofis in der Atomindustrie ihre Jobs als lediglich „okay“ bis „sehr enttäuschend“ bezeichnet hatten. [114]
Eine Studie der NEA aus dem Jahr 2004 erkannte, dass wieder mehr Studenten in atomtechnologischen Fächern diplomiert wurden als kurz zuvor, doch auch, dass Erhebungen in Mitgliedsländern zeigten, dass „trotz unzähliger laufender Initiativen in atomtechnischer Erziehung und Ausbildung eine viel größere Zahl an Ingenieuren und Atomwissenschaftlern gebraucht werden als gegenwärtig ihre Ausbildung abschließen.“ [115] Unternehmensinterne Ausbildung ist angesichts der allgemeinen Wettbewerbssituation um talentierten Nachwuchs nicht mehr unbedingt die Lösung:
Es kommt immer weniger technisch gut ausgebildeter Nachwuchs auf den Markt, der Wettbewerb um sie wird schärfer, und es zeichnet sich ab, dass die Atomindustrie das Nachsehen hat. (…) Zum einen ist die Industrie direkt davon betroffen, zum anderen aber auch indirekt, weil der Mangel an atomtechnisch vorgebildetem Nachwuchs nicht mehr durch firmeninterne Zusatzausbildung kompensiert werden kann. (…) Die Bereitstellung der notwendigen, spezialisierten Studiengänge ist gefährdet. [116]
2007 adressierte das NEA-Leitungskomitee eine unübliche, einstimmige Erklärung an die Regierungen aller Mitgliedsstaaten: “Zur Rolle der Regierungen bei der Sicherstellung qualifizierter Fachkräfte im Atomenergiesektor”. Der Tenor dieser Erklärung war nicht weniger alarmierend als in der Analyse sieben Jahre zuvor:
Der Sektor erlebt Verluste an Fachwissen als Folge von Entlassungen zur Reduzierung der Personalkosten, Verluste von Forschungseinrichtungen zur Reduzierung von Betriebskosten, und einem Rückgang der Unterstützung von Universitäten zur Reduzierung von Allgemeinkosten. [117]
Die NEA empfiehlt, die Regierungen sollten regelmäßig Erhebungen über Nachfrage und Angebot atomtechnischen Personals durchführen; die betroffenen Firmen und Einrichtungen (stakeholders) sollten auf nationaler und internationaler Ebene zusammenarbeiten, um die atomtechnische Ausbildung zu fördern, und es sollten große internationale Forschungs-und Entwicklungsprogramme unterstützt werden, um die Atomindustrie für junge Hochschulabsolventen und Nachwuchsprofis attraktiv zu machen. Der indische Atomindustrielle Shreyans K. Jain, soeben zum Präsidenten der “Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. (WANO)” gewählt, stellte in der Rede anlässlich seiner Wahl im September 2007 fest:
Die zentralen Probleme, die heute weltweite Beachtung erfordern, sind meines Erachtens jene der alternden Belegschaften, der alternden Reaktoren, der globalen Expansion des AKW-Bestandes, und, wahrscheinlich, das Zögern der jungen Generation, diese Technologie zu ihrem Beruf zu machen. Es ist auch eine Tatsache, dass mit der zunehmenden Personalfluktuation fortlaufend unschätzbares, über Jahre gewonnenes Erfahrungswissen verlorengeht. Deshalb ist es völlig unabdingbar, dass wir darüber nachdenken, wie wir diesen ernsten Problemen begegnen können. [118]
Im März 2008 schlussfolgerte ein Report der Unternehmensberatungsfirma Capgemini:
Die Bühne ist frei für einen weltweiten Wettbewerb aller Industriezweige um junge Talente. Die Atomenergie wird ihren Anteil davon erringen müssen, um die Renaissance zu unterstützen (…) Interesse unter den Arbeitskräften des neuen Jahrtausends für den Atomsektor zu wecken und entsprechende Hochschulprogramme hochzuziehen, wird fünf bis zehn Jahre in Anspruch nehmen, aber um Interesse wecken zu können, muss unsere Industrie wohl zunächst mit einem neuen Reaktorkonzept auf sich aufmerksam machen.
Bislang hat die NEA ihren 2004er Report nicht aktualisiert, doch ist das bis Ende 2010 geplant. [119] Erstaunlicherweise hat das „Europäische Netzwerk Atomausbildung“ (European Nuclear Education Network -ENEN) ebenfalls keine aktuellen statistischen Daten über den Stand des atomtechnischen Ausbildungswesens vorgelegt. ENEN ist bei dem französischen Atomenergiekommissariat CEA angesiedelt und war 2003 von 51 Mitgliedsorganisationen gegründet worden, um Bildung und Ausbildung im atomaren Bereich zu bewahren und weiterzuentwickeln. Im Rahmen dieser Mission hat ENEN einen europäischen Master of Science (MSc) in Atom-Ingenieurwesen etabliert. Im September 2008 umriss ENEN die Situation fünf Jahre nach ihrer Gründung wie folgt:
Gegenwärtig haben sämtliche interessierten Kreise des europäischen Atomkomplexes (Lieferanten, AKW-Betreiber, Zulieferer, Aufsichtsbehörden, nationale und europäische Körperschaften, Sicherheitsorganisationen, Berater etc.) einen ungeheuren Mangel an ausgebildetem Nachwuchs – und praktisch alle haben Schwierigkeiten, den Bedarf zu befriedigen. [120]
Eine “Welt-Atom-Universität” (World Nuclear University -WNU) wurde 2003 gegründet mit dem Auftrag, die internationale Ausbildung und Vermittlung von Führungsqualifikationen auf dem Gebiet der friedlichen Anwendung der Atomwissenschaft und –forschung zu fördern. Die WNU hat vier Gründungspaten: die IAEO, die NEA, WANO und WNA. Die WNU organisiert jährlich ein sechswöchiges Sommer-Institut für etwa 100 Teilnehmer unter 35 Jahren an der Oxford-Universität, “ausgewählt aus einer Vorauswahl hoffnungsvoller junger Beschäftigter im Atombereich mit starkem Führungspotential”. [121] Die WNU konnte leider auch keine internationalen Daten über den Bedarf bzw. Karriereangebote an Atomexperten zur Verfügung stellen.
Mangels internationaler Daten offerieren wir folgende Fallbeispiele über die USA, Frankreich und das Vereinigte Königreich sowie einige Randnotizen über zwei weitere G8-Staaten, Deutschland und Japan.
Die Atomindustrie der USA benötigt für die bestehenden Anlagen im Lauf der nächsten zehn Jahre etwa 26 000 neue Fachkräfte. Das schließt zusätzlichen Personalbedarf für neue Anlagen nicht mit ein. [122] Erstmals seit 30 Jahren muss die US-Atomaufsichtsbehörde NRC neue Genehmigungsanträge prüfen. Wie für alle Bundesangestellten gilt auch für das NRC-Personal, dass etwa ein Drittel der Belegschaft im Lauf der kommenden fünf Jahre das Pensionsalter erreicht. Tatsächlich sind bereits jetzt etwa 15 % der Belegschaft pensionsberechtigt. “Der Punkt hier ist natürlich, dass viele NRC-Angehörige, die an der Bearbeitung der ursprünglichen Genehmigungsanträge beteiligt waren, in Pension gegangen sind oder demnächst gehen werden”, sagt NRC-Kommissar Kristine L. Svinicki. [123]
Hauptredner auf der 2007er Jahresversammlung der American Nuclear Society betonten, dass eine “Atomenergie-Renaissance alles andere als sicher sei”. [124] Art Stall, Vizepräsident und Leiter der Atomabteilung der Florida Power & Light Company, erklärte der Eröffnungsversammlung, dass die anfängliche Renaissance-Euphorie von den realen Herausforderungen der neuen AKW-Projekte gebremst werde. “Stall sagte, eine der größten Herausforderungen sei es, qualifiziertes Personal zu finden, Facharbeiter, Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler, um Bau und Betrieb zu tragen. Er sagte, 40 % der jetzigen Betriebsmannschaften würden innerhalb der kommenden fünf Jahre pensioniert. [125] Außerdem seien nur 8 % der jetzigen Mannschaften unter 32 Jahre alt. Zwar steige die Zahl der Absolventen der Technik-und Ingenieur-Colleges, aber es gebe von anderen Industrien starken Wettbewerb um diese Absolventen, da müsse die Atomindustrie sich noch einiges einfallen lassen, um diese Absolventen in den Atombereich zu locken und sie dort zu halten.” [126]
1980 gab es in den USA ungefähr 65 universitäre Studiengänge für angehende Atomingenieure. 2008 waren es nur noch 31. Die gesamte AKW-betreibende Stromwirtschaft ist auf der Jagd nach Universitätsstudenten, noch bevor sie ihr Studium überhaupt abgeschlossen haben. “Westinghouse hält auf Karriere-Messen nach qualifizierten College-Studenten im dritten und vierten Studienjahr Ausschau und plaziert Praktikumsangebote für sie auf der Unternehmens-Webseite, in Zeitungen und Fachmagazinen und unter Beteiligung verschiedener Colleges und Universitäten", erläutert Steve Tritch, Präsident und CEO von Westinghouse. [127] 1980 gab es noch praktisch eine Einstellungssperre, dann ging es langsam Ende der 1990er wieder mit Einstellungen los, und jetzt erlebten wir in den Jahren 2001 bis 2005 einen fliegenden Start mit 400 Neueinstellungen pro Jahr und 2006 bereits 600, einer Quote, die in den kommenden Jahren gehalten werden soll. Kandidaten sind aber schwer zu finden, und Westinghouse sucht an ca. 25 Colleges und Universitäten überall auf der Welt nach neuen Mitarbeitern. Selbst die NRC rekrutiert Ingenieurstudenten Monate bevor sie auch nur ihr BSc-Examen bestanden haben. [128]
Eine landesweite Erhebung des Oak Ridge Instituts für Wissenschaft und Erziehung (Orise) hat ergeben, dass 2008 über 1.300 Studenten in den USA Atomingenieurfächer belegt haben, fast dreimal so viel wie im Jahr 2000, aber 2 % weniger als 2007. Die Zahl der Bachelor-Abschlüsse ist 2008 mit 454 die höchste in 20 Jahren, aber mit der geringsten jährlichen Zunahme seit fünf Jahren. Außerdem gab es 260 Master-Abschlüsse und 127 Promotionen mit Bezug zu Atomfächern (siehe Graphik 11).
Es gibt eine starke Zunahme der Studienabschlüsse in atomtechnischen bzw. –wissenschaftlichen Fächern – mehr als eine Verdoppelung seit 2000; aber das sagt noch nichts über die Berufspläne der Absolventen. AKW-Betreiber üben auf Hochschulabsolventen nur geringe Anziehung aus: unter 19 % der frisch gebackenen Bachelor, 8 % der Master-Inhaber und nur 3 % der Promovierten im Atombereich planen laut Orise-Umfrage auch diese Berufsrichtung einzuschlagen, obwohl bei den Stromversorgern 2008 immerhin dreimal so viele Bachelor anheuern als im Durchschnitt der Jahre seit 2000.
Wenn man noch “andere, atomtechnisch relevante” Anstellungen mitzählt, sind es immer noch nur 169 (oder ein Viertel) des Jahrgangs 2008 aller Studienabsolventen in den USA, die einen Job in der US-Atomindustrie anstreben (siehe Graphik 12). Man vergleiche diese Zahl mit den 500 Absolventen, die allein Westinghouse jährlich rekrutieren will.
Eine Erhebung des US-Energieministeriums über die Infrastruktur der Reaktorindustrie ergab, dass nicht nur Ingenieure fehlen, sondern auch Kesselmechaniker, Rohrinstallateure, Elektriker, Moniereisen-Facharbeiter, Physiologen, Reaktorfahrer und Wartungspersonal. [129]
Quelle: ORISE 2009
In Frankreich sieht es ganz ähnlich aus, wie in den USA und den meisten anderen Ländern mit Atomprogrammen. Ungefähr 40 % der Belegschaft des AKW-Betreibers EDF im Bereich Betrieb und Wartung kann bis 2015 in Rente gehen. In seinem Referenzbericht 2008, spricht EDF von „etwa der Hälfte“ des Betriebs und Wartungspersonals in Produktion und Engineering, die zwischen 2008 und 2015 in Pension gehen. EDF spricht unumwunden von einer „unausgewogenen Altersstruktur“ (siehe Graphik 13) und stellt das Nachwuchsproblem explizit als Risikofaktor ein.
Die EDF-Gruppe wird das Beste geben, um diese Arbeitskräfte und diese Kompetenz rechtzeitig und unter zufriedenstellenden Bedingungen zu erneuern. Nichtsdestotrotz kann EDF nicht garantieren, dass die beschlossenen Maßnahmen sich immer als gänzlich angemessen herausstellen werden, was Auswirkungen auf seine geschäftlichen und finanziellen Ergebnisse haben könnte. [130]
Ab 2008 beträgt die Zielmarke für Neueinstellungen allein im atomtechnischen Bereich 500 Ingenieure. Mitte Mai 2009 schaltete EDF Stellenanzeigen für 50 unbesetzte Stellen für Ausbildungsingenieure für Kontrollraumpersonal. [131] Wo diese hohe Zahl ausreichend erfahrener Betriebsingenieure zur Ausbildung Anderer herkommen soll, ist ein Rätsel. 2006 suchte der Reaktorhersteller AREVA 400 Ingenieure und 2007 nochmals 750. Wie erfolgreich AREVA dabei war, ist nicht bekannt. AREVA ist, wie andere Betriebe der Atomindustrie auch, eine Kooperation mit bestimmten Universitäten und Fachhochschulen eingegangen und “begleitet” Studenten durch ihre Ausbildung. AREVAs Marketing-Expertin Liz Smith erläutert, dass diese Studenten während des Studiums und anschließend sehr gute Leistungen zeigen. „Die starke Bindung an AREVA schon während des Studiums verstärkt die Bindung an das Unternehmen.“ [132] AREVA nennt das “seine eigenen Ingenieure großziehen”; das fängt in Mittel.und Oberschule an und setzt sich fort durch ein “einzigartiges Hochschulstudien-Programm, um zukünftige Personalanforderungen decken zu können.“
Offenbar sind die meisten neu eingestellten Mitarbeiter keine ausgebildeten Atomingenieure oder Fachwissenschaftler. Es liegt keine Statistik über die Gesamtzahl der Studienabsolventen in den atomrelevanten Fächern vor, aber man schätzt, es sind etwa dreihundert pro Jahr. Die CEA bzw. ihr staatliches Institut für Atomwissenschaft und –technik (INSTN), Frankreichs wichtigste Einrichtung für die höhere atomtechnische Ausbildung, produzierte zuletzt weniger als siebzig Abschlüsse pro Jahr. Der AKW-Betreiber EDF war der Erste, der INSTN aufgefordert hat, die Zahl seiner Absolventen in den nächsten Jahren zu verdoppeln [133] und um den Faktor fünf bis zehn zu vervielfachen, und zwar so schnell wie möglich.“ [134] Der Chefausbilder für die atomrelevanten Fächer deutete ein etwas bescheideneres Ziel von etwa 150 Absolventen pro Jahr an. [135] INSTN hatte 2003 ein 30-Jahre-Tief von nur 41 Studienabschlüssen erreicht; das konnte 2009 durch ein 30-Jahre-Hoch von 108 wettgemacht werden (siehe Graphik 13). Diese Zahl stellt bereits ein Drittel des landesweiten Aufkommens an jährlichen Hochschulabsolventen in atomrelevanten Fächern dar. Man setze dies in Beziehung zum geschätzten jährlichen Bedarf von 1 200 bis 1 500 Absolventen.
Atomindustrievertreter in Frankreich äußern sich seit einigen Jahren sehr besorgt über die fehlende Motivation junger Studenten. Es hat eine Reihe von Initiativen gegeben, um die Koordination bei der Anwerbung und Ausbildung von Studenten stimulieren; doch die spektakulärste Massnahme ist zweifellos der Bau des Reaktors „Flamanville-3“. Der Bedarf an einer “heimischen” Referenzanlage des EPR trug sicher zur Bauentscheidung bei, das wichtigste Motiv aber war die zunehmende Besorgnis des französischen Reaktorbauers AREVA und des staatlichen Reaktorbetreibers EDF, Schlüsselkompetenzen des atomindustriellen Bereichs zu erhalten und so auch junge Talente zu motivieren. Ohne ein großes „Projekt“, so befürchtete man, würde man schwerlich eine neue Generation von einer nachhaltigen Zukunft der Atomindustrie überzeugen können. (Siehe auch Kapitel IV).
Quelle: RTE, Document de Référence 2008", April 2009
Die Atomaufsichtsbehörde Frankreichs (Autorité de Sûreté Nucléaire -ASN) hat offenbar keine derartigen Nachwuchssorgen und konnte die Zahl ihrer Mitarbeiter von 312 (2003) auf zuletzt 436 (2008) erhöhen – ein Anstieg von 40 %. Der Anteil der beamteten Mitarbeiter nahm von 66 % auf 78 % zu. [136] Die übrigen Angestellten werden entweder von benachbarten Institutionen wie der CEA bereitgestellt oder als Honorarkräfte verpflichtet. Der Beamtenstatus schützt ASN offensichtlich davor, dass ihre Angehörigen von Industrie oder Reaktorbetreibern abgeworben werden.
Quelle: CEA-INSTN, 2009
Das französische Institut für Strahlenschutz und Nuklearer Sicherheit (Institut de Radioprotection et Sûreté Nucléaire -IRSN), die ASN als Expertise-Pool (Technical Support Organisation -TSO) dient, berichtet über eine jährliche Personal-Fluktuation von 3 % -6 %. Das IRSN hat seit 2004 jährlich zwischen 52 (2004) und 79 (2008) ausgebildete Ingenieure eingestellt. Die IRSN-Personalchefin Patricia de la Morlais erläutert, sie stelle jedes Jahr einige „Berufseinsteiger, einige Nachwuchsprofis mit 3-bis 5-jähriger Berufserfahrung und einige erfahrene Experten ein. [137] Andere Quellen berichten davon, dass die Industrie in den letzten Jahren 59 Spezialisten mit Berufserfahrung vom IRSN abgeworben haben soll. De la Morlais will die Zahl nicht ausdrücklich betätigen, meint aber, es sei „von einer gewissen Relevanz für die Atomsicherheit, wenn erfahrene Fachleute des IRSN in bescheidener Zahl in die Industrie oder zum Betreiber hinüberwechseln.“ [138] Aus der Sicht der Chefs kleiner Atomsicherheitsbehörden in anderen Staaten ist dieser Mechanismus Grund zur Besorgnis, denn sie können mit den Gehalts-und Karriereangeboten von Industrie und AKW-Betreiber nicht mithalten.
Im Vereinigten Königreich gab es 2002 keinen einzigen atomtechnischen Grundstudiengang mehr. Im selben Jahr 2002 ergab eine Erhebung des Handels-und Industrieministeriums über die beruflichen Qualifikationen in Atomtechnik und Radiologie einen jährlichen zusätzlichen Personalbedarf der nuklearspezifischen Sektoren Energie, Brennstoff, Verteidigung und Abfallmanagement von 1000 Studienabsolventen – durchgehend bis 2017. Davon wurden 700 zum Ersatz für abgehende Rentner und Pensionäre und 300 für zunehmenden Arbeitsanfall bei der atomaren Entsorgung benötigt. Sechs Jahre nach dieser Bestandsaufnahme bestätigt der Sprecher der Überwachungsbehörde für Atomanlagen (Nuclear Installations Inspectorate) in einer Anhörung, man habe alle Mühe, genügend Nachwuchs für die Kontrollbeamtenstellen zu finden. Im Juli 2008 verfüge man über 153 hauptamtliche Inspektoren, benötige aber eigentlich zwanzig mehr. „Und angesichts absehbarer Anforderungen ohne Zubau-Genehmigungen benötige ich eigentlich 192. [139] Eine parlamentarische Bewertung der beruflichen Qualifikationen im Atombereich vom März 2009 “fand zahlreiche Belege dafür, dass wir ein sehr reales Defizit an qualifizierten Mitarbeitern in der Atomindustrie haben.” [140] Wie in anderen Staaten auch, muss die Atomindustrie mit anderen Wirtschaftssektoren um Nachwuchskräfte konkurrieren. 40 % der Belegschaft des staatlichen Stromnetzbetreibers erreicht im Lauf der kommenden 10-15 Jahre die Altersgrenze. So erfuhr das Hohe Haus, dass man für den Zeitraum 2015 bis 2025 bei Fachpersonal „einen fatalen Engpass vorhersieht, der die Verlässlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Stromversorgung gefährden wird.“ [141]
Die neu eingerichtete Nationale Akademie für Atomausbildung schätzte im Februar 2009 den Bedarf der Atomindustrie auf jährlich „590 bis 970 Studienabsolventen und 270 bis 450 ausgebildete Facharbeiter“ für das kommende Jahrzehnt. Philip Thomas, Vorsitzender der “Nuclear Academia-Industry Liaison Society” (NAILS), gab zu Protokoll, “das Risiko ist nicht, dass die Atomfirmen sich ausreichendes Fachpersonal nicht leisten könnten, sondern dass das künftig angeheuerte Personal den sehr hohen spezifischen Anforderungen der Atomindustrie nicht entspricht„und“das Fehlen eines Marktes für einen Bachelor-bzw. Master-Diplom in Atomingenieurwesen scheint zu bestätigen, dass Atomenergie nicht den aufregenden Reiz für neue Studenten bietet, sodass es noch zusätzlich erschwert wird, an die intelligentesten und besten heranzukommen". [142]
In Deutschland nimmt das Kompetenzdefizit dramatische Ausmaße an. 2004 hatte eine Analyse der Ausbildungs-und Nachwuchssituation bereits erkennen lassen, dass der Mangel rapide zunimmt. Die Beschäftigungslage im Atomsektor wird weiter abnehmen, einschließlich der Bereiche Reaktorbau und Wartung. Die Anzahl der Stellen soll jährlich um etwa 10 % abnehmen und 2010 etwa 6 250 erreichen. Dies schließt 1 670 Einstellungen bereits ein. Die Anzahl der Hochschulen mit atomrelevanten Lehrangeboten ging von 22 im Jahr 2000 auf zehn im Jahr 2005 zurück. Im Jahre 2010 sollen nur noch fünf übrigbleiben. [143] Haben 1993 noch 46 Studenten in Deutschland einen Abschluss in einem atomtechnischen Fach gemacht, war es 1998 kein einziger mehr. Zwischen 1997 und Ende 2002 haben ganze zwei Studenten einen Studiengang mit Hauptfach Atomtechnik absolviert (siehe Graphik 15). Insgesamt haben 50 Studenten Atomthemen nebenbei belegt. Es liegt auf der Hand, dass sich Deutschland einem dramatischen Mangel an Ausbildung und Personal gegenübersieht und zwar gleichermaßen in der Industrie, bei den Betreibern, in der Forschung und bei den Überwachungsbehörden. [144]
Um den offensichtlichen Ausbildungs-und Personalengpass in Deutschland zu überwinden, gründete sich im März 2000 ein “Kompetenzverbund Kerntechnik“, der Forschungszentren, Universitäten, Technische Expertenpools und Bundesministerien vernetzt. Dieser Verbund hat seine Webseite seit 2004 nicht aktualisiert und weigert sich, Auskünfte über neuere Entwicklungen im Ausbildungsbereich zu kommunizieren. [145] Die Bundesregierung erklärte in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage im Bundestag Ende 2006:
2005 und 2006 wurden mit zum Teil maßgeblicher finanzieller Unterstützung der Industrie insgesamt neun Lehrstühle in den Bereichen Reaktorsicherheit, Reaktortechnik, Radiochemie, Endlagersysteme, Strahlenbiologie von den Universitäten Aachen, Dresden, Karlsruhe, München, Stuttgart, Claustal-Zellerfeld zur Wieder-bzw. Neubesetzung ausgeschrieben. Bei der vom BMWi projektgeförderten Reaktorsicherheitsforschung hat von 2000 bis 2005 eine Abnahme der Institutionen um ca. 10 % und der Zahl der Wissenschaftler um ca. 15 % stattgefunden. Seit 2006 ist ein leicht gegenläufiger Trend erkennbar. [146]
Einem Bericht der Wissenschaftszeitschrift Nature zufolge (Februar 2009) hat AREVA am Karlsruhe Institute of Technology (KIT) eine Postgraduiertenschule mit Kursen in verschiedenen atomtechnischen Disziplinen eingerichtet. Laut Nature „erhalten die dort jeweils eingeschriebenen 30 Doktoranden alle AREVA-Stipendien und haben nach ihrem Abschluss eine Beschäftigungsgarantie.“ [147]
Quelle: Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., GRS, 2004
Wie Lothar Hahn, Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hervorhebt, drohen ernste Konsequenzen:
Erste Studien zeigen bereits, dass Defizite bei der Aufrechterhaltung der Vertrautheit mit dem jeweils neuesten Stand der Wissenschaft und ein qualitativer Niedergang bei der Ausbildung des Betriebspersonals die Sicherheit von Atomanlagen gefährden kann. Mangelhafte Sachkenntnis bei Behörden und Expertenorganisationen bedeuten eine unmittelbare Gefahr für die qualifizierte Überwachung des Reaktorbetriebs und somit der Reaktorsicherheit. [148]
In Japan ähnelt die Situation der in den übrigen Atomenergie-Staaten. Obwohl ein stärker zentralisierter Staat als beispielsweise Deutschland, hat Japan Schwierigkeiten mit einer Reorganisation zur nachhaltigen Sicherstellung der unabdingbaren atomtechnischen Kompetenzen. Ein Redebeitrag Japans zur 2004er internationalen Konferenz der IAEO über atomtechnisches Wissen war erstaunlich offen:
Gegenwärtig unternehmen wir viel, um Nachwuchs für den Atomsektor zu gewinnen und dort zu halten, ihn aus-und weiterzubilden – aber diese Aktivitäten sind weder systematisch noch ausreichend organisiert. Wir müssen Möglichkeiten schaffen, jedem, der atomtechnische Fächer studieren möchte, Zugang zu höheren Studiengängen zu ermöglichen, ungeachtet geographischer oder zeitlicher Umstände. Eigentlich müssten wir bereits im Grund-und Sekundarschulbereich die Grundlagen für atomtechnisches Verständnis legen. Leider herrscht in Japan eine Tendenz weg von den naturwissenschaftlichen Fächern, und eine positive Einstellung zur Atomenergie kommt nicht zum Tragen wegen der vielen Unfallberichte und anderer Probleme. Die ganze Atomindustrie muss sich aktiv darum kümmern, die nächste Generation zu erziehen. [149]
Die bestehende Lücke bei Fachpersonal und Kompetenzen ist international unbestritten und als Problem erkannt. Es gab zahlreiche nationale und internationale Initiativen, um den Trend umzukehren, doch die Ergebnisse bleiben in allen atomtechnischen Bereichen weit unterhalb der personellen Mindestausstattung. Die Zahl der Absolventen akademischer und technischer Ausbildungsgänge ist unzureichend, zahlreiche Absolventen wollen zudem nicht in der Atomindustrie arbeiten oder kehren ihr schnell wieder den Rücken. Unternehmenseigene Ausbildungsprogramme schaffen nur ungenügenden Ausgleich, da viele andere Marktsektoren um ausgebildeten wissenschaftlichen bzw. ingenieurtechnischen Nachwuchs und Facharbeiter mit der Atomwirtschaft konkurrieren.
Lewis Strauss, der erste Vorsitzende der US-Atomkommission, prägte 1954 einen Satz, der sich schnell im öffentlichen Bewusstsein festsetzte: “Die Atomenergie ist so billig,” sagte er, “dass sich der Stromzähler nicht mehr lohnt!“ Heute wissen wir es besser, aber noch immer denken viele Leute, Atomstrom sei billig, und viele meinen sogar, einzig und allein politische Opposition und Meinungsmache seien für die mangelnde Akzeptanz der Atomenergie verantwortlich. Der Glaube an die „billige Atomenergie“ wird von den Stromversorgern, soweit sie AKW betreiben, gern auch noch gefördert und bekräftigt, ungeachtet der tatsächlichen Kosten. Es fällt ihnen offensichtlich schwer, einzugestehen, dass sie in der Vergangenheit falsche Investitionsentscheidungen getroffen haben.
Es gab frühe Hinweise, dass Atomenergie in Wirklichkeit ziemlich teuer ist. Immer wieder kam es zu erheblichen Baukostenüberschreitungen und Projektstornierungen, auch in einem genehmigungsfreundlichen politischen Umfeld. Erst, seit in jüngerer Zeit auch die Atomenergie einem Markttest unterzogen wird, beginnt die Vorstellung vom billigen Atomstrom zu verblassen. Es gibt zu denken, dass nach der Öffnung der Strommärkte erst im Dezember 2003 ein erster Neuauftrag erteilt wurde, als nämlich im finnischen Olkiluoto die Verträge für den Bau des neuen Reaktorblocks Olkiluoto-3 unterzeichnet wurden. Wie aber in Kapitel III.3.1.1. gezeigt wird, wurden die Konditionen des Deals so definiert, dass der Vertrag von den Bedingungen des freien Marktes abgeschottet wurde, weit ab von realem Wettbewerb. Früher war es in einem geschützten Strommarkt relativ leicht gewesen, bis zu einer gewissen Grenze auch überhöhte Kosten auf Stromverbraucher oder Steuerzahler abzuwälzen. Das führte zu einer gewissen Nonchalance bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen, wie sie es im geöffneten Markt nicht mehr geben dürfte. Wenn sich heutzutage AKW-Investoren bei ihrer Marktbeurteilung und den Wirtschaftlichkeitsberechnungen vertun, dann bleiben sie u. U. auf erheblichen Verlusten sitzen.
Seit den späten siebziger Jahren zeigt sich immer deutlicher, dass Atomstrom doch nicht ganz so billig ist. In den USA muss nun in Tarifgenehmigungsverfahren detailliert nachgewiesen werden, dass das Geld der Stromkunden für nützliche und verantwortbare Investitionen verwendet wird. Doch gegen Ende der siebziger Jahre gingen noch zahlreiche neue AKW mit ziemlicher Verspätung in Betrieb, und dies bereits zu Baukosten, die oft ein Mehrfaches der ursprünglich genannten Summe betrugen. Derart überteuerte Reaktoren hatten riesige Stromtariferhöhungen zur Folge, sodass man in den betreffenden Regionalmärkten zuweilen von einem „Tarif-Schock“ sprach. Die Regulierungsbehörden sind immer weniger willens, den Stromversorgern ein Abwälzen überhöhter Kosten auf die Verbraucher zu gestatten. Oft zwangen sie die Betreiber dazu, zumindest einen Teil der Kostenüberschreitungen nicht über die Stromverbraucher zu refinanzieren, sondern über ihre Gewinnmargen. Das hat den Markt für weitere AKW-Projekte zusammenbrechen lassen. Weit über hundert Projekte wurden sogar noch in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung storniert. [150] Die Banken gaben keine Kredite mehr für Kraftwerksprojekte, die eine Insolvenz der Betreiber zur Folge haben können. Es kam vor, dass Energieunternehmen sich sogar bereiterklärten, auf den Weiterbau der betreffenden Reaktoren ganz zu verzichten, als Gegenleistung für die Erlaubnis, wenigstens einen Teil der bereits getätigten Investitionskosten über die Stromtarife wieder hereinzuholen. Das war immer noch besser, als in einem zunehmend deregulierten Strommarkt die bereits investierten Mittel bei Projektabbrüchen ganz zu verlieren.
Im Vereinigten Königreich dämmerte bei dem Versuch, die britischen AKW in den Jahren 1987 bis 1990 zu privatisieren, die Erkenntnis, dass mit der Wirtschaftlichkeitsrechnung der Atomenergie etwas nicht stimmte. Die mit dem Reaktorbau verbundenen Kosten wurden vom Privatsektor erstmals einer genaueren Prüfung unterzogen. Die Kapitalseite teilte mit, sie werde die Anlagen nicht kaufen, weil allein die Betriebskosten das Doppelte der Einnahmen aus dem Stromverkauf ausmachten. Des Weiteren schreckte sie die Auflage, an jedem der übernommenen AKW-Standorte vier neue Reaktoren zu errichten – das schien ein zu hohes Geschäftsrisiko. So sah sich die Regierung gezwungen, die Anlagen als Staatsbetriebe weiterzuführen. In den folgenden sechs Jahren gelang es immerhin, die Betriebskosten soweit zu senken, dass sie aus den Stromerlösen gedeckt werden konnten. Einige der moderneren Reaktoren konnten daraufhin 1996 privatisiert werden, allerdings zu Preisen, die im Vergleich zu den ursprünglichen Investitionen verschwindend niedrig waren.
Um dieselbe Zeit ließen die US-Tarifaufsichtsbehörden einige AKW in den USA schließen. Man hatte errechnet, es sei kostengünstiger, neue Erdgaskraftwerke bauen und betreiben zu lassen, als auch nur die hohen Betriebskosten der AKW weiterzutragen.
Der empirische Beweis hoher Bau-und Betriebskosten wurde anderwärts oft als eine Besonderheit der britischen und US-amerikanischen Energiewirtschaft betrachtet und nicht als allgemein gültiges Charakteristikum der Atomenergie. Man unterstellte, diese beiden angelsächsischen Länder hätten bei der Verwirklichung ihrer zivilen Atomprogramme wohl einfach keinen guten Job gemacht. So hatten die Briten zum Beispiel ihre AKW mit dem „Fortgeschrittenen Gasgekühlten Reaktor” (AGR) ausgerüstet, einer Reaktortechnik, die es sonst nirgendwo gibt. Im Zuge der auch in anderen Ländern betriebenen Deregulierung wurde es aber auch in anderen Staaten immer schwieriger, überhöhte Investitions-und Betriebskosten auf die Verbraucher abzuwälzen, und so blieben auch dort weitere AKW-Bauaufträge aus. Sowohl Bankkredite als auch Beteiligungskapital verteuerten sich entsprechend, die inhärenten Risiken schienen zu hoch. Als Ergebnis blieben neue Reaktorstarts weltweit über Jahrzehnte hinweg ein seltenes Ereignis.
In jüngster Zeit aber hat das Interesse am AKW-Bau wieder zugenommen, manche sprechen gar von einer “Renaissance der Atomenergie“. Dafür werden vor allem drei Argumente vorgetragen: Zum einen wird behauptet, eine neue „Reaktorgeneration“, der sogenannte „Generation III+“-Typ, sei zuverlässiger und billiger als seine Vorgänger; zweitens will man zwecks Klimaschutz von den fossilen Energiequellen loskommen; und drittens ist angesichts der bislang wenig erfolgreichen Bemühungen um Energieeinsparung die Rede von einer drohenden Stromlücke zu jenem Zeitpunkt, zu dem viele alte Kohle-Grundlastkraftwerke in Nordamerika und Westeuropa stillgelegt werden müssen.
Befassen wir uns mit einigen zentralen Aspekten der Wirtschaftlichkeitsrechnung für AKW, einschließlich der steil ansteigenden Baukosten und ihrer starken Abhängigkeit von den Kapitalkosten. Diese Faktoren sind für die Frage entscheidend, ob eine Wiederaufnahme des Reaktorbaus dem vorgeblichen Ziel der Energiewirtschaft gerecht wird, eine kostengünstige und sichere Energieversorgung in Verbindung mit bestmöglichem Klimaschutz zu gewährleisten.
Die AKW-Baukosten sind nach wie vor ein Kernproblem der Atomtechnologie. Während die realen Errichtungskosten nicht-nuklearer Kraftwerke seit Mitte der siebziger Jahre bis etwa 2004 leicht nachgegeben haben [151] , sind die realen Baukosten der Atomanlagen über den Gesamtverlauf der 50jährigen kommerziellen Nutzungsgeschichte der Atomtechnik durchweg angestiegen. Eine genaue Baukostenanalyse ist eine ziemliche Herausforderung, weil während der letzten zwei Jahrzehnte nur wenige Bauaufträge erteilt wurden und für diese auch keine verlässlichen Kosten angegeben wurden. Trotzdem sind die verfügbaren Daten ein Beleg für dramatische Kostensteigerungen im letzten Jahrzehnt. Die übrigen Kosten der Brennstoffkette wie Entsorgung und Reaktorstilllegung sind in den letzten zwei Jahrzehnten sogar noch schneller gestiegen als die Kosten der Kraftwerke selbst. Die Betriebskosten der Atomenergie bleiben im Vergleich zu anderen Energieträgern relativ niedrig, auch wenn bei Inbetriebnahme vieler neuer AKW mit einem Anstieg der Brennstoffkosten zu rechnen wäre. Allerdings hängt die Höhe der Betriebskosten auch davon ab, inwieweit die mit dem Unfallrisiko und dem Abfallmanagement verbundenen Kosten von der öffentlichen Hand statt von den Betreibern und, über die Stromtarife, von den Kunden getragen werden.
Die Erfahrung mit allen bisherigen AKW-Projekten zeigt eindeutig, dass die endgültigen Baukosten stets über den Kostenvoranschlägen lagen. Außerdem fallen allgemeine Kostenschätzungen für einzelne Baureihen, wie sie normalerweise von einschlägigen Wirtschaftsverbänden in Umlauf gebracht werden, ausnahmslos niedriger aus als diejenigen der realen Projektbeteiligten, also der AKW-Hersteller und der AKW-Betreiber. Zudem werden Reaktorkosten in verschiedenen Ländern oft nach verschiedenen Kriterien ermittelt. Das erschwert internationale Vergleiche und ergibt zuweilen ungenaue Trendindikatoren.
Wenn man demnach eine kleine Zahl konkret benannter Kraftwerke verschiedener Länder und verschiedenen Herstellungsdatums miteinander vergleicht, müssen hinsichtlich der teilweise erheblichen Inflationsraten und Währungsschwankungen sorgsame Justierungen erfolgen. Wenn zum Beispiel die jährliche Inflation während eines Jahrzehnts drei Prozent betrug, dann resultiert allein daraus ein nominaler Preisanstieg um 34 %. Und ein Blick auf die schwankenden Währungsparitäten zeigt zum Beispiel, wie der Wert eines EURO noch im November 2005 1,17 $ betrug, im Juli 2008 auf 1,57 $ kletterte, dann im November 2008 wieder auf 1,27 $ fiel, um schließlich im Dezember 2008 wieder auf 1,40 $ zu steigen. Ein AKW, das im November 2005 1 000 US$/kW, also 855 €/kW, gekostet hätte, hätte also im Juli 2008 nur 637 €/kW gekostet -bei unveränderten Kosten in US Dollar.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, sicherzustellen, dass auch wirklich alle notwendigen Einzelschritte bis zur Bauabnahme berücksichtigt werden. Dazu wird meistens die „overnight“-Methode für Kostenvergleiche verschiedener Projekte angewandt. Diese Kostenschätzmethode schließt die Ausstattung mit einem Erstkern ein, lässt aber die Finanzierungskosten unberücksichtigt, die je nach den Rahmenbedingungen individueller Projekte variieren. Zur Ermittlung der Kosten pro kW installierter Kapazität sollte der Nettostromertrag herangezogen werden, also ohne Berücksichtigung des AKW-Eigenstromverbrauchs. Da nun die Finanzierungskosten bei einem AKW höher sind als bei Kraftwerken anderer Energieträger (u.a., weil sie höhere Investitionsrisiken bergen und längere Bauzeiten benötigen), tendieren diese “overnight” Kostenvergleiche verschiedener Energien dazu, die Wirtschaftlichkeit von AKW positiv erscheinen zu lassen.
Auch technologisch bedingte Risiken erschweren Kostenvergleiche bei AKW. Die Hersteller sprechen z.B. gern von den Kosten eines Prototyps (“first of a kind” – FOAK-Kosten) eines neuen Reaktortyps. FOAK-Kosten lassen sich mehr oder weniger für jedwede Technologie anlegen, doch beinhalten Bauserien eines bestimmten Reaktortyps erheblich geringere Stückzahlen als zum Beispiel Flugzeugserien, und der Extraaufwand eines AKW-Prototyps ist deshalb ein viel höherer Kostenfaktor in der Wirtschaftlichkeit eines bestimmten Reaktortyps. FOAK-Kosten werden gelegentlich bei Kostenberechnungen für AKW einbezogen, oft aber werden die FOAK-Kosten bei der Ermittlung der AKW-Baukosten der nachfolgenden Serienfertigung unberücksichtigt gelassen. Die Hersteller sehen sich zuweilen versucht, den FOAK-Faktor zum “Spielen” mit Kostenangaben heranzuziehen. So hat EDF verlautbart, die FOAK-Kosten eines AKW könnten das Doppelte von Kraftwerken einer Zehner-Serie betragen. [152] Inwieweit dies als Entschuldigung für die hohen Kosten für den neuen Reaktor „Flamanville-3“ dienen soll, ist nicht ganz klar. Im Regelfall dürfte es sich um überhöhte Preisforderungen handeln, da Entwicklungskosten üblicherweise auf mehrere Einheiten einer Serie verteilt werden. Außerdem werden selten mehr als zehn Kraftwerke desselben Typs verkauft. So konnte EDF zwar 34 Druckwasserreaktoren mit einer 900 MW–Auslegung verkaufen, doch bestand diese Serie aus vier unterschiedlichen Subreaktortypen. Auch die Serie von 20 Einheiten à 1300 MW bestand aus zwei unterschiedlichen Typen, und von der 1450er Linie wurden gar nur vier Einheiten gebaut. Zu berücksichtigen sind auch die besonderen Gegebenheiten der einzelnen Standorte, die nur teilweise eine kostengünstige Meerwasser-Kühlung ermöglichen; Kühltürme sind teuer. Auch geologische und seismische Bedingungen der einzelnen Standorte variieren, wie auch spezifische Erfordernisse der Netzintegration. Beim Bau mehrerer Blöcke an einem Standort verteilen sich wiederum einige der Kosten womöglich auf mehrere Reaktoren, was die Kosten pro Einheit sinken lässt.
Der vielbeachtete Keystone-Report [153] gab zu bedenken, dass unter den heutigen Marktbedingungen Nachbestellungen bereits vorhandener Reaktortypen kostspieliger als die Vorgänger werden können, weil nicht mehr genügend Fachpersonal und Fertigungskapazitäten verfügbar sind.
All diese Faktoren legen es nahe, Preisunterschieden von bis zu etwa 20 % keine allzu große Bedeutung beizumessen, es sei denn, dass jeder der genannten Faktoren auch wirklich bei den Berechnungen berücksichtigt wurde.
Die Hersteller von Atomanlagen unterscheiden vier Reaktorgenerationen: die erste Generation umfasst die Prototypen und die frühen kommerziellen Reaktortypen; die zweite besteht aus den meisten der seit 1960 in Auftrag gegebenen Kraftwerke; die dritte betrifft die nach 1980 angebotenen Modelle, während die vierte erst in 20 Jahren oder mehr zur Verfügung stehen soll. Innerhalb der Generation III gibt es derzeit eine Generation III+, die seit ungefähr 2000 angeboten wird. Die letztere Variante birgt die Hoffnungen für die sogenannte “Atomrenaissance”. Von der Generation III+ heißt es, sie unterscheide sich von Generation III durch eine bessere Ausstattung mit “passiven” Sicherheitssystemen, in anderen Worten: der sichere Betrieb beruhe in stärkerem Maß auf eingebauten physikalischen Gesetzmäßigkeiten als auf einer aktiven ingenieurtechnischen Sicherheitsapparatur wie Notkühlsystemen etc.
Die Reaktorsicherheitsbehörde der USA, die NRC, untersucht fünf Reaktordesigns. Welche Modelle zur “Generation III” bzw. zur “Generation III+” gehören, ist nicht klar. Die fünf betrachteten Konstruktionstypen sind:
• Der Europäische Druckwasserreaktor (EPR) [154]. Er wird von AREVA NP [155] angeboten. Dieses Modell wurde für den finnischen Standort Olkiluoto (OL-3), für das französische Flamanville (FL-3) und das chinesische Taishan bestellt. Der erste von diesen Reaktoren soll frühestens 2012 ans Netz gehen. Sowohl bei der NRC als auch bei der britischen Reaktorsicherheitsbehörde NII sind Evaluierungen dieses Reaktormodells in Arbeit. [156] Beide Behörden werden ihre endgültigen Prüfberichte wohl nicht vor Mitte 2011 vorlegen. Der Ausgang ist unsicher.
• Advanced Passive 1000 (AP-1000). Dieses Reaktormodell wird von Westinghouse (jetzt Teil des Toshiba Konzerns) angeboten und ist für die chinesischen Standorte Sanmen und Yangjiang bestellt, wo der Bau im Dezember 2008 bzw. im April 2009 begann. Eine Zertifizierung durch die NRC liegt vor, obwohl mit der Klärung einiger Details erst für 2010 gerechnet wird. Diese betreffen den Aufprallschutz bei Flugzeugabstürzen. [157] Auch beim englischen NII läuft eine Prüfung mit dem Ziel einer Zertifizierung, die aber wahrscheinlich nicht vor 2012 vorliegen wird.
• Advanced Boiling Water Reactor (ABWR) – ein “fortgeschrittener” Siedewasserreaktor. Von diesem Typ sind bereits vier in Japan in Betrieb, ein weiterer ist dort im Bau und zwei sind in Taiwan im Bau. Dieser Reaktortyp wird in den USA von GE-Hitachi und, unabhängig davon, auch von Toshiba vermarktet. Die erste Bestellung erfolgte 1989 und wurde von der NRC 1997 freigegeben. Diese Zertifizierung sollte für 15 Jahre gelten. GE-Hitachi hat im Dezember 2008 angekündigt, dass sie Mitte 2010 um eine Verlängerung nachsuchen werde. [158] Toshiba erhielt die Auflage, einige Konstruktionsteile zu ersetzen, die auf Entwürfe von GE-Hitachi zurückgehen, und wird sich ebenfalls um eine Verlängerung der Zertifizierung bemühen müssen.
• Economic Simplified Boiling Water Reactor (ESBWR) ist ein Siedewasserreaktor mit einem Output von 1 550 MW aus der Fertigung eines US-japanischen Konsortium, das im Januar 2007 von GE-Hitachi gebildet wurde. Aufträge wurden noch nicht erteilt, und die NRC braucht für ihre Prüfungen noch bis 2010. Auch beim britischen NII lief ein Zertifizierungsverfahren, doch zog GE-Hitachi seinen Antrag 2008 zurück. Von den bei den US-Behörden beantragten 28 AKW-Baugenehmigungen bezogen sich 6 auf den ESBWR-Typ. Im November 2008 gab der Antragsteller für zwei dieser Projekte (Exelon’s Victoria Site) eine Sinnesänderung bekannt: man wolle sich nach einem bewährteren Reaktortyp umsehen. Im Februar 2009 zog ein weiteres Energieversorgungsunternehmen seinen Genehmigungsantrag für zwei weitere dieser Reaktoren zurück (Details siehe weiter unten). Angesichts dieser Verfahrensprobleme in UK und USA sind die Zukunftsaussichten für diesen Reaktortyp verblasst. Es sieht so aus, als ob die bereits eingeführten, wenn auch weniger “fortgeschrittenen” Reaktoren des ABWR-Typs zumindest in den USA den ESBWR-Typ ersetzen werden.
• Advanced Pressurized Water Reactor (APWR) ist ein 1 700 MW Druckwasserreaktor aus dem Hause Mitsubishi. Erste Aufträge erhofft man sich nun aus Japan für spätestens 2011, doch hatte man schon viel früher damit gerechnet. Mit der Zertifizierung durch die NRC ist nicht vor 2012 zu rechnen. Von den 28 bei den US-Behörden beantragten Baugenehmigungen betreffen nur die zwei Reaktoren am Standort Comanche Peak den APWR-Typ. Das AKW-Projekt von Comanche Peak war im Februar 2009 mit vier anderen Standorten in die engere Wahl für die Gewährung staatlicher Kreditbürgschaften genommen worden; im Mai 2009 wurde es aber ohne Angabe von Gründen auf den ersten Platz einer Reserveliste gesetzt. [159]
Der russische Reaktorhersteller Atomstroyexport bietet ebenfalls einen angeblichen Generation III+ Reaktor an. Der sog. AES92-Reaktortyp, der für das bulgarische AKW Belene genehmigt wurde, und der neuere WWER-1200, der an russischen Standorten in Bau ist, werden beide als der Generation III+ zugehörig bezeichnet. Mögen diese russischen Reaktortypen auch für Standorte in Russland, China und Indien in Betracht kommen, so unterliegen sie keinen Zertifizierungsverfahren westlicher Genehmigungsbehörden und bleiben deshalb hier außer Betracht. Weitere in der Entwicklung befindliche Konstruktionstypen sind: der ACR-1000 des kanadischen Reaktorbauers AECL, ein 1000 MW mit Druckwasser gekühlter und mit Schwerwasser moderierter Reaktor, und der Kerena, das Folgemodell des SWR-1000 von AREVA NP, ein Siedewasserreaktor auf Basis der bei Siemens entwickelten Reaktoren des AKW Gundremmingen.
Es ist nichts Neues, dass bei Atomkraftwerken die Fixkosten als Dominante der Kosten pro kWh des erzeugten Stroms gelten, also jener Kosten, die auch dann anfallen, wenn die Anlage keinen Strom liefert. Man geht davon aus, dass dieser Kostenanteil mindestens zwei Drittel der gesamten Kosten pro kWh ausmacht. Die Fixkosten beinhalten vor allem die Kosten für die Errichtung und für die Stilllegung des Kraftwerks, wobei die Errichtungskosten den größeren Kostenanteil verursachen. Der Fixkostenanteil pro kWh besteht aus drei Teilen: den Baukosten, dem insgesamt erzeugten Strom, und den Kapitalkosten. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung war bei der Atomenergie bisher immer von den veranschlagten Baukosten ausgegangen. Doch die in manchen Ländern sehr schlechte Verfügbarkeit der Kraftwerke und die größere Beachtung des Investitionsrisikos beim Reaktorbau deuten darauf hin, dass die anderen beiden Kostenanteile ebensolche Beachtung verdienen.
Weitere nennenswerte Elemente der Wirtschaftlichkeitsrechnung betreffen die Betriebskosten einschließlich der Brennstoffkosten und die AKW-Gesamtbetriebszeit (Laufzeit).
Regierungen machen AKW für Investoren erst dadurch interessant, dass sie ausdrücklich oder unausgesprochen für die Limitierung einiger Kostenelemente garantieren. So werden gesetzliche Haftungsgrenzen bei Reaktorunfällen festgelegt, die im Vergleich zu den potentiellen Unfallschäden lächerlich gering sind. [160] Dies erfolgte durch die internationalen Verträge von Brüssel und Wien in Verbindung mit einzelstaatlichen Vereinbarungen. Die von den Vertragsstaaten jeweils eingeräumten Haftungslimits liegen bei einigen hundert Millionen Euro, also weniger als 10 % der Baukosten eines AKW, und bedeutend weniger als z.B. die Schadenssumme des Tschernobyl-Unglücks.
Regierungen garantieren unausgesprochen auch für Ansprüche aus Insolvenzen der Betreiber. Geht ein AKW-Betreiber pleite, kommt der Staat mit Steuergeldern für die Kosten der Stilllegung und Entsorgung auf, falls die Rückstellungen der Betreiber dazu nicht ausreichen. So bereits geschehen in Großbritannien, wo die Vorsorge für die Stilllegungskosten ziviler Atomanlagen bei weitem nicht ausreichen. Künftige Steuerzahler werden für diese Kosten in der Größenordnung von etwa 90 Mrd. € aufzukommen haben. [161] Regierungen erheben Festpreise für die von ihnen verantwortete Entsorgung, in den USA zum Beispiel zahlen die Betreiber der Regierung 1 US$ pro MWh für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente. Im Vereinigten Königreich plant die Regierung ebenfalls, bei Baubeginn eines neuen AKW Entsorgungsgebühren festzusetzen. [162]
Bau
Die Kosten eines AKW-Baus sind nur schwer zu veranschlagen. Unter den Bedingungen eines beobachtbaren Bauprozesses aber steigen sie in der Regel steil an. Als die Konzepte für die Baureihe III+ erstmals diskutiert wurden, behaupteten die Hersteller, die Baukosten (“overnight”, = ohne die Finanzierungskosten während der Bauzeit) würden 1000 US$/kW betragen, dass ein 1000-Megawatt-Reaktorblock somit 1 Mrd US$ kosten würde. Noch im Jahr 2003 behauptete ein Vizepräsident von Westinghouse, Regis Matzie, die Baukosten lägen bei 1000-1200 US$/kW. Die Konstrukteure des EPR waren bei ihren Schätzungen nur wenig vorsichtiger, als sie von realistischen Baukosten von 1400 US$/kW sprachen. [163]
In den Jahren 2002-04 wurde eine Reihe von Wirtschaftlichkeitsrechnungen für Atomstrom vorgelegt [164]; nun wurde mit geringfügig höheren Baukosten gerechnet, die Rede war aber stets noch immer von „unter 2000 US$/kW“, vereinzelt sogar von „unter 1000 US$/kW“. Erst der Vertrag für die Errichtung des finnischen Olkiluoto-3-Reaktors enthielt dann eine Preisangabe für ein reales Bauprojekt.
Olkiluoto, Finnland
Der Auftrag für einen dritten Reaktorblock bei Olkiluoto hatte für die Atomindustrie besondere Bedeutung, konnte er doch als Widerlegung der These herhalten, neue AKW-Aufträge seien mit liberalisierten Strommärkten nicht kompatibel. Erteilt im Dezember 2003, war Olkiluoto-3 überhaupt der erste Auftrag in der westlichen Welt seit dem Bauauftrag für Civaux-2 in Frankreich zehn Jahre zuvor, und auch der erste Auftrag außerhalb der Pazifikregion für einen Reaktor der Baureihe III/III+. Die finnischen Stromversorger hatten sich bereits seit 1992 um eine parlamentarische Zustimmung zum Bau eines fünften Reaktorblocks in Finnland bemüht. Die Zustimmung kam erst im Jahre 2002. Der schließlich im Dezember 2003 unterzeichnete Bauauftrag für Olkiluoto-3 wurde von der internationalen Reaktorindustrie und besonders vom Unternehmen AREVA NP als Durchbruch gefeiert. Endlich würden die Hersteller nach vollendetem Bau eine Referenzanlage vorweisen können, um weiteren Kaufinteressenten für den EPR ihre Fähigkeiten zu demonstrieren.
Finnland gehört zu einem Nordischen Stromverbundnetz, dem auch Norwegen, Schweden und Dänemark angehören. Es handelt sich nach allgemeiner Auffassung um einen regionalen Markt mit dem weltweit schärfsten Wettbewerb um Stromkunden. Die Finnen haben sich auch als AKW-Betreiber mit ihren bisher vier Reaktorblöcken als kompetent erwiesen. Das erklärt die hohen Erwartungen hinsichtlich einer nuklearen „Renaissance“. Ein genauerer Blick auf die Klauseln des Bauvertrages enthüllt aber einige Besonderheiten, die Olkiluoto-3 als Referenzanlage für die übrigen Märkte als wenig geeignet erscheinen lassen.
Der Vertragspreis wurde 2004 mit 3 Mrd. € für den 1600 MW-Block angegeben [165] , später war in Fachorganen von 3,2 [166] bzw. 3,3 Mrd € die Rede [167] . Die finnische Behörde für Reaktorsicherheit, STUK, gab im März 2005 die Baugenehmigung, der erste Spatenstich war im August 2005. Bei Auftragserteilung entsprach der Vertragspreis etwa 3,6-4,0 Mrd. US$ (je nach Quelle), also ca. 2 250.2 475 US$/kW (1 €=1,2 US$). Im Preis inbegriffen waren die Finanzierungskosten und zwei Kerne, sodass der “Overnight”-Preis etwas niedriger gewesen sein muss, doch kann wegen der niedrigen Zinsrate von 2,6 % der Unterschied nicht besonders groß sein.
Lag dieser Preis auch beträchtlich über dem nur wenige Jahre zuvor gehandelten Preis von 1 000 US$/kW, so sprachen kritische Beobachter trotzdem von einem verlustreichen Einführungspreis. Die Herstellerfirma AREVA NP hatte sich bereits seit den späten neunziger Jahren beim französischen Stromversorger EDF und verschiedenen deutschen Energieversorgern erfolglos um einen EPR-Auftrag bemüht [168] . Es stand zu befürchten, dass den Herstellern bei fortgesetzter Auftragsflaute wichtiges Stammpersonal verloren gehen [169] und die ganze EPR-Baureihe obsolet würde. [170] AREVA NP benötigte Olkiluoto-3 als Referenzanlage, als ein “Schaufenster“ der EPR-Technologie für die Akquirierung weiterer Bauaufträge. Als zusätzlichen Kaufanreiz bot AREVA den Finnen die Anlage deshalb auf Wunsch des Kunden “schlüsselfertig” an, d.h. zum Festpreis. Außerdem übernahm AREVA auch noch das Baustellenmanagement und die Architektenleistungen, also nicht nur die Errichtung der nuklearen Anlagenteile. Diese Rolle war für AREVA ungewohnt. Bei den bis dahin 58 von Framatome, der Vorgängerfirma von AREVA, fertiggestellten Druckwasserreaktor-Projekten in Frankreich, sowie den anderen Projekten in China und Südafrika, hatte EDF diesen Part übernommen.
Wie anderweitig bereits dokumentiert [171] , ist das Olkiluoto-Projekt seit Baubeginn ernstlich schiefgelaufen (siehe auch Anhang 4). Im März 2009 [172] wurde ein zeitlicher Rückstand von mindestens drei Jahren eingestanden. Die Projektsumme wurde jetzt schon um 1.7 Mrd € überschritten. Nun war von Investitionskosten von 4000 US$/kW die Rede. [173] Ein erbitterter Streit über die Vertragsauslegung ist zwischen AREVA und dem Kunden Teollisuuden Voima Oy (TVO) ausgebrochen. AREVA NP fordert etwa 1 Mrd € für angebliche Fehlleistungen seitens TVO, während letztere im Januar 2009 eine Gegenrechnung über 2,4 Mrd € Schadenersatz für Projektverzögerungen aufgemacht hat. [174] Im Dezember 2008 schrieb Jukka Laaksonen, Generaldirektor der finnischen Reaktorsicherheitsbehörde STUK, an den Vorstandsvorsitzenden der AREVA einen Brief, in dem er seine „große Besorgnis“ über die „Olkiluoto-3 NPP Automatik“ ausdrückte. Dort schrieb er:
Die Errichtung des Olkiluoto-3 scheint im Allgemeinen gut voranzukommen, aber ich sehe keine wirklichen Fortschritte bei der Konstruktion der Kontroll-und Sicherheitssysteme. Ohne Vorliegen vorschriftsmäßiger Konstruktionspläne, die den grundlegenden Prinzipien atomarer Sicherheit entsprechen und sowohl mit Konsistenz als auch mit Transparenz aus dem Reaktorkonzept abgeleitet sind, das als Anhang mit dem Antrag auf Baugenehmigung eingereicht wurde, sehe ich mich außerstande, den Einbau dieser wichtigen Systeme zu genehmigen. Das würde einen Baustop bedeuten. Ein Beginn der Abnahme-Prüfungen wäre unter diesen Umständen unmöglich. [175]
Es ist unwahrscheinlich, dass alle Ursachen der bisherigen Bauverzögerungen und Kostensteigerungen inzwischen beseitigt sind. Die endgültigen Baukosten könnten sich also nochmals bedeutend erhöhen. Das Ergebnis der Vergleichsverhandlungen über die gegenseitigen Schadenersatzforderungen zwischen AREVA NP und TVO wird Aufschluss darüber geben, wie die Kostensteigerungen auf die beiden Parteien verteilt werden. Davon abgesehen liegt aber inzwischen auf der Hand, dass Zweifel potentieller Investoren hinsichtlich Baukosten und Fertigstellungsfristen gerechtfertigt waren – und sind.
Flamanville, Frankreich
Im Januar 2007 orderte EDF endlich einen EPR-Block für seinen AKW-Standort Flamanville. Dieser Reaktor erfuhr eine Aufrüstung seiner Stromkapazität auf 1 630 MW [176], Baustart war im Dezember 2007. [177] Im Mai 2006 hatte EDF die Baukosten mit geschätzten 3,3 Mrd € angegeben. [178] Das entsprach zu jenem Zeitpunkt 2 590 US$/kW (1 €= 1,28 US$). Nicht enthalten war der erste Brennelementkern, sodass der “Overnight”-Preis etwas höher gelegen hätte. Auch Finanzierungskosten über die Bauzeit waren nicht inbegriffen.
EDF hat die Anlage nicht “schlüsselfertig” bestellt und übernahm selbst das Management der Auftragsvergabe an Subunternehmen, der Leasingverträge für z.B. den Turbinengenerator, und der Architektenleistungen. Unklar ist, inwiefern diese Regelung auf die negativen Erfahrungen mit Olkiluoto-3 zurückzuführen ist oder auch auf das Erfordernis, hauseigene Kapazitäten zu beschäftigen. Der von AREVA NP hereingeholte Auftrag für die Lieferung zweier EPR nach China beinhaltet lediglich die nuklearen Komponenten (“Nuclear Island”), und keine “schlüsselfertige” Übergabe. EDF beteiligt sich am Projektmanagement und übernimmt eine Beteiligung an der AKW.Betriebsgesellschaft. [179]
Im Mai 2008 haben die französischen Sicherheitsbehörden in Flamanville einen vorübergehenden Baustop verhängt, weil Qualitätsprobleme beim Zementieren der Bodenplatte aufgetreten waren. [180] Der Zeitverlust hat AREVA NP zu der Ankündigung veranlasst, der Bau könne erst 2013, mit einem Jahr Verspätung, fertiggestellt werden, doch im November 2008 behauptete EDF, man könne die verlorene Zeit aufholen und den Bau planmäßig 2012 abschließen. [181] EDF gestand ein, der ursprüngliche Kostenrahmen von 3,3 Mrd. € werde überschritten und betrage nun 4,0 Mrd. € [182] Das entsprach zu diesem Zeitpunkt 3 265 US$/kW (1 €=1,33 US$), also erheblich mehr als der Olkiluoto-Vertragspreis, aber weit unter den Preisen, die in den USA kursierten, und auch unter den tatsächlichen Kosten in Olkiluoto. Ein Sprecher der AREVA meinte, die Kosten eines EPR betrügen nun mindestens 4,5 Mrd. €, wobei er offen ließ, ob er damit die „Overnight“-Kosten beschrieb. [183]
Vergleich von Olkiluoto und Flamanville
Vergleiche erfordern eine gewisse Vorsicht. Änderungen der Währungsparitäten können die Ergebnisse verzerren, wenn eine Umrechnung in US$ erfolgt. In den drei Jahren, die zwischen den beiden Auftragserteilungen liegen, können sich die Preise inflationsbedingt um etwa zehn Prozent erhöht haben. Dann muss auch der Vertragsumfang berücksichtigt werden: sind die Brennstoff-und die Finanzierungskosten enthalten? Die Kapazität beider Kraftwerke dürfte bei Übergabe etwa 1 700 MW betragen, weshalb ein so kleiner Unterschied wie 2 % zwischen den Auslegungskapazitäten von Flamanville und Olkiluoto für die Kosten nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Auch die Kostenangaben der EDF sind meist mit Skepsis zu betrachten, weil das Unternehmen hier zu Untertreibungen neigt. Das ist teilweise durch die EDF-Ambition motiviert, sich auf dem globalen Markt als Dienstleister bei Nuklearprojekten als besonders effizient und preiswert zu empfehlen. Verständlicherweise geht man in einer so riesigen Organisation auch davon aus, dass spezifische Projektkosten auch schon mal unter mehr allgemeinen Budgetkategorien subsummiert werden können. Dafür gibt es Beispiele auch in der britischen Atomwirtschaft (vor der Privatisierung). Der staatliche Stromversorger CEGB veröffentlichte Kostenschätzungen für seinen Atomstrom, die ihn zumindest hinsichtlich der Grenzkosten als konkurrenzfähig auswiesen [184] Bei Anwendung einer strengen Kosten-Ertrags-Kalkulation stellte sich aber dann heraus, dass die Grenzkosten das Doppelte der Marktpreise betrugen. Dies wirkte wie ein Schock -für die interessierte Öffentlichkeit ebenso wie für das CEGB selbst.
Betrachtet man den rapiden Anstieg der Baukostenschätzungen im Zeitraum der Auftragsvergabe für Olkiluoto und Flamanville, dann überrascht der vergleichsweise geringe Unterschied der Vertragsangebote zwischen den beiden Projekten. Man darf wohl annehmen, dass in beiden Fällen die Angebotspreise wenig mit den tatsächlichen Kosten zu tun hatten. Es würde nämlich heute kaum jemanden wundern, wenn die Gesamtbaukosten von Olkiluoto nochmals beträchtlich höher als die bereits jetzt um über 50 % überschrittene Bausumme ausfielen, und in Flamanville ist es im Prinzip nicht anders.
Für künftige EPR-Aufträge rechnete AREVA im September 2008 mit geschätzten “Overnight”-Kosten von 4,5 Mrd. € bzw. 6,5 Mrd. US$ (1 €=1,43 US$). Das ergibt bei der neuen Auslegungskapazität des EPR von 1 700 MW Baukosten von 3 800 US$/kW. [185] E.ON gab im May 2008 für in Großbritannien zu errichtende EPR-Blöcke geschätzte Kosten von 5-6 Mrd € an, ließ aber offen, ob dies „Overnight“-Angebotspreise waren, und ob Finanzierungskosten inbegriffen sind oder nicht. [186]
Kostenangaben für USA
Während in Europa nur geringe Erfahrungen im Bau von AKW der “Generation III/III+” vorliegen, so fehlen Bauerfahrungen in den USA überhaupt ganz. Gegenwärtig wird für die nächsten drei Jahre auch nicht irgendwo mit einem Baustart gerechnet. Trotzdem besteht großes Interesse an dem von der Regierung Bush aufgelegten Förderprogramm „Nuclear 2010“. Mehr als ein Dutzend EVU haben seither potentielles Interesse am AKW-Bau angemeldet. Folglich liegt nun eine Reihe von Kostenangaben vor, und zwar aus Quellen, die selbst am Bau neuer Reaktoren interessiert sind.
Es gibt also unterschiedliche Untersuchungen der AKW-Kosten in den USA, wir wollen uns aber an eine Handvoll systematischer und detaillierter Studien angesehener Forschungseinrichtungen halten, die sowohl die Schwankungsbreite der Kostenangaben als auch deren Tendenz kenntlich machen.
MIT 2003 [187]
Diese Untersuchung aus dem Jahre 2003 wurde von einem interdisziplinären Team überwiegend beim MIT beheimateter Professoren durchgeführt. Beteiligt war ein Beirat, der sich aus hervorragend qualifizierten Fachleuten der Umweltorganisationen und aus Verbänden der Atomwirtschaft rekrutierte.
Die Studie ging von einem Basis-Beispiel von “Overnight”-Kosten von 2 000 US$/kW aus. Für ein niedriges Kosten-Beispiel nahm man (S.41) „einen um 25 % geringeren Angebotspreis an, wobei man sich an optimistischen, aber plausibel erscheinenden Kostenprognosen der Industrie“ orientierte. Diese Schätzangaben stützten sich nicht auf den aktuellen realen Kostenstand bei US-Herstellern, den man für nicht repräsentativ hielt, sondern auf Prognosen der Industrie und jüngste Erfahrungen mit „Generation III“-Projekten in Japan und Südkorea. Die Verlässlichkeit dieser Daten ist unklar. Aus heutiger Sicht erscheinen die Kostenschätzungen sehr niedrig, sogar im Vergleich mit dem im selben Jahr ausgehandelten Vertragspreis für Olkiluoto-3. Doch die Herstellerseite argumentiert nach wie vor mit aggressiv niedrigen Baukosten. Ein Anhang zur MIT-Studie (S.138) listet die Angebotspreise verschiedener Hersteller auf, die überwiegend Investitionskosten von unter 1 250 US$/kW für Reaktorblöcke eingeführter Modellreihen (also nicht „First-of-a-Kind“) angeben. Trotz der solchermaßen als niedrig angenommenen Baukosten kam die Studie zu folgendem Ergebnis (S.IX):
In deregulierten Märkten kann Atomstrom zurzeit mit Kohle und Erdgas nicht konkurrieren. Bei einer denkbaren Senkung der Kapital-, Betriebs-und Wartungskosten und kürzeren Bauzeiten könnte diese Lücke reduziert werden. CO2.Vermeidungsgutschriften könnten bei entsprechender Gesetzgebung dem Atomstrom einen Kostenvorteil verschaffen. [188]
Keystone Center 2007 [189]
Eine Studiengruppe am Keystone Center machte den Versuch einer “gemeinsamen Bestandsaufnahme zur Atomenergie” oder “Nuclear Power Joint Fact-Finding” (NJFF) und strebte einen Konsens zwischen vielerlei Experten mit unterschiedlichen Interessen an, von denen einige schon bei der MIT-Studie mitgewirkt hatten. Man ging von “Overnight”-AKW-Baukosten von 2 950 US$/kW aus. Bei zwei Varianten nahm man für die erste höhere Kapitalkosten bei kürzerer Reaktorlaufzeit an, schnellere Abschreibung, eine längere Bauzeit von sechs statt fünf Jahren, und einen realen Baukostenanstieg über die Bauzeit von 3,3 % an. Diese erste Variante ergab Gesamtbaukosten von 3 600 US$/kW, die andere von 4 000 US$/kW, ein Unterschied von 11 %.
Die Ausgangszahl von 2 950 US$/kW errechnete sich wie bei der MIT-Studie aus den veröffentlichten Baukosten der “Generation-III“-Projekte in Japan und Südkorea, die zwischen 1994 und 2005 errichtet wurden. Über die Konkurrenzfähigkeit von Atomstrom enthielt die Studie keine eindeutige Aussage, doch sie schlussfolgerte (S.11):
Wir ermittelten, dass sich der Preis für Atomstrom (ab Kraftwerk) im Bereich zwischen 8 und 11 US$ cents pro Kilowattstunde einpendeln könnte.
Die Aussage der Studie über einen möglichen Beitrag der Atomenergie zum Klimaschutz war bemerkenswert. Dort heißt es auf S.11:
Die NJFF-Teilnehmer sind sich einig, dass ein Beitrag der Atomenergie zum Klimaschutz im Umfang eines “Pacala/Socolow-Keils” (1 GtC/Jahr entspr. 700 GWe AKW-Kapazität netto bzw. 1 070 GWe brutto) den sofortigen Wiedereinstieg in das bisher intensivste Reaktorbauprogramm der Jahre 1981-90 erfordern würde sowie ein Durchhalten dieser Baurate über einen Zeitraum von 50 Jahren. [190]
Pacala/Socolow waren bekanntlich der Auffassung, dass mindestens sieben solcher “Keile” zur Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration erforderlich wären. [191]
MIT 2009 Aktualisierung
Im Mai 2009 veröffentlichte das MIT eine Aktualisierung der Studie von 2003. [192] Das Autorenteam war jedoch sehr unterschiedlich von jenem, das den Bericht im Jahre 2003 produziert hatte. Es hatte vor allem weniger wirtschaftswissenschaftliches und politisches Format. Dies spiegelt sich im Bericht wieder. Während der Bericht erhebliche Änderungen an den wirtschaftlichen Annahmen vornimmt, zum Beispiel eine Verdopplung der geschätzten Baukosten auf 4 000 US$/kW, so findet dies weder in der Zusammenfassung noch in den Schlußfolgerungen Erwähnung. Noch erstaunlicher ist, dass der Bericht immer noch angibt:
Der 2003 Bericht fand heraus, dass Kapitalkostensenkungen und eine Verringerung der Bauzeiten plausibel aber noch nicht bewiesen sind – dieses Urteil bleibt heute bestehen.
Die Wirtschaftsanalyse ist nicht einmal in dem Bericht selbst enthalten, sondern wurde separate veröffentlicht. [193] Die Schlussfolgerungen verraten die Vorurteile der Autoren:
Die klare Warnung ist, dass wenn nicht mehr getan wird, dann wird die Bedeutung der Atomkraft sinken als praktische und zeitgerechte Option für eine Umsetzung in einer Grössenordnung, die einen materiellen Beitrag zur Begrenzung der Risiken des Klimawandels darstellen würde.
Auch wenn der 2003er MIT-Bericht ernsthafte Fehler enthielt, so handelte es sich doch um eine bedeutende und vorsichtig argumentierte Arbeit. Die 2009er Aktualisierung dagegen ist eher eine Stellungnahme der Meinungen der Autoren, oft im Widerspruch zu ihrer eigenen Analyse.
Standard & Poor’s und Moody’s
Als Experten für Bonitätseinstufungen müssen die beiden Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s über gute Recherchefähigkeiten verfügen, auch wenn ihr Ruf unter der aktuellen Finanzkrise etwas gelitten hat. Im Oktober 2007 veranschlagte Moody’s die “Overnight”-AKW-Baukosten auf 5 000.6 000 US$/kW. [194] In einem Bericht von Oktober 2008 [195] übernimmt Standard & Poor’s die Einschätzung einer Studie der Federal Energy Regulatory Commission (FERC): die Errichtungskosten rangieren dort einschließlich der Finanzierungskosten während der Bauzeit, Bauzeit-Auslagen kommunaler bzw. einiger staatlicher Energieversorger, sowie unter Beachtung einer Wertsicherungsgleitklausel in einer Bandbreite zwischen 5 000 US$/kW und 8 000 US$/kW.
Energieversorgungsunternehmen (EVU)
Energieversorgungsunternehmen (EVU) in den USA haben ihre Absicht erklärt, insgesamt 31 neue Reaktorblöcke errichten zu lassen (siehe Tabelle 4). Viele dieser EVU haben Kostenschätzungen abgegeben. Die Zusammensetzung der veröffentlichten Kostenschätzungen ist nicht immer eindeutig, z.B. ob Finanzierungskosten enthalten sind oder nicht; aber da die Kostenangaben von Unternehmen stammen, die tatsächlich AKW in Auftrag geben wollen, müssten sie einigermaßen plausibel sein.
Für folgende Reaktoreinheiten konnten keine veröffentlichten Baukostenangaben gefunden werden: Comanche Peak, Harris, North Anna, Fermi, Calvert Cliffs, Callaway, Nine Mile Point, Bell Bend, Amarillo und Elmore. Im Februar 2009 hat das Energieministerium eine Vorauswahl von fünf Projekten getroffen, für die staatliche Kreditbürgschaften infrage kommen. Das Wall Street Journal berichtete Mitte Juni 2009 [196], die vier auserwählten Unternehmen seien UniStar Nuclear Energy, NRG Energy Inc., Scana Corp und Southern Co. Es folgen Einzelheiten zu einigen der Projekte aus EVU-Quellen sowie eine Auflistung aller Projekte.
AP-1000
Levy [197] Progress Energy gab an, dass für die zwei AP-1000-Reaktorblöcke “Overnight”-Kosten von 10,5 Mrd. US$ anfallen würden zzgl. 2,5 Mrd. US$ für Übertragungsanlagen und 3,9 US$ für unvorhergesehene Ausgaben während des Baufortschritts. Die Börsenaufsicht meldete Ende 2008, dass Progress Energy einen 7,65 US$-Vertrag mit Westinghouse Electric über den Bau von zwei 1105 MW AP-1000-Reaktoren am Standort Levy unterschrieben habe. Der Vertragsinhalt wurde nicht erläutert, aber es hieß, die Kosten entsprächen früheren Angaben des EVU. [198] Am 1. May 2009 teilte das Unternehmen allerdings mit, das Vorhaben werde sich um “mindestens 20 Monate” verzögern. So sollten „die Kosten über einen längeren Zeitraum verteilt“ werden, wie der EVU-Präsident erklärte. [199]
Der Aufschub werde jeden der durchschnittlichen Verbraucherhaushalte (1 000 kWh/Monat) im Jahr 2010 einen Atom-Gebührenzuschlag von 6,69 US$ pro Monat kosten, weniger als der vom Staat Florida gesetzlich erlaubte Erstattungsbetrag von 12,63 US$ pro Monat.
Summer [200] SCE&G bezifferte die Baukosten für zwei Reaktorblöcke ohne Übertragungsanlagen und Finanzierungskosten auf 9,8 Mrd. US$.
Turkey Point [201] Florida Power & Light nannte gegenüber der Regulierungsbehörde erwartete “Overnight”-Baukosten für zwei AP1000-Reaktoren am Standort Turkey Point in Höhe von je 3 108 US$ bis 4 540 US$. Die Gesamtkosten einschließlich Wertsicherungs-Gleitklausel und Finanzierungskosten würden „zwischen 12,3 und 18,0 Mrd. US$“ liegen.
Vogtle [202] Georgia Power ist mit 47,5 % am Projekt zweier AP-1000-Blöcke beteiligt und rechnet mit einem Investitionskostenanteil von 6,4 Mrd. US$, was auf Gesamtkosten von etwa 14 Mrd. US$ schließen lässt. Diese Summe scheint für eine schlüsselfertige Anlage („in-service-cost“), also einschließlich der Finanzierungskosten, zu gelten.
Bellefonte [203] TVA rechnet mit “Overnight”-Kosten für zwei AP-1000-Blöcke von 5,6-10,4 Mrd. US$.
Lee [204] Duke Power schätzte im November 2008 die Kosten ihrer zwei vorgesehenen AP-1000.Reaktoren auf 11,0 Mrd. US$ – das Doppelte einer früheren Prognose. Die neue Summe entspräche Investitionskosten von 4 900 US$/kW bei der vorgesehenen Netto-Stromkapazität von 1 120 MW für jeden der beiden Blöcke.
ESBWR
Im November 2008 meldete Exelon die endgültige Aufgabe ihres ESBWR-Projekts am Standort Victoria. Es hieß, man sehe sich nach einer alternativen Baulinie um. [205] Im Februar 2009 zog auch Entergy seinen ESBWR-Genehmigungsantrag für die Standorte Grand Gulf und River Bend wegen besorgniserregender Preissteigerungen für diese Baulinie zurück. [206] Keiner der Energieversorger, die den ESBWR als die Technologie ihrer Wahl angegeben haben, hat Aussagen über die erwarteten Kosten gemacht. Wayne Leonard, CEO von Entergy, sagte aber anlässlich der Stornierung: “Der Preis ist immer weitergeklettert und war schon bei über 10 Mrd US$ angelangt", weit jenseits der ursprünglichen Erwartung, wie er hinzufügte. [207] Wenn es sich dabei um „Overnight“-Preise gehandelt hat, dann hätte dies bei der ESBWR-Linie mit einer Nettokapazität von ca. 1 520 MW Installationskosten von 6 600 US$/kW bedeutet. Auch wenn diese Summe vielleicht 25 % Finanzierungskosten enthalten haben sollte, liefe das immer noch auf eine Investition von 5 200 US$/kW hinaus. Es sieht jetzt ganz danach aus, dass die ESBWR-Linie, die bereits aus dem britischen Zertifizierungsverfahren zurückgezogen worden ist, ganz aufgegeben wird und sich General Electric aus dem Reaktorgeschäft endgültig verabschiedet.
EPR
Das EPR-Projekt bei Calvert Cliffs ist für staatliche Bürgschaften vorgesehen. [208] Unter den insgesamt sieben gemeldeten EPR-Projekten sind jedoch mindestens drei offenbar bereits wieder abgebrochen worden. Für die verbleibenden vier haben die EVU noch keine erwarteten Kosten angegeben. Im April 2009 verwies der Vorsitzende von Unistar darauf, dass Constellation die erwarteten Kosten für Calvert Cliffs nicht veröffentlicht habe und solche Kostenangaben vertraulich seien. [209]
AKW-Name | Betreiber | Datum des Antrags auf Bau und Betriebs geneh- migung | Staatliche Kredit- bürgschaft | Reaktorty p | Geschätzte Bausumme ($Mrd.) | Geschätzte Kosten in $/KW |
---|---|---|---|---|---|---|
Calvert Cliffs 3† | Unistar | 3/08 | Beantragt | EPR | n/a | |
South Texas 3, 4† | NRG/Exelon | 9/07 | Beantragt | ABWR | n/a | |
Bellefonte 3, 4 | TVA | 10/07 | Nicht förderbar | AP-1000 | 5,6-10,4+ | 2500-4600 |
North Anna 3 | Dominion | 11/07 | Beantragt | ESBWR | n/a | |
Lee 1, 2 | Duke | 12/07 | Beantragt | AP-1000 | 11+ | 4900 |
Harris 2, 3 | Progress | 2/08 | Kein Antrag | AP-1000 | n/a | |
Grand Gulf 3 | Entergy | 2/08 | Beantragt | ESBWR | n/a | |
Vogtle 3, 4 | Southern | 3/08 | Beantragt | AP-1000 | 14* | 6250* |
Summer 2, 3† | SCANA | 3/08 | Beantragt | AP-1000 | 9,8+ | 4400 |
Callaway 2 | AmerenUE | 7/08 | Beantragt | EPR | n/a | |
Levy 1, 2 | Progress | 7/08 | Beantragt | AP-1000 | 10,5+ | 4750+ |
Victoria 1, 2 | Exelon | 9/08 | Beantragt | ESBWR | n/a | |
Fermi 3 | DTE Energy | 9/08 | Kein Antrag | ESBWR | n/a | |
Comanche 3, 4 | TXU | 9/08 | Beantragt | APWR | n/a | |
Nine Mile Point 3 | Unistar | 10/08 | Beantragt | EPR | n/a | |
Bell Bend | PPL | 10/08 | Beantragt | EPR | n/a | |
Amarillo 1, 2 | Amarillo | ? | ? | EPR | n/a | |
River Bend | Entergy | 9/08 | Beantragt | ESBWR | n/a | |
Elmore | Unistar | ? | ? | EPR | n/a | |
Turkey Point 6, 7 | FPL | 3/09 | ? | AP-1000 | 6,9-10,1+ | 3100-4500 |
Quelle: Steve Thomas
Erläuterungen:
* Kosten beinhalten Finanzierungskosten; ‘+’ sind “Overnight“ Kosten
Im January 2009 hat das EVU Entergy die Reaktorsicherheitsbehörde NRC gebeten, ihre Anträge auf Bau-und Betriebsgenehmigung für die Standorte Grand Gulf & River Bend nicht mehr zu behandeln. [210]
† bedeutet, dass Bürgschaftsanträge in die engere Auswahl aufgenommen sind.
ABWR
Das South Texas -Projekt ist das einzige mit diesem Reaktortyp. Es beinhaltet zwei Blöcke mit je ca. 1 380 MW. Die Herstellerfirma NRG schätzt die Kosten auf ungefähr 8 Mrd. US$ bzw. 2 hy900 US$/kW. Am 21. Juni 2006 hatte NRG gegenüber der Presse noch eine Bausumme von 5,2 Mrd. US$ genannt, seither also gab es eine Preissteigerung von etwa 50 %. Das Projekt ist für eine Staatsbürgschaft in die engere Auswahl aufgenommen worden.
APWR
Die beiden Blöcke des Projekts Comanche Peak betrifft als einziges den Reaktortyp APWR. Kosten sind bisher nicht genannt worden. Infolgedessen soll der Antrag auf eine Staatsbürgschaft auf die Reserveliste gesetzt worden sein, wenn auch immerhin noch auf den ersten Platz.
Es will etwas heißen, wenn nur für knapp die Hälfte der in den USA angekündigtem AKW-Bauprojekte bisher Kostenvoranschläge vorliegen; es handelt sich dabei ausnahmslos um Reaktoren der Typen ABWR und AP-1000, die von der Reaktorsicherheitsbehörde NRC zertifiziert sind, wenn auch mit leichten Modifikationen. Ob letztere die Kosten in die Höhe treiben, bleibt abzuwarten – geringer werden sie dadurch gewiss nicht. Der ABWR-Reaktor wurde vor mehr als einem Jahrzehnt zugelassen; er müsste eigentlich als “Generation-III” bezeichnet werden und hinsichtlich seiner Sicherheitsauslegung dürften Nachbesserungsauflagen ins Haus stehen, sobald seine Zulassung aktualisiert werden muss. Es verwundert übrigens, dass keiner der Antragsteller für einen EPR-Reaktor, einem Typ mit Bauerfahrung und europäischen Zertifizierungen, bisher Kostenvorstellungen verlautbart hat. Kostenschätzungen von dritter Seite bewegen sich um die 5 000 US$/kW-Marke herum. Bei der
In weniger als zehn Jahren sind die geschätzten Errichtungskosten neuer AKW von 1 000 US$/kW auf durchschnittlich 5 000 US$/kW angestiegen, noch bevor überhaupt nennenswerte Erfahrungen mit Neubauten gesammelt werden konnten. Kostenkaskaden solchen Ausmaßes sind selbst für die Verhältnisse in der Atomindustrie bemerkenswert. Was steckt dahinter? Einer der Faktoren ist natürlich die allgemeine Inflationsrate, die für einen Preisanstieg von etwa einem Drittel verantwortlich sein dürfte; bleibt immer noch ein realer Kostenanstieg um das Vierfache. Unabhängige Analysten hatten der 1 000 US$/kW-Schätzung von Anfang an misstraut. Zunehmend relativieren auch Atomindustrie-Sprecher ihre früheren Voraussagen wie zum Beispiel das berühmte Lewis-Strauss-Zitat (“Zu billig für die Verbrauchsmessung!”), von dem viele heute wünschen, dass er es nie gesagt hätte. Aber eine Vervierfachung kann nicht einfach mit naivem Wunschdenken begeisterter Technologiefans erklärt werden, da waren auch andere Einflüsse im Spiel. Fünf Faktoren spielten eine Rolle.
Rapide gestiegene Rohstoffpreise. Seit 2003 sind die globalen Rohstoffpreise mit beispielloser Geschwindigkeit angestiegen. In der Zeitspanne 2003–2007 haben sich Nickel und Kupfer um über 60 % pro Jahr verteuert, Zement um über 10 % und Stahl um nahezu 20 %. [211] Von diesen Preissteigerungen waren natürlich auch konventionelle Kraftwerke betroffen, doch die Wirtschaftlichkeitsrechnung von AKWs ist aufgrund konstruktiver Eigenheiten davon am stärksten tangiert. Als in der zweiten Jahreshälfte 2008 die Finanzkrise in eine Rezession überging, setzten die Rohstoffpreise zu einem steilen Sinkflug an. Zur Beurteilung der spezifischen Sensibilität der Atomenergie bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen für Schwankungen der Rohstoffmärkte wäre allerdings eine vollständige Aufschlüsselung der Kostenanteile von Material, Bauflächen und Lohnkosten erforderlich.
Mangelnde Fertigungskapazitäten für AKW-Komponenten. Wegen der geringen Zahl an Neuaufträgen während der letzten zwanzig Jahre wurden viele Zuliefererbetriebe aufgegeben. Heute gibt es für die Herstellung von Schlüsselkomponenten weltweit nur noch jeweils einen oder zwei zertifizierte Betriebe siehe Kapitel II.). So existiert für die zur Fabrikation von Reaktordruckbehältern benötigten extrem schweren Schmiedestücke nur noch ein einziger Betrieb (in Japan). AREVA hat wohl auch deshalb im April 2009 Pläne angekündigt, ihre Kapazitäten zur Fabrikation von Schwerkomponenten hochzufahren. Diese Kapazitätserhöhung würde ihre nominelle jährliche Fertigungskapazität von jetzt 1,7 EPR-AKW aber nur auf 2,7 Einheiten pro Jahr erhöhen. [212] So lange dauert es selbst für erfahrene Hersteller mit vorhandenem Knowhow, ihre Kapazität zu steigern. Neulinge am Markt aber bedürfen einer aufwendigen Zertifizierung durch die American Society of Mechanical Engineers (ASME) oder die französische RCCM. Dazu sind umfängliche Dokumentationen und Qualitätsnachweise erforderlich, die sich besonders kostensteigernd auswirken, wenn die vorhandenen Kapazitäten bereits ausgelastet sind, und nicht nur bei Standard and Poor’s die Annahme gilt, dass ein Erstauftrag zu einem niedrigeren Preis akquiriert werden muss als erhoffte Folgeaufträge. [213] Gewiss werden auf längere Sicht nach entsprechenden Auftragseingängen auch neue Zulieferfabriken errichtet, aber Errichtung und Zertifizierung dieser Anlagen erfordern Zeit und hohe Investitionen. Ohne die Garantie ausreichender Aufträge wäre das Investitionsrisiko zu hoch.
Fehlendes atomtechnisches Fachpersonal. Wie mit den Komponenten verhält es sich mit dem Personal. Die Stammbelegschaften kommen in die Jahre. Schon jetzt herrscht ein besorgniserregender Fachkräftemangel (siehe Kap. II.). So heißt es bei Standard and Poor’s: Wir gehen davon aus, dass bei Vorliegen erster Neuaufträge in den Vereinigten Staaten zunächst auf Erfahrungen im Projektmanagement aus Frankreich und Japan zurückgegriffen wird, wo der Reaktorbau relativ kontinuierlich fortgesetzt worden ist, während er in den USA zum Erliegen kam. Insbesondere erwarten wir, dass man sich auf das Betriebs-Knowhow von AKW-Betreibern wie Electricité de France und Tokyo Electric Power Co. Inc. (TEPCO) wird stützen können. [214]
Im Vereinigten Königreich sah sich die britische Regierung außerstande, eine ausreichende Zahl von Sicherheitsinspektoren zur Begutachtung von Reaktor-Konstruktionsplänen zu rekrutieren. Das Fachblatt Nucleonics Week berichtete: NII (Nuclear Installations Inspectorate) hat permanent Personalmangel, sodass der Zeitplan für das Typen-Genehmigungsverfahren gefährdet ist. NII-Sprecher Mark Wheeler sagte im September, dass seine Behörde 40 Inspektoren zusätzlich zu den jetzt vorhandenen 20 Experten benötigt, um den Zeitrahmen einzuhalten. Abgesehen vom Typen-Genehmigungsverfahren benötige die Behörde zusätzlich zum Bestand von 170 noch 22 zusätzliche Fachleute. NII-Chefinspektor Mike Weightman meinte sogar, er benötige 232 Fachbeamte, um die Fachaufsicht über alle jetzigen und künftigen Atomanlagen gewährleisten zu können. [215]
Der Ausschuss für Innovation, Hochschulen, Forschung und Fachausbildung des britischen Unterhauses nannte den Fachkräftemangel in sämtlichen atomtechnischen Anlagen „besorgniserregend“. [216]
Schwäche des US-Dollar. Kostensteigerungen in US$ mögen teilweise auf die Dollarschwäche seit Ende 2005 zurückzuführen sein. Das bedeutet zugleich, dass Kosten, die in EURO berechnet werden, etwas weniger eskaliert sind, als die in US$ berechneten. Auch die Preissteigerungen für Rohstoffe, soweit in US$ angegeben, mögen teilweise von der Dollarschwäche verursacht sein. Im November 2005 war der EURO 1,17 US$ wert, im Juli 2008 dann 1,57 US$. Im November 2008 stand der EURO bei 1,27 US$, im Dezember 2008 wieder bei 1,40 US$.
Gewachsenes finanzielles Risikobewusstsein der Stromversorger. Die AKW-Betreiber können sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie praktisch sämtliche Investitionskosten egal welcher Höhe an die Verbraucher weiterreichen können. Sofern es Märkte gibt, die Wettbewerb ermöglichen, riskieren AKW-Betreiber bei zu hohen Kosten den Bankrott, so, wie es 2002 dem privatisierten britischen AKW-Betreiber British Energy ergangen ist. [217] Wo die Stromtarife von einer Regulierungsbehörde kontrolliert werden, ist das Abwälzen der Gestehungskosten genehmigungsbedürftig. Also müssen Kostenvoranschläge einigermaßen realistisch sein, damit die tatsächlichen Kosten nicht alle vorherigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen ad absurdum führen.
Es bleibt abzuwarten, ob die kostentreibenden Faktoren umkehrbar sind und ob die Preise nicht auch einmal nach unten gehen -das wäre dann aber das erste Mal in der Geschichte der Atomenergie. Die Rohstoffpreise bewegen sich seit der Hausse in der Jahresmitte 2008 wieder nach unten, und das mag die Preise ein wenig drücken. Was die zweiten und dritten Faktoren betrifft, nämlich die fehlenden Fertigungskapazitäten und den Mangel an Fachkräften, so werden bis zur Beseitigung dieser Engpässe mindestens zehn Jahre vergehen. Sollten in größerem Umfang wieder Bauaufträge erteilt werden, so steht erneuter Preisauftrieb ins Haus, weil die Nachfrage dann auf ein knappes Angebot stößt. Die Entwicklung des Dollarkurses lässt sich unmöglich vorhersagen, dies allein stellt bereits ein Problem dar. Lieferanten und Käufer könnten, je nachdem, welche Währung sie für ihre Lieferungen bzw. Einkäufe wählen, eine Menge Geld verlieren, wenn sie auf das falsche Pferd setzen. Die Energieunternehmen wissen außerdem, dass auch bei scheiternder Freigabe der Energiemärkte und einem Ausbleiben von Wettbewerb kein Verlass darauf ist, dass Regierungen und Regulierungsbehörden eine Überwälzung ungebremst steigender Kosten auf die Verbraucher zulassen werden bzw. können.
Insgesamt ist es demnach höchst unwahrscheinlich, dass die Preise wirklich einmal fallen. Die bisherige Erfahrung lässt weitere Preissteigerungen erwarten, sollten die Projekte vom Reißbrett in die Tat umgesetzt werden.
Atomkraftwerke sind Großprojekte, die durch eine Kombination von Bankkrediten mit Eigen-bzw. Beteiligungskapital (Equity) [218] finanziert werden. Bankkredite sind meist billiger als Anleihen. So ging die MIT-Studie [219] davon aus, dass sich Bankschulden und Anleihen die Waage halten und dass die Kapitalkosten (netto) bei 12 % und für die Bankkredite bei 5 % lägen, was im Schnitt Netto-Kapitalkosten von gewichteten 8.5 % ergibt. Die Keystone-Untersuchung [220] unterlegt ihrem oberen Szenario die gleichen Annahmen, rechnet aber für ihr unteres Szenario mit Realkosten von 9 %, was im Ergebnis zu realen gewichteten Kapitalkosten (WACC) [221] von durchschnittlich 7 % führt. Bei Keystone (S.37) heißt es dazu: In den letzten Jahren ist der Börse dieses kaufmännische Rechenmodell nicht mehr geheuer, und selbst sehr kapitalstarke, nicht-kommunale AKW-Betreiber erhalten bei freigegebenen Strommärkten erst mit 65-70 % Anleihen Zutritt zum Markt für Industrieanleihen.
Dennoch kalkuliert Keystone nicht mit diesen Zahlen. Wenn man das Erfordernis eines 70 %igen Anleihen-Anteils zu 12 % Verzinsung zugrunde legt, dann ergeben sich indes durchschnittliche WACC-Kapitalkosten von fast 10 %.
Es ist jedoch schwer herauszufinden, ob wir mit dieser Annahme richtig liegen. Als das britische Stromnetz 1990 für den Wettbewerb geöffnet wurde, gab es eine riesige Auftragswelle von Bauaufträgen für Gas-Kombi-Krafwerke. Dort wurde allgemein mit Zinskosten um 16 % gearbeitet. [222] Für die Prognosen der Atomwirtschaft aber schienen diese Gegebenheiten keine Rolle zu spielen: Sie rechneten in mehreren Untersuchungen unbekümmert weiter mit erwarteten Kapitalkosten von 8 % und darunter. [223]
Vor der Liberalisierung des Strommarktes konnte man durchaus mit niedrigen Kapitalkosten rechnen, weil den Stromversorgern die Weitergabe jeglicher Kosten über die Stromtarife garantiert war. Finanzierungskosten hingen aber von den Rahmenbedingungen des jeweiligen Kapitalmarktes und der Bonität der jeweiligen Kunden oder Staaten ab. So bekamen Länder wie die Türkei durchaus Probleme bei der AKW-Finanzierung. Bei all dem aber ist das einzige spezifische Problem der Atomindustrie die Kreditpolitik der Weltbank und der anderen internationalen Entwicklungsbanken, die grundsätzlich keine AKW-Projekte finanzieren, sodass eine kostengünstige Grundfinanzierung entfällt. Die einschlägige Weltbank-Richtlinie lautet:
Atomkraftwerke sind insofern unwirtschaftlich, weil sie in Anbetracht der Kostenanalysen und –prognosen nicht die kostengünstigste Lösung bieten. Dabei gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Kostenangaben meist noch bei weitem unterschätzt sind und die Entsorgungs-und Stilllegungskosten sowie andere Umweltschutzkosten nicht genügend in Betracht gezogen werden. [224]
Auch die Asiatische Entwicklungsbank ADB hat noch kürzlich ihren Grundsatz der “Nichtbefassung” mit der Finanzierung von AKW-Projekten bekräftigt: Auch wenn die Atomenergie nach wie vor Nachhaltigkeits-und betriebliche Vorteile bietet, so sprechen doch etliche Erschwernisse gegen sie, wie zum Beispiel die Sorgen der Öffentlichkeit über die Weiterverbreitung der Atomwaffentechnik, der Entsorgungs-und Sicherheitsrisiken, der hohen Investitionskosten, langen Bauzeiten und der mangelhaften Marktakzeptanz neuer Technologien. Diesen Vorbehalten ist nur schwer zu begegnen, sie bedürfen einer offenen und öffentlichen Debatte, wenn man die Öffentlichkeit vom Nutzen der Atomenergie überzeugen will. Multilaterale Entwicklungsbanken (MDB) haben sich bisher aus der Finanzierung von Atomprojekten stets herausgehalten. Im Falle der Staaten der früheren Sowjetunion erlaubt die Energiepolitik der EBRD (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) die Finanzierung von sicherheitsorientierten Modernisierungsmaßnahmen, von Stilllegungen und Projekten der Umweltsanierung wie auch der Entwicklung wirksamer atomtechnischer und aufsichtsrechtlicher Regelwerke. Die ADB wird jedoch angesichts verbleibender Vorbehalte gegenüber der Atomtechnologie und wegen der limitierten Beschaffungsmöglichkeiten wie auch wegen der Atomwaffen-Proliferationsrisiken, der begrenzten Uranvorräte und der Umwelt-und Sicherheitsprobleme ihre geltende Vergabepraxis beibehalten und sich aus der Finanzierung von Atomprojekten auch weiterhin heraushalten. [225]
In einem Vortrag vom März 2008 erklärte Rinaldo S. Brutoco, Präsident des World Business Council: Aus der Business-Perspektive hat die Atomkraft ihr Markpotential nicht erfüllt. In den frühen 1980ern, nach der 2,25 Mrd. US$ Wertpapierpleite des Energieversorgungs.unternehmens WPPSS (Washington Public Power Supply System) – die größte Pleite in der EVU-Geschichte – bewertete Wall Street Atomkraftwerke „high risk“ und stellte die Geldmaschine ab. [226]
Bei freiem Wettbewerb in offenen Märkten oder Systemen, wie in einigen der US Staaten, wo Regulierungsbehörden nicht quasi automatisch den Betreibern das Abwälzen jedweder Kosten auf die Verbraucher genehmigen, galt lange die allgemeine Auffassung, dass AKW-Projekte angesichts der Marktrisiken einer wirtschaftlich so unflexiblen Kraftwerkstechnologie wie der Atomenergie nicht durchführbar seien.
Es gibt im Wesentlichen nur drei Wege, wie die Finanzierungsinstitute wenigstens teilweise vor den Risiken zu schützen sind: durch die Stromverbraucher, durch staatliche Kreditbürgschaften, sprich die Steuerzahler und durch Festpreisverträge mit den AKW-Herstellern. In allen drei Fällen entspricht die Sicherheit dem jeweiligen Garanten. Stromverbraucher werden durch Tarifaufsichtsgremien geschützt, die sich auch schon mal geweigert haben, Kostenüberschreitungen auf die Tarife abzuwälzen. Hersteller-Garantien haben zuweilen Gerichtsprozesse zur Folge – wie wir gerade am Beispiel Olkiluoto beobachten können. Mehr dazu folgt.
Die Stromverbraucher
Die Öffnung des Strommarkts bringt es mit sich, dass Verbraucher das Risiko nicht übernehmen wollen oder können. Trotzdem bleibt im Fall Olkiluoto-3 aufgrund einiger sehr merkwürdiger Regelungen viel an ihnen hängen. Der Investor, Teollisuuden Voima Oy (TVO), hat eine Organisationsform, die es so nur in Finnland gibt. Größter TVO-Aktionär ist PVO (Pohjolan Voima Oy) mit 60 % der TVO-Aktien. PVO ist ein nicht gewinnorientiertes Unternehmen im Eigentum energieintensiver finnischer Industriebetriebe, das etwa 15 % der Stromproduktion Finnlands kontrolliert. Seine Anteilseigner dürfen entsprechend der Größe ihres Anteils den Strom zum reinen Kostenpreis beziehen. Andererseits sind sie aber auch anteilig an den Fixkosten beteiligt. Die variablen Kosten bezahlen sie entsprechend ihrem Anteil am Stromverbrauch. Der nächstgrößte TVO-Anteilseigner ist der größte finnische Stromversorger, Fortum, mit 25 % der Aktien. Größter Aktieneigner von Fortum ist die finnische Regierung. Dieses Arrangement ist vertraglich für die gesamte Laufzeit der Anlage vorgesehen, wobei der Stromtarif sämtliche Kosten decken muss.
Nehmen wir also an, dass in allen anderen Fällen die Verbraucher das Risiko nicht übernehmen. Bleiben nun noch die staatlichen Kreditbürgschaften und der Festpreis-Vertrag.
Staatliche Kreditbürgschaften
Schon vor Ausbruch der internationalen Finanzkrise verhinderte das hohe Investitionsrisiko neue AKW-Aufträge. Auf dem Wunschzettel von Stromversorgungsunternehmen und Anlagenherstellern standen deshalb Kreditbürgschaften immer ganz oben. So lässt sich bekanntlich das Risiko einer AKW-Betreiberinsolvenz vom Anlagenhersteller auf die Steuerzahler übertragen. Einer der Gründe, weshalb es überhaupt noch zu einem finanzierbaren Olkiluoto-3-Auftrag kam, waren die von den Regierungen Frankreichs und Schwedens gewährten Ausfuhrbürgschaften. So erreichte man für die Finanzierung Zinssätze von nur 2,6 %.
Das Reaktorprogramm der USA
Die Regierung Bush verkündete im Februar 2002 ein “Atomenergieprogramm 2010” mit der Zielsetzung, den AKW-Bau erneut anzuschieben. Man glaubte, dass „Generation-III+“-Reaktoren wirtschaftlich sein können, nur müsse man zuvor noch einige finanzielle und genehmigungsrechtliche Hindernisse aus dem Weg räumen. Also ging man daran, die Genehmigungsverfahren zu verschlanken, einige neue Reaktorentwicklungen beschleunigt zertifizieren zu lassen, und ein finanzielles Förderprogramm für bis zu drei AKW-Standorte mit insgesamt vielleicht vier bis fünf Reaktorblöcken aufzulegen. So sollte erreicht werden, dass: ein Prototyp zur Demonstration dieser neuen Reaktortechnologie entwickelt würde, mitsamt dem Erstdurchlauf zugehöriger, noch nicht eingespielter Genehmigungs-und Zertifizierungsverfahren für die Standortgenehmigungen und die genehmigungsrechtliche Zulassung der Konstruktion und des Betriebs dieses Reaktortyps. [227]
Hinsichtlich der Bauzeiten und eines Betriebsbeginns im Jahr 2010 war das „Programm 2010“ viel zu optimistisch. Die Regierung bot Kreditbürgschaften zu den Bedingungen staatlicher Schatzbriefe an. Wenn man hierfür einen Zinssatz von 4 % ansetzt und den Zinssatz für Beteiligungskapital mit 9 %, dann ergab das – gewichtet und gemittelt -einen aggregierten Zinssatz (WACC) von 7 %.
Beim Stapellauf dieses Förderprogramms wurden die Baukosten eines Reaktorblocks auf 2 Mrd. US$ veranschlagt. Die Förderung durch staatliche Kreditgarantien für 80 % der Schuldenaufnahme bei Unterstellung einer 50 %igen Kreditfinanzierung hätte pro Reaktorblock ca. 4 Mrd. US$ erfordert. Nun eskalierten die Kosten pro Reaktor und mithin die Summe der aufzubringenden Bürgschaften. Gleichzeitig aber stiegen auch die Erwartungen der Industrie über die Anzahl der von dem Programm betroffenen Bauprojekte. Im Jahr 2003 ermittelte der Wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses, dass die Steuerzahler bereits mit 14-16 Mrd. US$ in Haftung genommen würden, wenn 50 % der Baukosten für die nun geplanten 6-8 neuen Reaktoren über Kredite finanziert würden. [228] Die Haushaltskontrolle des Kongresses sagte voraus, die Kredite der beteiligten Unternehmen würden mit einer Wahrscheinlichkeit von “weit über 50 %” nicht bedient werden können. Durch den Verkauf der Anlagen würden sich die Verluste der Öffentlichen Hand dann allenfalls auf 25 % der Bürgschaftssumme begrenzen lassen. [229]
Die US-Umweltbehörde schätzt den Subventionseffekt der Staatsbürgschaften auf fast 40 % der Stromkosten. [230]
Ein neues kommerziell kalkuliertes AKW mit 100 % Kreditbürgschaft und einem Eigenkapitalanteil von 20 % würde bis zu 39 % der durchschnittlichen Stromkosten einsparen gegenüber einem normalen 50:50-Verhältnis von Eigen-zu Fremdkapital.
Es gibt eine Deckelung hinsichtlich der Reaktortypen und der Zahl der Blöcke, die für eine Förderung durch Staatsbürgschaften vorgesehen sind. Die Haushaltskontrolleure des Kongresses erklärten:
Das Energieministerium hat darauf hingewiesen, dass Bürgschaftsanträge abgelehnt werden, die sich auf nicht als innovativ zu betrachtende Reaktortypen beziehen (gemeint sind Reaktortypen, die nicht bereits in den Vereinigten Staaten gebaut werden) bzw. auf Reaktorlinien, die sich bereits als unwirtschaftlich erwiesen haben. Ein neuer Reaktortyp, von dem drei Blöcke errichtet worden sind, kann nicht mehr als innovativ eingestuft werden. [231]
Wenn nun von jedem der jetzt ins Auge gefassten fünf Reaktortypen je drei Exemplare errichtet würden, dann kämen insgesamt 15 Reaktoren für staatliche Bürgschaften in Betracht. Zwar stehen Stromversorger für diese Förderwohltaten Schlange, und sie haben für 30-40 Kraftwerke mehr oder weniger weit gediehene Planungen auf den Reißbrettern, aber es werden wohl nur Projekte realisiert, für die auch Staatsbürgschaften erhältlich sind. Für das Haushaltsjahr 2008/9 bewilligte der Kongress 42,5 Mrd. US$ an Bundesbürgschaften für innovative Kraftwerkstechnologien; davon sind 18,5 Mrd. US$ für AKW bestimmt, und 2 Mrd. US$ für Brennstoffversorgung, Urananreicherung, etc. [232] Sollte die neue Administration Obama daran interessiert sein, von den angekündigten 30-40 Reaktorprojekten tatsächlich einige bauen zu lassen, dann werden die bewilligten 18,5 Mrd. US$ nicht weit reichen.
Nehmen wir an, ein neues AKW koste nicht mehr als 7-9 Mrd. US$, und die Stromwirtschaft könne es durchsetzen, dass 80 % dieser Kosten (verglichen mit ursprünglich 80 % der benötigten Schuldenaufnahme) über Bundesbürgschaften abgesichert werden, dann sind allein für die 15 “innovativen” Reaktoren schon an die 100 Mrd. US$ an Bürgschaften fällig. Wenn 80 % der benötigten Kredite vom Staat verbürgt werden und dieses Kreditvolumen mit, sagen wir, 4 % verzinst wird, und 20 % der Kredite mit 9 %, dann ergibt das einen „WACC“-Zins von 5 %. Um die 35 Reaktorblöcke zu bauen, für die bereits Genehmigungsanträge gestellt sind, wären dann 230 Mrd. US$ an Bürgschaften erforderlich. Die EVUs hoffen, dass die Bürgschaften für die übrigen 20 % der Gesamtkosten von den japanischen und französischen Regierungen getragen wird. Dies sind die Länder aus denen die Reaktorbauer stammen. In den USA ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die EVUs einen „signifikanten“ Aktivanteil vorweisen müssen. Ob die EVUs die Regierung davon überzeugen können, diese Regelung zu vergessen und statt dessen französische oder japanische staatliche Bürgschaften zu akzeptieren, wird sich zeigen müssen. Bis Oktober 2008 hatten 17 Energieversorger für nur 21 neue AKW-Projekte bereits Bürgschaften im Wert von insgesamt 122 Mrd. US$ beantragt. [233] Wenn aber, wie Standard & Poor’s vermutet [234] , die Kapazitäten an Fachpersonal und Knowhow gar nicht ausreichen, um mehr als nur “einige” neue Blöcke pro Jahr in den USA zu errichten, dann entfiele natürlich der Bedarf an einem derart hohen Bürgschaftsvolumen.
Inzwischen wird immer wahrscheinlicher, dass der ESBWR-Reaktortyp zugunsten des ABWR aufgegeben wird. Weil sich für den ABWR aber nur noch ein potentieller Bauherr interessiert hat, werden am Ende vielleicht nur noch zehn Projekte übrigbleiben für die Bundesbürgschaften infrage kommen. Dies wird das benötigte Bürgschaftsvolumen bis auf unter 60 Mrd. US$ verringern.
Einzelheiten der Finanzierung dieses Projekts sind nicht veröffentlicht, doch haben die European Renewable Energies Federation (EREF) und Greenpeace im Dezember 2004 unabhängig voneinander bei der Europäischen Kommission Beschwerden eingereicht, wegen des Verdachts, die Finanzierung verstoße gegen die EU-Regeln über Staatssubventionen. Erst im Oktober 2006 begann die Kommission mit der Bearbeitung der Beschwerden, und bereits im September 2007 legte sie den Fall zu den Akten. Laut EREF war es die Bayerische Landesbank (BLB, im Eigentum des Landes Bayern), unter deren Federführung mit Beteiligung von Handelsbanken, Nordea, BNP Paribas and J.P. Morgan der Großteil der Kredite finanziert wurde. Das Kreditvolumen beläuft sich auf 1,95 Mrd. Euro, etwa 60 % der Gesamtkosten, zum bemerkenswert niedrigen Zinssatz von 2,6 %.
Zwei Exportversicherungen waren ebenfalls beteiligt: die französische Coface mit einer Kreditgarantie für die von AREVA gelieferten Komponenten in Höhe von 610 Millionen Euro, und die schwedische Ausfuhrkreditagentur SEK mit 110 Millionen Euro. Dies ist wie gesagt merkwürdig, denn Bürgschaften für Exportkredite werden in der Regel nur für Exporte in Entwicklungsländer mit labilen Wirtschaftsverhältnissen gewährt. Zu dieser Kategorie zählt Finnland nicht.
Südafrika bemüht sich seit zehn Jahren um die Kommerzialisierung der Reaktortechnologie des Pebble Bed Modular Reactor (PBMR), zu deutsch: Modularer Kugelhaufen-Reaktor. Doch mit dieser Entwicklung ging es nur langsam voran, sodass der staatliche südafrikanische Stromkonzern ESKOM „konventionellen“ AKW-Varianten den Vorzug gab, entweder dem EPR der AREVA NP oder dem AP.1000 von Westinghouse. ESKOM hat ein Budget von 343 Mrd. Rand (34 Mrd. US$) für die Errichtung von 16 GW neuer Kohle-und Atomkraftwerke bis 2017. Längerfristig ist der Bau von 20 GW AKW-Kapazität bis 2025 vorgesehen. Das Budget reicht bei Baukosten von 5 000 US$/kW höchstens für die Errichtung von 7 GW neuer atomarer Stromkapazitäten. Eskom hat ein weiteres Problem: Seine nachlassende Bonität, die von Moody’s im August 2008 auf Baa2 [235] herabgestuft wurde. Im November 2008 schließlich gab Eskom sich geschlagen und zog seine Ausschreibung wegwen der immensen Investitionshöhen zurück. Und dies, obwohl Coface Exportkredit-Bürgschaften angeboten hatte [236] und trotz AREVA’s Zusicherung, man könne für 85 % der Finanzierung sorgen. [237] Im Februar 2009 ließ Eskom auch den Plan fallen, Reaktoren des PBMR-Typs bauen zu lassen. [238] Engineering News meldete, dies sei durch das Bonitätsproblem der ESKOM verursacht:
Die Rating-Agentur Standard & Poor’s erklärte am Donnerstag, das südafrikanische Schatzamt müsse unverzüglich und bedingungslos Bürgschaften für sämtliche Schulden der ESKOM übernehmen, um das gegenwärtige Credit-Rating der ESKOM von „BBB+“ zu halten. Eine Stellungnahme des Schatzamts der Regierung zu den Details einer solchen Regelung steht noch aus. [239]
Man sieht also, dass Kreditbürgschaften zwar die Anlagenhersteller vor einem Bankrott des auftraggebenden Energieversorgers schützen und günstigere Kreditkonditionen ermöglichen, dass sie aber nichts zum Schutz des Energieversorgers vor einer Pleite beitragen. Wenn die Kreditaufnahme das Credit-Rating des Energieversorgungsunternehmens gefährdet, dann werden auch Kreditbürgschaften nicht ausreichen, das Signal auf Grün zu stellen.
Es gab Spekulationen darüber, dass die französische und die japanische Regierung staatliche Kreditbürgschaften für in den USA gebaute AKWs aus der Fertigung ihrer in USA aktiven Anlagenbauer übernehmen könnten. [240] AREVA NP ist in der Tat ein sehr französisches Unternehmen, gehört es doch mehrheitlich dem Staat. [241] Man hat schon gesehen, dass sich Frankreichs Regierung durch ihre Agentur Coface Kredite zugunsten AREVA’s verbürgt, zum Beispiel für Lieferungen an China, Finnland und Südafrika. [242]
Die japanische Regierung ist auf dem Gebiet der Förderung von Anlagenexporten ihrer Anlagenbauer weniger erfahren. Obwohl es ein großes japanisches Atomenergieprogramm gibt, und obwohl Japan einen umfangreichen Export atomtechnischer Anlagenteile betreibt, wäre dies der erste Fall, in dem sich japanische Auftragnehmer darum bemüht haben, als Konsortialführer Lieferaufträge aus dem Ausland einzuwerben. Japanische Anbieter sind an vier der fünf Reaktortypen beteiligt, die gegenwärtig in den USA in der engeren Wahl sind – der französisch-deutsche EPR ist der fünfte. Mitsubishi tritt mit einer hauseigenen Variante auf, dem USAPWR. Hitachi hat mit GE eine Arbeitsgemeinschaft zur Vermarktung des ESBWR und vielleicht auch des ABWR gebildet. Westinghouse offeriert den AP1000, gehört aber jetzt zu Toshiba, wenn auch mit überwiegender Fertigung in den USA. Toshiba offeriert außerdem den ABWR. Standard & Poor’s vermutet, die japanische Regierung werde die Finanzierung von Auslandsaufträgen an japanische Anbieter über die Bank für Internationale Zusammenarbeit absichern.
Japan hat am 1. Oktober 2008 die “Japan Finance Corp.” gegründet, um AKW-Projekte in Entwicklungsländern zu finanzieren. [243] Solche Garantien könnten bestehende Förderangebote der USA ergänzen und den Bedarf an Kreditbürgschaften der US-Regierung reduzieren.
Im Allgemeinen werden Export-Kredit-Agenturen dazu genutzt, finanzielle Risiken – und deshalb Kosten – von Grosstechnologieexporten zu mindern. Dies traf in der Vergangenheit und trifft heute für Atomtechnologie zu. Die US EXIM Bank hat z.B. zwischen 1959 und 1993 7,7 Mrd. US$ für Ausfuhren von Nukleargütern bereitgestellt und in Kanada hat die Export Development Corporation über die letzten 50 Jahre die Finanzierung von Reaktorverkäufen nach Indien, Pakistan, Südkorea, Argentinien, Rumänien und China ermöglicht. Ähnliche Förderung ist den deutschen Reaktorbauern zuteil geworden.
Es gibt Probleme hinsichtlich der OECD-Vereinbarung über Exportkredite, des “Arrangement on Guidelines for Officially Supported Export Credits” von 1978. Dabei handelt es sich um ein “Gentlemen’s Agreement”, nicht um eine offizielle Regelung. Darin wird die Handhabung spezifischer Handlungsfelder, namentlich für atomtechnische Ausrüstungen, Atommaterial und atomtechnische Dienstleistungen geregelt. Die Regelung sieht eine Tilgungszeit von 15 Jahren für Exportkredite vor – drei Jahre mehr als für andere Exportgüter – aber nach Meinung der interessierten Parteien nicht lang genug für das AKW-Exportgeschäft. [244] Die Teilnehmer an der Vereinbarung wollten sich eigentlich im November 2008 in Paris treffen; es ist aber nicht bekannt geworden, ob das Treffen stattgefunden hat und gegebenenfalls mit welchen Ergebnissen.
Die Gewährung staatlicher Bürgschaften für einen Einzelfall wie Olkiluoto-3, mit denen ein Markt für französische Exporte erschlossen werden sollte, mögen aus der Sicht französischer und japanischer Steuerzahler noch hinnehmbar sein. Werden solche Exportanreize aber zur Vorbedingung jeglicher Exportaufträge, dann liefe das auf einen vom Steuerzahler ausgestellten Blankoscheck hinaus. Sollte das Projekt Olkiluoto-3 eine Zahlungsunfähigkeit verursachen, oder das Büro für Haushaltskontrolle des US-Kongresses zu der Einschätzung gelangen, dass das Risiko des Verlustes gewährter Kredite tatsächlich bei „weit über 50 %“ liegt, dann gelten AKW-Kreditbürgschaften künftig als hochriskant.
Die scheinbare Absicherung durch die Klausel “Schlüsselfertig” spielte beim Zuschlag des Olkiluoto-Auftrags an AREVA NP und auch für die Erteilung französischer und schwedischer Staatsbürgschaften eine wichtige Rolle. Aber es war doch verwunderlich, dass AREVA NP dermaßen verzweifelt hinter diesem Auftrag her war, dass man sogar das hohe finanzielle Risiko dieser Klausel auf sich nahm. Seit der ersten kommerziellen Auftragswelle schlüsselfertig zu liefernder Atomkraftwerke in den USA in den Jahren 1964-66 hat es nur wenige (oder gar keine) solche Vertragsklauseln für schlüsselfertig zu übergebende Kraftwerke gegeben. [245] . Jene frühen Verträge haben die Hersteller viel Geld gekostet, wenn sie auch eines ihrer Ziele erreichten, nämlich die Auftraggeber davon zu überzeugen, dass die Atomtechnologie kaum anspruchsvoller sei als Kohlekraftwerkstechnik und bereits als bewährt gelten konnte. Aber Verträge über schlüsselfertige Übergabe sind für die Hersteller von AKW viel riskanter als bei anderen Kraftwerken, weil ein so großer Anteil der ingenieur- und bautechnischen Arbeiten erst auf der Baustelle erfolgt, ein nur sehr schwierig zu kontrollierender Prozess. Auch die Qualitätskontrolle vor Ort ist nicht einfach, weil es so viele Subunternehmer gibt.
Standard & Poor’s stellten in einem kürzlich veröffentlichten Bericht eindeutig fest, dass es keine schlüsselfertigen AKW-Lieferverträge (mehr) geben werde.
Wir rechnen nicht mehr damit, dass umfassende AKW-Aufträge über Herstellung, Lieferung und Montage („EPC“), künftig noch durch Klauseln über Festpreise und feste Liefertermine abgesichert werden. [246] Leitende AREVA-Vertreter haben ebenfalls hinter vorgehaltener Hand erklärt, dass es nach Olkiluoto keine Festpreisangebote mehr geben wird.
Die AKW-Verfügbarkeit ist ein oft übersehenes Element der Fixkostengleichung. Die Anlagenhersteller sind immer von hohen Verfügbarkeiten ausgegangen. Ein Maß für die Verfügbarkeit und für die Eignung von AKW als marktgerechte Stromquelle ist der Kapazitätsfaktor bzw. die Auslastung. Dieser Faktor wird in Prozent jener Leistung berechnet, die bei maximalem, ununterbrochenem Betrieb zur vollen Auslegungskapazität über einen gegebenen Zeitraum tatsächlich erreicht wurde. [247]
Eine hohe Auslastung erhöht die Wirtschaftlichkeit eines AKW, weil die hohen Fixkosten dann auf ein höheres Stromaufkommen verteilt werden. Außerdem ist die Leistung der AKWs nur begrenzt regelbar. Häufige Betriebsunterbrechungen oder Lastschwankungen beeinträchtigen die Funktionalität und Lebensdauer von Komponenten. Demgemäß werden AKWs nach Möglichkeit kontinuierlich “mit voller Kraft” (in der “Grundlast”) gefahren. Nur in wenigen Ländern wie Frankreich, wo AKWs einen großen Anteil an der Stromerzeugung haben, ist dies nicht möglich. Anders als bei den Baukosten sind bei der Auslastung genaue Aussagen möglich, weil sie präzise registriert werden und die Auslastungszahlen regelmäßig in der Fachpresse wie z.B. Nucleonics Week und Nuclear Engineering International publiziert werden.
Ähnlich wie bei den Baukosten, ist manchen Ländern die Auslastung der laufenden Atomkraftwerke schlechter als vorhergesagt. Anbieter und Förderer dieser Technologie gingen davon aus, dass AKWs eine sehr hohe Verfügbarkeit haben würden - mit der einzigen Ausnahme der Auszeiten für Wartung und Neubeladung des Reaktorkerns. Einige Reaktortypen wie der AGR und CANDU, die während des Betriebs kontinuierlich nachgeladen werden können, müssten sogar nur für Wartungsarbeiten heruntergefahren werden, sodass sich Auslastungen von 85 – 95 % ergeben würden. Die Betriebserfahrungen entsprachen aber meist nicht diesen Erwartungen. Für das Jahr 1980 ergab eine statistische Erhebung der weltweiten Betriebserfahrungen mit kommerziellen AKWs eine Auslastung von nur 60 %. Was das für die Wirtschaftlichkeit der Atomenergie bedeutet, erhellt folgende Betrachtung: Wenn die Fixkosten bei einer Auslastung von 90 % zwei Drittel der gesamten Produktionskosten pro kWh ausmachen, dann würden sich die Kosten bei 60 %iger Auslastung um ein Drittel erhöhen. Ist die geringe Auslastung auf technisches Versagen einzelner Reaktorkomponenten zurückzuführen, dann erhöht sich der Kostenaufwand für Betrieb und Wartung zusätzlich.
In den späten 80er Jahren hat sich die AKW-Industrie verstärkt um das Betriebsverhalten der Anlagen bemüht. Es gelang, die Auslastung im weltweiten Durchschnitt auf 80 % zu erhöhen. In den USA wurde 2008 eine durchschnittliche Auslastung des Reaktorparks von 90 % erreicht, während die Auslastung 1980 nur 60 % betragen hatte. Über die gesamte bisherige Laufzeit aller Reaktoren in den USA lag die Auslastung im Schnitt bei nur 70 %.
Nur sieben der weltweit noch betriebenen 414 Reaktoren mit einer Mindestlaufzeit von mindestens einem Jahr und ordnungsgemäßer Betriebsstatistik meldeten eine Auslastung von über 90 %, bezogen auf die gesamte bisherige Laufzeit, und nur die 100 „besten“ erreichten eine Auslastung von über 80 %. Es ist interessant, dass die “besten” 13 Reaktoren in nur drei Ländern zu finden sind: 6 in Südkorea, 5 in Deutschland und 2 in Finnland. Das lässt vermuten, dass das Betriebsverhalten der Anlagen ebensoviel mit den Fähigkeiten des Managements und des Betriebspersonals zu tun hat wie mit der Technologie und den Herstellern bzw. Lieferanten der Anlagen.
Neue Reaktoren mögen hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit zu den Top-2 % auf der Bestenliste gehören, wie von Branchenvertretern vorhergesagt wird. Es könnte aber auch anders kommen: Ähnlich wie bei den Reaktoren der frühen AKW-Ära können „Kinderkrankheiten“ auftreten. Die Erfahrungen mit der französischen „N4“-Baulinie Ende der neunziger Jahre sind besonders ernüchternd. Die vier Blöcke dieser Bauart benötigten zwischen 6 und 12 Jahre Bauzeit. Eine ganze Serie technischer Probleme versuchte eine Ausdehnung des Versuchsbetriebs, normalerweise wenige Monate, auf 29 – 49 Monate. Die Verfügbarkeit in diesem Zeitabschnitt noch vor der kommerziellen Inbetriebnahme war dürftig, und während der ersten vier Betriebsjahre betrug sie nur 46 %.
Bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen fällt die Verfügbarkeit während der ersten Betriebsjahre, wenn solche Kinderkrankheiten vermehrt auftreten, wegen der Diskontierungseffekte im Vergleich zu späteren Betriebsjahren besonders ins Gewicht. Das Problem potenziert sich noch, wenn bereits im Voraus feste Stromlieferverträge abgeschlossen wurden, sodass bei Bauverzögerungen Ersatzstrom auf dem Spotmarkt beschafft werden muss. In späteren Betriebsjahren kann die Produktivität durch Abnutzung von Anlagenkomponenten und deren Austausch beeinträchtigt werden, auch durch sicherheitsbedingte Nachrüstungsauflagen, doch solche späten Ertragsminderungen fallen wegen fortschreitender bzw. vollständiger Abschreibung nicht mehr sonderlich ins Gewicht.
Betriebskosten setzen sich aus Betriebs-und Managementkosten und Brennstoffkosten zusammen. Die reinen Betriebs-und Managementkosten werden bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Atomenergie meist kaum beachtet. Wie wir weiter unten zeigen werden, sind die Brennstoffkosten relativ gering und recht gut kalkulierbar. Doch ist die Annahme niedriger Betriebskosten in den späten achtziger und den frühen neunziger Jahren widerlegt worden, als eine Anzahl von AKWs in den USA stillgelegt wurden, gerade weil die laufenden Betriebskosten (ohne Kapitaldienst) sich als höher erwiesen als die Bau-und Betriebskosten von Ersatzkapazitäten auf Erdgasbasis. Es hatte sich herausgestellt, dass die nicht brennstoffbezogenen Betriebskosten im Schnitt höher als 22 US$/MWh waren, bei Brennstoffkosten von 12 US$/MWh. [248] Erst große Anstrengungen bis Mitte der 90er konnten die reinen Betriebskosten auf 12,5 US$/MWh und die Brennstoffkosten auf 4,50 US$/MWh herunterbringen.
Diese Kostenminderung war jedoch überwiegend eine Folge von gesteigerten Reaktor-Verfügbarkeiten und nicht realer Kostenreduzierung. Einige größere Nachrüstungsarbeiten (z.B. Dampferzeugeraustausch) werden als „Nettokapitalerweiterungen“ kategorisiert und finden sich in Wertsteigerung wieder, anstatt in erhöhten Betriebskosten. Anders als in anderen industriellen Produktionsbereichen sind die Betriebskosten bei AKW überwiegend fixe Kosten. Der Aufwand an Löhnen und Gehältern und an Wartungskosten ist vom Stromertrag weitgehend unabhängig. Und wie es mit Fixkosten eben ist: Je höher der Ertrag, desto geringer die Fixkosten pro MWh. Die Gefahr verfrühter AKW-Schließungen aus Wirtschaftlichkeitsgründen ist inzwischen weitgehend beseitigt, denn hinsichtlich ihrer Grenzkosten produzieren die Reaktoren den Strom jetzt zu Niedrigkosten.
Das Unternehmen British Energy hingegen, das seine acht AKW bei seiner Gründung praktisch zum Nulltarif übernommen hat, wurde im Jahr 2002 insolvent, weil die Stromerlöse kaum die Betriebskosten deckten.
Jahr | Ertrag (TWh) | Betriebskosten (£/MWh) | Durchschnittl Erlös (£/MWh) |
---|---|---|---|
1997/98 | 66,7 | 19,8 | 26,3 |
1998/99 | 69,1 | 19,9 | 26,4 |
1999/00 | 63 | 19,9 | 25,7 |
2000/01 | 63,5 | 18,7 | 21,7 |
2001/02 | 67,6 | 16,7 | 20,4 |
2002/03 | 63,8 | 18,6 | 18,3 |
2003/04 | 65 | 16,5 | 16,9 |
2004/05 | 59,8 | 20,5 | 20,4 |
2005/06 | 60,4 | 22,8 | 32 |
2006/07 | 51,2 | 27,1 | 44,2 |
2007/08 | 50,3 | 30 | 40,7 |
2008/09 (Erste Hälfte) | 19,2 | 41,3 | 47,2 |
Das lag teilweise an hohen Brennstoffkosten und vor allem an den hohen Kosten der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente, die nur noch in Großbritannien und in Frankreich praktiziert wird. British Energy hat zu einem späteren Anlass eingeräumt, dass zu jener Zeit die Mittel nicht ausreichten, um die Anlagen vorschriftsmäßig zu warten. [249] Die durchschnittlichen Betriebskosten einschl. Brennstoff schwankten in den Jahren 1997-2004 für alle acht AKW zwischen 16,5 £/MWh und 20,0 £/MWh. Bis 2008 hatten sie sich verdoppelt, und in den ersten sechs Monaten des Haushaltsjahrs 2008/9 waren die Betriebskosten einschl. Brennstoff auf 41,3 £/MWh gestiegen, zweieinhalb mal so hoch wie nur fünf Jahre vorher (siehe Tabelle 5). Die Ursache war die niedrige Produktivität einiger Blöcke. Nur die seit 2005 rapide gestiegenen Großhandelspreise für Strom konnten verhindern, dass British Energy in noch größere Schwierigkeiten geriet als 2002. Inzwischen hat ein ebenso rapider Preisverfall an den Strommärkten eingesetzt. Für EDF, seit 2008 die neue Eigentümerin von British Energy, könnte ihre britische Adoptivtochter noch zu einem Sorgenkind werden.
Für die Betriebskosten der britischen AKW existiert eine vollständige und verlässliche Datenbasis: Der ausschließliche Unternehmenszweck ist eine effiziente Strombereitstellung, es gibt also keine Möglichkeit, Kosten zu “verstecken”. Die Tatsache, dass sieben der acht britischen AKW zu einer britischen Baulinie gehören, die sonst nirgendwo gebaut wurde, mag die ermittelten Betriebskosten weniger repräsentativ für den weltweiten AKW-Betrieb erscheinen lassen. Das einzige andere Land, in dem ebenfalls verlässliche Zahlen für die Betriebskosten vorlagen, ist die USA. Die US-Daten für die Betriebskosten waren in den Angaben enthalten, die regelmäßig den Strompreis-Aufsichtsbehörden auf einzelstaatlicher und Bundesebene zu melden sind. In einigen Fällen sind aber die Strommärkte für den Wettbewerb geöffnet worden. In diesen Fällen verweisen die Betreiber auf ihr Betriebsgeheimnis und halten die Daten nun unter Verschluss. Für nur noch 34 der 65 Atomkraftwerke in den USA (die Zahlen pro Reaktorblock werden nicht gesondert ausgewiesen) werden weiterhin die Betriebskosten ausgewiesen, aber das ist schon eine ausreichend repräsentative Datenbasis. Im Jahr 2007 betrugen demnach die durchschnittlichen Betriebskosten ohne Brennstoff für diese 34 AKW 13,97 US$/MWh und 18,81 US$/MWh einschl. Brennstoff. Die Zahlen aus dem Vorjahr zum Vergleich: 13,59 US$/MWh bzw. 18,18 US$/MWh. [250] Dieser erhebliche Unterschied zu den Betriebskosten der britischen AKW erklärt sich zum einen aus höheren Brennstoffkosten und zum anderen aus der höheren Auslastung der US-Anlagen. Wir werden noch zeigen, dass die US-Brennstoffkosten künstlich niedrig erscheinen, weil die Behörden den AKW-Betreibern die Verantwortung für die Entsorgung für eine feste Gebühr von 1 US$/MWh abnehmen, ein Betrag, der die tatsächlichen Entsorgungskosten keinesfalls deckt. In Großbritannien werden abgebrannte Brennstäbe größtenteils wiederaufgearbeitet, zu sehr viel höheren Kosten als die einer direkten Lagerung: das hat insgesamt höhere Brennstoffkosten zur Folge, als in Ländern, in denen nicht wiederaufgearbeitet wird. Die höhere Auslastung der US-Reaktoren von über 92 % (2007) erlaubt es zudem, die Betriebskosten auf ein viel größeres Stromvolumen zu verteilen als im Vereinigten Königreich, wo die durchschnittliche Auslastung unter 70 % lag. Wir schließen daraus, dass die Betriebskosten (außer Brennstoff) bei den US-AKW in etwa denen bei den britischen AKW entsprechen – zumindest bis zu der dramatischen Steigerung der britischen Kosten nach 2005. In anderen Ländern wird auf niedrigere Betriebskosten verwiesen. Das lässt sich aber nicht anhand veröffentlichter Daten nachprüfen und muss deshalb mit Vorbehalt aufgenommen werden.
Die Brennstoffkosten sind gefallen, da seit Mitte der 70er Jahre der Weltmarktpreis für Uran niedrig war. In den letzten Jahren ist der Uranpreis wieder gestiegen und hat sich 2006 mehr als verdoppelt. Die höheren Urankosten schlagen sich in höheren Brennstoffkosten für Reaktoren nieder, auch wenn ein hoher Kostenanteil des Reaktorbrennstoffs auf die Uranaufbereitung und –anreicherung entfällt und der Einfluss des Rohstoffpreises dadurch begrenzt bleibt.
Die durchschnittlichen Brennstoffkosten für Reaktoren in den USA betragen ungefähr 5,0 US$/MWh. Das sind eigentlich subventionierte Kosten, denn die US-Regierung übernimmt, wie gesagt, die Entsorgung der abgebrannten Brennelemente gegen Zahlung einer Entsorgungspauschale von 1 US$/MWh; außerdem gibt es eine Preisentlastung beim Uran durch einen Nebenmarkt: aus Russland stammendes hochangereichertes Uran wird mit abgereichertem Uran gestreckt und billiger verkauft als original niedrig angereichertes Uran. Die Entsorgungspauschale ist vor über zwei Jahrzehnten willkürlich festgesetzt worden. Sie wird zwar periodisch auf ihre Angemessenheit überprüft, doch sind nirgendwo auf der Welt irgendwelche realen Entsorgungsanlagen in Betrieb. All das abgebrannte Reaktoruran bleibt in provisorischer Verwahrung, bis eines Tages ein Endlager gebaut ist. Dieses sollte am Yucca-Gebirge in Nevada entstehen, doch die Obama-Regierung hat dieses Projekt de facto gestoppt und finanziert nur noch wenige Forschungs-und Entwicklungsarbeiten.
Brennstoffkosten sind nur ein kleiner Anteil der Kosten für Atomenergie. Die abgebrannten Brennelemente schaffen Probleme beim Versuch einer Wirtschaftlichkeitsrechnung. Eine Wiederaufarbeitung ist teuer und trägt wenig zur Entsorgung bei. Die Wiederaufarbeitung teilt den abgebrannten Brennstoff eigentlich nur in verschiedene Bestandteile auf und kann weder die Menge der Radioaktivität des Abfalls reduzieren noch die darin enthaltene Abwärme. Die Wiederaufarbeitung erzeugt sogar ein großes Volumen zusätzlichen Abfalls mit niedriger und mittlerer Radioaktivität, weil die gesamte technische Anlage und die bei der Wiederaufarbeitung eingesetzten Materialien ebenfalls zu radioaktivem Abfall werden. Ein früherer Wiederaufarbeitungsvertrag zwischen der alten British Energy (vor ihrem Zusammenbruch) umfasste Berichten zufolge einen Auftragswert von jährlich etwa 300 Mio. £ pro Jahr, was sich annähernd mit 5 £/MWh niederschlägt. Ein neuer Vertrag soll der British Energy etwa 150-200 Mio. £ pro Jahr einsparen helfen, was natürlich nur möglich ist, wenn die Verluste der Wiederaufarbeitungsanlage vom Staat getragen werden, sie aber wenigstens betriebsfähig ist (was im Moment nicht der Fall ist). Die Kosten der Entsorgung hochradioaktiven Abfalls lassen sich kaum ermitteln, da es keine Anlagen hierfür gibt und auch keine in Bau sind. Jede Kostenschätzung ist deshalb mit einer hohen Fehlerbandbreite behaftet.
Definitive Stilllegungskosten lassen sich nur schwer veranschlagen, weil mit der Stilllegung kommerzieller AKW bisher kaum Erfahrungen vorliegen. Die endgültige Entsorgung, besonders die des mittel-und hochradioaktiven Abfalls, ist ähnlich ungewiss, macht aber sehr wahrscheinlich einen Großteil der erwarteten Stilllegungskosten aus. Aber selbst Planungen, deren Finanzierung im Bedarfsfall gesichert scheint, werden für die Wirtschaftlichkeit der Atomenergie keine entscheidenden Auswirkungen haben. Wenn die Betreiber zum Beispiel bei Betriebsbeginn eines AKW einen abgezinsten Betrag als Rückstellung für die spätere Stilllegung der Anlage beiseitelegen müssten, dann würde dies nur einen etwa 10 %igen Zuschlag zu den Baukosten eines AKW ausmachen. Ein Rückstellungsfonds von British Energy, der nicht für eine erste Phase von Stilllegungsarbeiten gedacht war, erforderte Einzahlungen von weniger als 20 Mio. £ pro Jahr, und das entsprach einem Kostenbeitrag von nur etwa 0,3 £/MWh.
Probleme gibt es erst, wenn die Kosten gleich am Anfang zu niedrig angesetzt werden, oder die Rückstellungen verloren gehen, oder der Betreiber insolvent wird, bevor das Kraftwerk das Ende seiner Laufzeit erreicht hat. All das ist aber im Vereinigten Königreich geschehen. Die ursprünglich angesetzten Stilllegungskosten für die erste Generation britischer AKW haben sich real über die letzten beiden Jahrzehnte vervielfacht. Als 1990 der staatliche Betreiber CEGB privatisiert wurde, ist der CEGB-Kontenrahmen für Rückstellungen aus den Erlösen des Stromverkaufs nicht an das Nachfolgeunternehmen Nuclear Electric weitergereicht worden. Ein Zuschuss, der eigentlich nach Aussage von Michael Hezeltine [251] , Präsident des Board of Trade im britischen Handels-und Industrieministerium, als Rückstellungsbeitrag der Jahre 1990-96 für die Stilllegung „alter, unsicherer Atomkraftwerke“ gedacht war, wurde vom neuen Betreiber einfach in den Barbestand integriert und ausgegeben. Der Bankrott von British Energy hat zur Folge, dass ein Großteil der Stilllegungskosten ausgedienter AKW von zukünftigen Steuerzahlern getragen werden muss.
Eines der Merkmale der AKW der Baulinie “GenerationIII/III+” ist ihre Auslegung für eine Laufzeit von etwa 60 Jahren, während die Vorgänger-Reaktoren für etwa die Hälfte dieser Laufzeit ausgelegt sind. Bei einer Kraftwerkstechnik, die sich durch hohe Fixkosten auszeichnet, sollte man eigentlich meinen, dass eine Verdoppelung der gesamten Laufzeit die spezifischen Betriebskosten pro kWh erheblich reduzieren würde; das trifft aber nicht zu. Bankkredite müssen innerhalb von 15-20 Jahren getilgt werden. In einer abgezinsten Cashflow-Kalkulation haben Kosten und Erträge in der Vorausberechnung von mehr als 10-15 Jahren kein großes Gewicht mehr. Staatliche Kreditbürgschaften wie zum Beispiel diejenigen der US-Regierung haben u.a. den großen Vorteil, dass ihre Laufzeit bis zu 30 Jahren betragen kann.
Es gibt eine Tendenz zur Laufzeitverlängerung bestehender AKW. Reaktoren des Druckwasserreaktor-Typs werden für verlängerte Laufzeiten von über 40 Jahren für geeignet gehalten -trotz ihrer ursprünglichen Auslegung für lediglich etwa 30 Jahre. Laufzeitverlängerungen können erhebliche Ersatzinvestitionen u. a. für ausgediente Großkomponenten wie Dampferzeuger oder Druckbehälterdeckel sowie Nachrüstungen zur Erhöhung der Reaktorsicherheit erfordern. Der gesamte Reaktorbestand der USA stammt von Bauaufträgen der Jahre 1963-73, einer Zeit, deren Technologiestandards mit denen von heute kaum noch zu vergleichen sind.
Trotz solcher Zusatzinvestitionen scheinen Laufzeitverlängerungen in den USA aus der EVU-Perspektive eine ökonomisch sinnvolle Option, die von vielen AKW-Betreibern deshalb auch vielfach verfolgt wird. Ob diese Auffassung sich als richtig erweisen wird oder ob hohe und vielleicht prohibitive Nachrüstungen notwendig werden, um die Anlagen in korrektem und genehmigungsfähigen Zustand zu halten, wird sich zeigen müssen.
Hinsichtlich der Kapitalkosten ist eine Laufzeitverlängerung (PLEX) viel billiger als ein Neubau. Einige Kostenberechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass die durchschnittlichen Kosten von PLEX nur 10.50 $/kW ausmachen; die Neuinvestition für ein Erdgaskraftwerk betragen ca. 400-500 $/kW. Im Fall des AKW Duke Power in den USA schätzt der Betreiber die Kosten zur Erlangung einer Laufzeitverlängerung sogar auf nur 4-6 $/kW. [252] Überdies dürfte der Rückstellungsfonds für die Stilllegung am Ende des Verlängerungszeitraums hinreichend angefüllt sein, um einen großen Teil der Betriebskosten durch die freiwerdenden überschüssigen Rückstellungen abzudecken.
Hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeitsrechnung bleiben AKW-Projekte von den Baukosten, den Kapitalkosten und den Bauzeiten abhängig. Die Branche wünscht von den Regierungen nach wie vor Unterstützung, vor allem durch Kreditbürgschaften und Verkürzung der Genehmigungsverfahren. Die politischen Entscheidungsträger müssen sich darüber klar sein, dass durch derartige Gunstgewährungen zusätzliche Haftungstatbestände geschaffen werden können, und dass alternative Energiequellen durch solche Mittelbindung benachteiligt werden.
Neue AKW-Projekte scheinen überwiegend dort möglich, wo die Stromversorgung staatlichen Kontrollen unterliegt oder wo die jeweilige Regierung bereit ist, einige oder alle Risiken zu übernehmen. Die geringe Zahl realer AKW-Neubauten beweist, dass die ewigen Sorgen über die Wettbewerbsfähigkeit und Zeitverzögerungen beim Reaktorbau fortbestehen. Kostenvoranschläge, so überaus wichtig sie in mancherlei Hinsicht und für Trendanalysen auch sein mögen, sind nach wie vor ein wenig zuverlässiger Indikator für die wirklichen Kosten. Sie erlauben konsistente Kostenvergleiche innerhalb räumlicher und zeitlicher Paradigmen nur unter Schwierigkeiten. Nach wie vor ist die Bereitschaft von Regierungen, den Investoren die langfristigen strukturell bedingten Risiken der Atomenergie, vor allem die Unfallhaftung und die Entsorgung, abzunehmen, eine essentielle Vorbedingung für die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Atomenergie.
Die Wirtschaftlichkeit einzelner AKW hängt stark von den Eigentumsverhältnissen und sonstigen Rahmenbedingungen ab. Ein Energieversorgungsunternehmen mit hoher Bonität kann bei vorhandenem politischen Konsens zugunsten der Atomenergie weiter nach Belieben AKW errichten und betreiben, vorausgesetzt, es existiert ein traditionelles Stromversorgungsmonopol und die Aufsichtsbehörden sind nicht allzu eifrig bemüht, die Kostenbelastung der Verbraucher gering zu halten. Das einzige potentielle Hindernis ist die Verfügbarkeit von Bankkrediten für Neubauten. In einigen Entwicklungsländern ist wohl allein diese Hürde unüberwindbar. In jenen Staaten aber, in denen im letzten Vierteljahrhundert die meisten AKW-Aufträge vergeben wurden, wie in Russland oder in asiatischen Ländern wie China, Japan, Südkorea und Indien, sehen sich die Stromversorgungsunternehmen bisher kaum durch eine Öffnung des Strommarkts an der Erteilung eigentlich unwirtschaftlicher AKW-Aufträge oder an der Genehmigung zum Weiterbetrieb eigentlich unwirtschaftlicher AKW gehindert. Die Tendenz zur Öffnung der Stromnetze für Wettbewerb ist außerhalb Europas ins Stocken geraten. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass in diesen Staaten auch weiterhin Aufträge für neue AKW-Projekte vergeben werden, solange die politischen Führungen das unterstützen. Der nachfolgende Abschnitt unserer Untersuchung, der sich mit der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit der bestehenden und in Bau befindlichen AKW und mit der Auftragslage in der übrigen Welt befasst, ist deshalb für Russland und die genannten asiatischen Staaten nicht relevant.
Neben den jetzt in Betrieb oder in Bau befindlichen oder noch in Planung befindlichen AKW gibt es noch eine vierte Kategorie, die getrennt von diesen betrachtet werden muss: die teilweise fertiggestellten AKW. Diese „unvollendeten“ Objekte, an denen schon seit einiger Zeit nicht mehr weitergebaut worden ist, sind angesichts steigender Strompreise im ersten Halbjahr 2008 Gegenstand von Vorschlägen oder bereits konkretisierten Projekten zu ihrer Fertigstellung geworden. Die meisten dieser Baustellen finden sich in der früheren Sowjetunion (Ukraine) oder im früheren Ostblock (Bulgarien, Rumänien und Slowakei), aber es gibt auch „unvollendete“ AKW-Projekte in Brasilien, Argentinien und in den USA.
Fast alle jetzt betriebenen Reaktoren, besonders jene in westlichen Ländern, sind vor mehr als zwanzig Jahren errichtet worden. Weil der langfristige Kapitaldienst für diese Anlagen in der Regel erbracht ist und sie mittlerweile abgeschrieben sind, spielen für sie die fixen Betriebskosten längst nicht eine so wichtige Rolle wie für in Bau befindliche oder erst noch zu bestellende AKW. Solange die Betreiber die Aufsichtsbehörden davon überzeugen können, dass ihre Reaktoren sicher sind, hängt ihre Wirtschaftlichkeit nur noch vom Strommarkt, der Höhe der verbleibenden Fixkosten und von der Höhe notwendiger Ersatzinvestitionen und sicherheitsbedingter Nachrüstungen ab. Anders als bei fossilen Kraftwerken bleibt die Kostenbelastung durch AKW weitgehend konstant, ob sie nun laufen oder nicht – ihre Wirtschaftlichkeit wird bestimmt von Preisschwankungen für fossile Brennstoffe und Überkapazitäten, die zum Verfall der Großhandelspreise führen können.
Erfahrungen mit den alternden britischen AGR-Reaktoren belegen eindeutig, dass Betriebskosten mit alarmierender Geschwindigkeit ansteigen können: seit 2002 haben sich die durchschnittlichen Betriebskosten der sieben britischen AKW mit AGR-Reaktoren verdreifacht. Als 2002 der Erdölpreis noch im Keller war, machte ein Überangebot am Strommarkt den AKW-Betreiber British Energy zahlungsunfähig. Die Betreiberfirma British Energy, die nur mit Staatszuschüssen in Höhe von über 10 Mrd. £ über Wasser gehalten werden konnte, überlebt nur deshalb, weil in den letzten 3-4 Jahren der Ölpreis sehr hoch war. Jetzt aber ist der Strompreis nach Erreichung eines Gipfels wieder erheblich gefallen. Die Zukunft für British Energy verdüstert sich.
Die genehmigten Laufzeiten in den USA werden gegenwärtig von 40 auf 60 Jahre verlängert. [253] Es ist der Eindruck entstanden, dass auch in anderen Staaten so verfahren werden wird und das die Anlagen in der Tat solange betrieben werden sollen. Es bleibt abzuwarten, wie das Reaktormaterial eine um die Hälfte verlängerte Laufzeit übersteht. Wenn die Kosten für Wartung und Reparaturen stark ansteigen und die AKW nicht konkurrenzfähig bleiben oder wenn Regulierungsbehörden es unterbinden, dass bei ausbleibender Wirtschaftlichkeit der AKW die überschießenden Kosten auf die Verbraucher oder Steuerzahler abgewälzt werden, dann müssen die Reaktoren im Zweifel auch vor Ableistung der verlängerten Laufzeit stillgelegt werden. [254]
In westlichen Ländern werden zurzeit nur zwei Reaktorblöcke moderner Konzeption errichtet, Olkiluoto-3 (Finnland) und Flamanville-3 (Frankreich).
Solange EDF in Frankreich faktisch das Strommonopol hat, kann sie jedwede zusätzliche Kosten für den Reaktorneubau bei Flamanville an die Stromverbraucher weiterreichen. w
Für Olkiluoto-3 sind, wie wir weiter oben gezeigt haben, sehr spezielle Arrangements getroffen worden, um das Projekt vor Wettbewerb am Strommarkt zu schützen. Das wirtschaftliche Risiko verteilt sich auf die Stromkunden, mit denen vorab Lieferverträge auf “Kosten-plus”-Basis getroffen worden sind, auf die französischen (und schwedischen) Steuerzahler, die für die von ihren Regierungen gewährten Kreditbürgschaften aufkommen, und die mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen AKW-Hersteller AREVA NP (wieder Steuerzahler!), die vertraglich eine schlüsselfertige Übergabe zugesagt haben. Ob die Kredite für die Banken lukrativ sind, tut nichts zur Sache. Jedenfalls wurde bewusst und mit Umsicht alles getan, um das Projekt von Einflüssen des Marktes abzuschirmen. Trotz alledem kann wegen der schwerwiegenden Probleme beim Bau die Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit des Bauherren TVO nicht mehr ausgeschlossen werden. Es werden bei Olkiluoto-3 Kostenüberschreitungen von fast 60 % über Plan gemeldet, und nach dreieinhalbjähriger Bauzeit droht ein kumulierter Zeitverzug im Projekt von mindestens drei Jahren. TVO, der Eigentümer, erwartet die Abdeckung dieser Kosteneskalation durch den Bauvertrag mit den französisch-deutschen Herstellern AREVA NP. Ob dieser Vertrag wasserdicht ist, scheint alles andere als selbstverständlich. [255] Ein Großteil der Kosten des Zeitverlustes durch die Beschaffung von Ersatzstrom auf dem zuweilen engen skandinavischen Strommarkt kommt auf den Auftraggeber TVO zu.
Nachdem 1990 der Skandinavische Strommarkt geschaffen wurde, sind kaum neue Stromerzeugungskapazitäten hinzugebaut worden. Trockene Winter, die das Angebot an Wasserkraft reduzieren, haben am Spotmarkt bereits zu kurzfristigen Preissteigerungen um das Sechsfache geführt. Für den Zeitabschnitt 2009-12, in dem Olkiluoto-3 jährlich 12 TWh Strom einspeisen sollte, muss TVO nun Ersatzstrom vom Großhandel zukaufen, vorausgesetzt, soviel Strom ist verfügbar. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung für Olkiluoto-3 ging von Erzeugungskosten von 24 €/MWh aus. Wenn der Marktpreis am Nordischen Spotmarkt das Dreifache betragen sollte, was in den letzten Jahren keine Seltenheit war, dann ergibt das für TVO für Ersatzstromkäufe während der drei Jahre eine Mehrbelastung in der Größenordnung von 2 Mrd. €.
Der Weiterbau an einer Reihe von Reaktoren, die Anfang der 80er Jahre auf Kiel gelegt wurden, wurde aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen unterbrochen. Hierzu gehören Belene 1+2 (Bulgarien), Mochovce-3+4 (Slowakei), Cernavoda-3 (Rumänien) sowie AKW-Projekte in der Ukraine, Angra dos Reis (Brasilien) and Atucha (Argentinien). Wiederholt wurde die Wiederaufnahme der Bautätigkeit oder deren baldiger Neustart angekündigt, doch diese Meldungen stellten sich oft als falsch heraus. Im Allgemeinen gibt es Probleme mit der Finanzierung. Eine Fertigstellung mag den Eigentümern attraktiv erscheinen, weil sie sich davon eine kostengünstige Stromquelle versprechen. Offiziell wurden die Baustellen in Belene und Mochovce wieder aufgenommen.
Erfahrungen mit dem Weiterbau an lange unterbrochenen Projekten sind aber nicht ermutigend. Das gilt für Mochovce-1&2, Rovno 4 und Khmelnitsky-2 (Ukraine) sowie Temelin-1&2 (Tschechien). Besonders fraglich ist, ob Konstruktionspläne, die bereits über 40 Jahre alt sind, auf den neuesten Stand gebracht werden können, sodass sie heutigen Bedürfnissen und sicherheitstechnischen Erfordernissen entsprechen. Auch die Genehmigungsverfahren unter denen der Bau dieser Anlagen vor über 20 Jahren genehmigt wurde, entsprechen nicht mehr dem heutigen Stand. Es mag ja sein, dass eine Finanzierung in Staaten erreichbar ist, deren Strommärkte für den Wettbewerb noch nicht geöffnet wurden, wie Russland und Ukraine, oder in Staaten, deren Strommarkt nicht gut funktioniert, wie Brasilien. Wo aber Marktbedingungen herrschen, die Wettbewerb ermöglichen, wird die Finanzierung zu einem echten Problem, sodass solche AKW-Projekte kaum noch fertiggestellt werden können.
Vorbedingung für neue Aufträge ist eine Senkung der Kosten und eine bessere Kostenkontrolle. Außerdem hängt viel davon ab, inwieweit neue Reaktoren vom Großhandels-Strommarkt abgeschirmt werden können, falls die eigenen Kosten steigen.
Schutz vor Wettbewerb
In den USA werden fast dreißig einzelne Förderprogramme für den Reaktorbau vorgehalten. Insgesamt werden Subventionen neuer Reaktoren wahrscheinlich risikoexponiertes Privatkapital überschreiten. In Europa kursiert die Idee, AKW-Betreibern Gutschriften für vermiedene CO2-Emissionen im Rahmen des Emissionshandels der EU zukommen zu lassen – allerdings könnte man ein solches Verrechnungssystem wohl nicht mehr als marktwirtschaftlich bezeichnen.
Die Kontrolle der Kosten
Kreditbürgschaften sind für AKW-Betreiber die beliebteste Form der Kostenbegrenzung. Sie ermöglichen niedrigere Finanzierungskosten, weil sie die Banken und die Anlagenhersteller vor Zahlungsunfähigkeit schützen. Ebenso wichtig: Bürgschaften ermöglichen den Betreibern eine viel höhere Kapitalaufnahme, und dies senkt die Kapitalkosten nochmals beträchtlich.
Kreditbürgschaften gewähren dennoch keinen vollständigen Schutz. Die Bonitätsbeurteilung eines Stromversorgers kann bei Erteilung eines AKW-Auftrags immer noch Schaden nehmen, wie wir am Beispiel der südafrikanischen ESKOM gezeigt haben (siehe Kapitel III.1.4). Ein Vertrag über schlüsselfertige Herstellung mag ebenso eine Hilfe zur Kostenbegrenzung sein, doch zeigt das Beispiel von Olkiluoto, dass Hersteller ein solches Risiko eigentlich nicht eingehen können. Ein „turnkey”-Vertrag bietet als solcher keinen Schutz vor Bauverzögerungen und Mehrkosten für die Beschaffung von Ersatzstrom, deren finanzielle Auswirkungen den Wert von Baukostenüberschreitungen noch übersteigen können. Eine Gewährleistung für das Betriebsverhalten eines AKW, wie sie für Kombi-Gaskraftwerke angeboten werden, wäre nützlich, aber wegen der größeren Unsicherheit bei Fertigstellungsfristen und Betriebskosten der AKW kaum erreichbar.
Die britische Regierung scheint dazu bereit, AKW-Betreibern vorab eine feste Entsorgungspauschale bereits zum Zeitpunkt des Baubeginns ihres neuen Kraftwerks einzuräumen. [256] Entsorgungskosten machen zwar nur einen geringen Anteil an den gesamten Energiekosten aus. Es handelt sich ja großenteils um Kosten, die im Prinzip erst nach mehreren Jahrzehnten anfallen. Und doch ist das Angebot einer staatlich festgesetzten Entsorgungspauschale für die Betreiber nützlich, weil sie das langfristige Risiko einer AKW-Investition reduziert. Andererseits ist bei Wirtschaftlichkeits.betrachtungen das Zugeständnis einer festen Entsorgungspauschale bei den abgezinsten Beträgen des langfristig kalkulierten Umlaufvermögens kaum erheblich.
Abzuwarten bleibt, ob in den USA und im Vereinigten Königreich tatsächlich ein Maßnahmenpaket beschlossen wird, das bei den Betreibern genügend Investitionssicherheit für neue AKW-Projekte schafft, ohne Steuerzahler und Stromkonsumenten unakzeptablen wirtschaftlichen Risiken auszusetzen. Bisherige politische Entscheidungen erwecken den Eindruck, als werde die Schaffung der meisten Investitionsanreize dazu führen, die AKW-Risiken von den Investoren auf die Steuerzahler, die Stromkunden und die Umgebungsbevölkerung der neuen Kraftwerke zu verlagern.
Die geltenden Haftungs-und Entschädigungsregelungen für Atomanlagen sind gänzlich inadäquat. Das hat negative Rückwirkungen auf die Reaktorsicherheit, auf die Schadensregulierung bei Unfällen und auf die Wettbewerbsbedingungen am Strommarkt.
Es bedarf neuer Regelungen, die den potentiellen Kosten von Atomunfällen Rechnung tragen, die eine ausreichende Schadensregulierung bei Unfällen sicherstellen und die jetzige Subventionierung der Atomenergie beenden. Doch ist die Atomindustrie bisher erfolgreich allen Versuchen begegnet, die durch internationale Verträge über Atomhaftung vorgesehenen Mindestentschädigungen auch nur ein wenig anzuheben.
Es existieren zwei grundlegende internationale Abkommen für die internationale Regelung von Atomhaftungsfragen: die 1963 verabschiedete IAEO-Konvention über zivile Haftung für Atomschäden (Wiener Konvention) und die 1960 verabschiedete OECD-Konvention über die Haftung Dritter auf dem Gebiet der Atomenergie (Pariser Konvention) mitsamt der damit verbundenen ‘Brüsseler Ergänzenden Konvention’ [257] von 1963. Die Wiener und die Brüsseler Konvention sind durch ein Gemeinsames Protokoll von 1988 miteinander verbunden. [258]
Die beiden Konventionen hatten zwei vorrangige Ziele: erstens sollten sie ein günstiges wirtschaftliches Umfeld für eine prosperierende Atomindustrie schaffen, und zweitens sollten sie sicherstellen, dass es klare Verfahrensregeln und Wege zur Erlangung gewisser Entschädigungen bei Atomunfällen geben würde. Das erste Ziel war zu erreichen, indem gesetzliche und finanzielle Unsicherheiten hinsichtlich der potentiell enorm hohen Haftungsschäden beseitigt wurden. Aus der Entstehungsgeschichte der Atomindustrie ist herleitbar, dass Atomenergie sich nur dann zu einer effizienten und eigenständigen Energiequelle entwickeln ließ, wenn man privaten Investoren ein vernünftiges Maß an finanzieller Sicherheit bot, sodass sie Vermögen in einen wenig vertrauten und potentiell hochriskanten Industriesektor investierten.
Bei einigen Unterschieden weisen die beiden Konventionen wichtige Gemeinsamkeiten auf insbesondere: • setzen sie Obergrenzen für die Haftungssummen, Anspruchsfristen und Schadensarten, für die AKW-Betreiber bei Unfällen haften; • erlegen sie den Betreibern Pflichten zum Abschluss von Haftpflicht-und anderen Versicherungen auf; • verorten sie die Haftpflicht ausschließlich bei den Betreibern; • machen sie die Haftpflicht unabhängig von der Schuldfrage, sehen aber Ausnahmen vor; • weisen sie die Gerichtszuständigkeit ausschließlich einem Staat zu, in der Regel jenem Staat, in dem sich die Anlage befindet.
Der Tschernobyl-Unfall enthüllte eine Reihe von Schwächen in diesen Regelungen. Im Vergleich zu den tatsächlich eingetretenen Schäden waren die Haftungsobergrenzen betrüblich niedrig und viele der betroffenen Staaten gehörten keiner der Konventionen an. Überdies waren nicht alle Schadensarten, einschließlich einiger sehr ernster Folgeschäden, von den Definitionen anwendbarer Schadensklauseln in keiner der beiden Konventionen abgedeckt. Es gab außerdem Probleme mit den Fristen für Schadensmeldungen, mit den Meldeverfahren, und mit den Haftpflichtbegrenzungen, zu denen die Gerichte Zeugenvorträge zulassen mussten.
Das Gemeinsame Protokoll von 1988 [259] wurde als Zwischenschritt formuliert, um einer Nichtmitgliedschaft in den IAEO-und OECD-Haftungsregelungen Rechnung zu tragen. Das Gemeinsame Protokoll bildet eine „Brücke“ zwischen beiden Konventionen und sorgt für einen erweiterten geographischen Geltungsbereich. Doch erkannte die Staatenwelt bald, dass eine grundlegendere Reform vonnöten war, um den Atomhaftungskonventionen mehr Geltung und mehr Durchschlagskraft zu verschaffen. 1990 begann die Arbeit an Ergänzungen zur Wiener Konvention, wenig später gefolgt von einer Überholung der Pariser Konvention mit dem Ergebnis der Brüssler Ergänzungskonvention. Die Ergänzungsprotokolle mit den Zusätzen zu den Konventionen von Wien, Paris und Brüssel sind verabschiedet worden [260] wie auch die 1997er Konvention über zusätzlichen Schadensersatz (CSC = Convention on Supplementary Compensation) – im Ergebnis ein neues Instrumentarium zur Schaffung einer internationalen Regelung von Haftpflichten und Schadensersatz.
Die Revision der Wiener und der Paris-Brüssel-Konvention bringen eine Anzahl Verbesserungen mit sich. Die Schadensobergrenzen sind heraufgesetzt worden: unter der Pariser Konvention müssen sie nun mindestens 700 Mio. € betragen; die Brüsseler Konvention sieht nun die Haftungsobergrenze der Betreiber bei insgesamt 1500 Mio. €. Diese Summen sind aber immer noch besorgniserregend niedrig, wenn man die Schäden des Tschernobyl Unfalls zum Vergleich nimmt, die heute auf dreistellige Milliarden-Beträge in Euro taxiert werden. Überdies ist die Festlegung von Haftpflichtgrenzen bei Fehlen belastbarer Kostenschätzungen erwartbarer Schäden nicht nur willkürlich, sondern sie können über längere Zeiträume auch nicht standhalten, es sei denn, sie würden auf der Basis der sich ändernden Profile erwarteter wirtschaftlicher Unfallschäden kontinuierlich und ohne großen Zeitverzug angepasst. Und schließlich gibt es selbst bei den jetzt in den Konventionen festgelegten niedrigen Haftungsobergrenzen Zweifel im Hinblick auf die Belastbarkeit der haftenden Parteien und ihre Fähigkeit ihren aufrichtigen Willen den finanziellen Schadenersatzpflichten auch zeitnah nachzukommen.
Konvention | Betreiberhaftpflicht + staatliche Schadenersatz-Zuzahlungen im Standortland (in Euro) | Summe der von Dritten Staaten zugesagten Schadenersatz-Zuzahlungen (in Euro) | Summe der insgesamt Schadenersatz-Zahlungen bzw. Zuzahlungen (in Euro) |
---|---|---|---|
Paris, 1960 | juin-18 | - | juin-18 |
Brüssel, 1963 | Bis zu 202 | 149 | 357 |
Paris, 2004 | Mindestens 700 | - | Mindestens 700 |
Brüssel, 2004 | Bis zu 1 200 | 300 | 1 500 |
Wien, 1963 | 50 | - | 50 |
Wien,1997 | Bis zu 357 | - | 357 |
CSC*, 1997 | Mindestens 357 | unterschiedlich | Mindestens 713 |
*Convention on Supplementary Compensation (Konvention über staatliche Zuzahlungen)
Es gibt Gemeinsamkeiten, doch stellen die Atomhaftpflicht-Konventionen kein umfassendes und einheitliches internationales Haftpflichtrecht für Atomunfälle dar. Mehr noch: Das Ziel einer breiten internationalen Beteiligung an den getroffenen Regelungen ist nicht erreicht. Nicht einmal die Hälfte der existierenden Reaktoren ist durch auch nur eine der internationalen Vereinbarungen abgedeckt. [261] Erst fünf Staaten sind der Wiener Konvention von 1997 beigetreten. Das war die Untergrenze der Zahl von Signatarstaaten, mit deren Unterschrift das Ergänzungsprotokoll zur Wiener Konvention 2003 in Kraft treten konnte, aber das Fehlen einer größeren Teilnehmerzahl gibt Probleme auf. Auch mit der Ratifizierung der revidierten Pariser und Brüsseler Konventionen kommt es zu Verzögerungen. Damit das Zusatzprotokoll zur Pariser Konvention in Kraft treten kann, bedarf es der Ratifikation durch zwei Drittel der Teilnehmerstaaten. Ende 2006 sollten ursprünglich alle EU-Mitglieder beigetreten sein, das ist aber immer noch nicht geschehen. Für ein Inkrafttreten des Zusatzprotokolls zur Brüsseler Konvention ist die Ratifizierung durch alle Teilnehmerstaaten erforderlich. Erst vier Staaten haben die neue SCC-Konvention ratifiziert, das ist für ein Inkrafttreten dieser verbesserten Schadenersatzregelung zu wenig.
In den USA gilt seit 50 Jahren ein eigenes Haftpflichtsystem, das Price-Anderson-Gesetz (Einzelheiten dazu im Abschnitt III.6.2.3.). Ähnlich wie die Pariser und die Brüsseler Konvention ist eine Mindesthaftsumme festgelegt, für die jeder Reaktor von seinen Betreibern versichert sein muss. Aber es wird eine viel höhere Schadensdeckung dadurch erreicht, dass im Fall eines großen Unfalls alle Reaktorbetreiber zur Refinanzierung der Schadenssumme retrospektiv herangezogen werden. Das ist der größte Versicherungspool der Welt, und doch reicht er nicht aus. Zu gegenwärtigen Preisen summieren sich selbst Sturmschäden in den USA wiederholt zu höheren Schadensbeträgen.
Die Kapazitäten der privaten Versicherungswirtschaft für Atomschäden bestimmt darüber, ob und inwieweit AKW-Betreiber der Höhe und dem Ausmaß ihrer Haftpflicht unter den geltenden Konventionen für Atomschäden gerecht werden. Während der Überprüfungsverhandlungen zu den Wiener und Pariser Konventionen erklärten Industrievertreter, einige der Ergänzungsregelungen seien für sie problematisch. [262] Besonders Sprecher der Versicherungswirtschaft äußerten ihre Bedenken, dass: • keine ausreichenden nichtstaatlichen Versicherungskapazitäten zur Deckung der erhöhten Deckungssummen vorhanden seien, • der Markt eine Verlängerung der Meldefristen für Schadensansprüche gegenüber den Reaktorbetreibern nicht annehmen wolle; • die private Versicherungswirtschaft nicht alle Schadenskategorien abdecken könne, die nun in den Ergänzungsprotokollen aufgeführt seien.
Es ist also ungewiss, ob AKW-Betreiber bei den Versicherern eine Deckung ihrer vollen Haftpflicht entsprechend den revidierten Konventionen erreichen. Die Zurückhaltung der privaten Versicherer verursacht Deckungslücken und verzögert die Ratifikation der Ergänzungsprotokolle.
Ein weiteres Problem mit den Versicherern: Die neue Sicht der Möglichkeiten terroristischer Angriffe auf Atomanlagen. Sowohl unter der ursprünglichen als auch unter der revidierten Wiener Konvention und unter der ursprünglichen Pariser Konvention haften Betreiber von Atomanlagen für Schäden durch terroristische Angriffe. Nach dem 11. September 2001 haben die Versicherer die Risiken von Terrorakten neu bewertet. Nun halten sie die Wahrscheinlichkeit, dass ein AKW zum Ziel eines solchen Angriffs wird, für bedeutend höher als früher. Vielleicht gelingt es einigen Versicherern, die Haftung für Schäden aus Atomunfällen durch Terrorakte aus ihren Deckungszusagen herauszunehmen – dann muss der Staat einspringen, um das Risiko abzudecken.
Zumindest teilweise kann man die Probleme mit der Versicherungswirtschaft als ein finanzielles Problem ansehen. Nicht, dass es keine Versicherungen gäbe, aber: “Nur wenige Versicherungsmöglichkeiten sind zu vernünftigen Preisen bzw. zu konkurrenzfähigen Tarifen erhältlich. [263] Die britische Regierung hat erkannt, dass die Erhöhung der Haftpflichtobergrenzen und die resultierenden Versicherungskosten für jetzige und künftige Reaktorbetreiber im Vereinigten Königreich dazu führen kann, dass die private Versicherungswirtschaft nicht alle Aspekte der neu definierten Haftpflicht abdecken wird. Die Regierung prüft jetzt Alternativen, einschließlich der Möglichkeit, die Risiken mit Steuermitteln zu versichern. [264] Dies ist, zumindest teilweise, eine politische Entscheidung. Dass die private Versicherungswirtschaft nicht willens oder imstande ist, gewisse Risiken zu versichern, heißt nicht, dass die Risiken nicht existieren.
Aus der Sicht der potentiellen Opfer besteht das dringende Bedürfnis, vollen und wirksamen Schadenersatz für die vollen Risiken von Atomunfällen zu garantieren. Dabei sind Verfahrensfragen nicht entscheidend. Die Konventionen verlangen, dass Deckungslücken zulasten der Betreiber gehen, wenn die Versicherung und andere finanzielle Sicherheiten zur Deckung von Ersatzansprüchen nicht vorhanden sind oder nicht ausreichen. Im Interesse der Funktionsfähigkeit der Energiemärkte muss auf die Subventionierung der Atomenergie durch eine teilweise fortdauernde Externalisierung ihrer wahren Kosten verzichtet werden, d.h. jedwedes alternative Arrangement der Haftpflicht muss sich im Preis des Atomstroms widerspiegeln.
Das Problem ist doch, dass Atomanlagen immens teuer sind. Für zwei 1 500 MW-Blöcke rechnen wir mit Kosten von vielleicht 12 Mrd. US$ beim heutigen Preisstand. Ich spreche für das größte Unternehmen der Branche, aber das ist mehr als meine Bilanzsumme. Wir können es also ohne staatliche Subventionen nicht machen.
John Rowe
CEO, Exelon Corporation
April 2009 [265]
In einem Land nach dem anderen werden seit langem eingefrorene AKW-Bauprojekte wieder aufgetaut. Neubaupläne werden in immer kürzeren Abständen angekündigt, und selbst in Ländern wie Deutschland und Schweden, die einen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hatten, ist die Debatte neu eröffnet. [266]. Der Anstoß zu dieser Entwicklung kommt aus zwei Richtungen: zum einen der Idee, sich durch Atomenergie von unsicheren Öl-und Gaslieferanten unabhängig zu machen; vor allem aber von der Behauptung, Atomenergie sei die einzige große Energiequelle, um CO2-frei Energie zu gewinnen. Ohne das Atom, so heißt es da, werden wir die doppelte Herausforderung nicht meistern, Klimaschutz und zugleich unseren Lebensstandard zu sichern.
Etwas weniger vordergründig als diese Verkündungen unseres atomaren Gemeinwohls, aber doch immer hintergründig präsent, ist das wuchernde Instrumentarium von Regierungsprogrammen zur Ausweitung, Unterstützung und Subventionierung dieser Reaktoren. Die Förderprogramme werden meist als “temporär” oder “vorübergehend” bezeichnet, so als wären sie nur solange vonnöten, bis die Industrie die Lernkurve mit einem neuen Reaktortyp und mit neuen Anforderungen der Aufsichtsbehörden hinter sich habe. In Wirklichkeit aber hat die Atomindustrie sich bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert an Subventionen gewöhnt. Ein Inserat von General Electric aus dem Jahr 1954 bemerkte eindeutig: Wir kennen bereits diese Reaktortypen, die machbar sind, wie sie betrieben werden und was sie wohl kosten werden. In fünf Jahren – spätestens in zehn -werden eine Reihe von ihnen zu etwa den gleichen Kosten Strom liefern wie Kohlekraftwerke. Sie werden privat finanziert, ohne Fördergelder von der Regierung.
Ein Werbetext der Atomindustrie könnte heute ebenso lauten.
Es stimmt durchaus, dass Atomenergie große Mengen Grundlaststrom bei niedrigen direkten CO2.Emissionen bereitstellen kann. Aber diese Stärke wird wie bei allen Energiequellen mit einigen Schwächen erkauft. Dazu gehören bei der Atomenergie extrem hohe Kapitalkosten, lange Bauzeiten, mangelhafte Regelbarkeit, und etliche andere Herausforderungen: von Problemen mit der Reaktorsicherheit und der Sicherung der Anlagen über die Lagerung hochradioaktiver Abfälle bis zu getarnten Aktivitäten der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Einige dieser Probleme gibt es nur mit der Atomenergie, und sie sind nur schwer lösbar – wenn überhaupt.
Beim Drang zu großen neuen Steuergeschenken für neue Reaktoren fehlt allerdings die eigentliche Grundidee jedes funktionierenden Marktes, dass nämlich die vollen Kosten der Atomenergie einschließlich privater Investitionen zuzüglich öffentlicher Subventionen der vergleichsweise kostengünstigste und risikoärmste Weg sein sollte, um Versorgungssicherheit und Klimaschutz sicherzustellen.
Nicht nur, dass der Anteil privaten Kapitals an der Atomenergie-Option schwer zu quantifizieren ist; es fehlt der Anteil öffentlicher Subventionen in diesem Bild meist völlig. Ohne seine Quantifizierung lässt sich ein Vergleich mit alternativen Lösungen nicht vernünftig durchführen. Und ohne diesen Vergleich lassen sich auch die potentiell riesigen Kosten nicht ermitteln, die auf die Steuerzahler für die Atomenergie zukommen.
Eigentlich sind es vor allem zwei wichtige Kostenarten, die es zu ermitteln gilt: Da gibt es natürlich die Kapitalkosten, die sich weltweit auf viele hundert Milliarden belaufen. Aber die Neubau-Option bringt auch sehr bedeutsame Zusatzkosten mit sich. Die Bevölkerung kann nicht jede Technologie finanzieren. Investitionen eines großen Anteils der verfügbaren Ressourcen in die Atomenergie entzieht diese Mittel den anderen verfügbaren Energieoptionen.
Es kommt darauf an, dass wir eine Bewertung vornehmen, was wir erhalten und was wir dafür hergeben, wenn wir den atomaren Weg wählen. Betrachten wir den Klimawandel. In einem günstigsten Fall bedeuten massive Investitionen in neue Reaktoren, dass frühestens in sieben bis fünfzehn Jahren die Emission von Klimagasen abzunehmen beginnt. Bei einer Netto-Betrachtung rückt der Zeitpunkt in noch weitere Ferne, weil Neubauten zunächst die ausgedienten Reaktoren ersetzen müssten. Wir würden damit auf dezentrale, schnellere Möglichkeiten der Emissionsminderung verzichten. Und kommen die neuen Reaktoren endlich ans Netz, haben wir es mit großen Grundlastkraftwerken zu tun, die überwiegend mit öffentlichem Risikokapital errichtet wurden. Wenn sie Schwierigkeiten mit dem Kapitaldienst bekommen, dann werden sie um die Uhr massenweise Strom zu ihren niedrigen Grenzkosten ins Netz schicken, nachdem der Steuerzahler die Kapitalkosten geschluckt hat. Dann bleibt kein Platz mehr für Energieeffizienz und alternative Energien, die im Ganzen kostengünstiger wären, wenn auch bei einem höheren variablen Kostenanteil als dem der Reaktoren.
Dieses Kapitel untersucht einige international gebräuchliche Subventionsformen, gefolgt von spezifischen Beispielen, wie sie in den USA und im Vereinigten Königreich anzutreffen sind. Für die von uns berücksichtigten Staaten waren am ehesten Informationen zu beschaffen, sie sind aber nicht die einzigen, die Atomenergie subventionieren. Im Gegenteil, die Subventionierung der Atomtechnologie ist nahezu überall endemisch. In Staaten ohne Transparenz des Staatshaushalts, aber mit regierungseigenen Reaktoren und Anlagen der Brennstoffkette, gibt es kaum Informationen. Ein interessanter Aspekt der neuesten Welle von Reaktorprojekten ist ihre zunehmende Internationalität, sowohl hinsichtlich der Auftraggeber als auch hinsichtlich der wichtigsten Lieferanten und auch der Staaten, die sich an Subventionen beteiligen. Schaut man in die Zukunft, dann reicht es längst nicht mehr aus, nur die heimische Subventionsszene im Auge zu haben.
Von Land zu Land gibt es zwar Unterschiede, doch fast überall sind die Subventionen für Atomenergie durchaus vergleichbar. Hierzu gehören subventionierte Bankkredite, Investitionszuschüsse, die subventionierte Urananreicherung sowie verbilligte Gebühren für behördliche Aufsichts-und Genehmigungsdienstleistungen; ferner Haftungsobergrenzen bei Unfällen, und die „Sozialisierung“ der Kosten und Risiken der noch ungelösten definitiven Endlagerung der strahlenden Abfälle. In einigen Staaten sind auch die geforderten Rückstellungen der Betreiber als Vorsorge für die Stilllegung ausgemusterter AKW keinesfalls kostendeckend. Neuerdings gibt es in zahlreichen Staaten auch speziellere Fördervarianten. Hierzu gehört die Zertifizierung von Atomstrom als “Grün” und die Einstufung von AKW als förderberechtigt durch CO2-Vermeidungsgutschriften im Rahmen des beginnenden Handels mit Emissionszertifikaten.
Förderpolitik | Erläuterung |
---|---|
Förderung von Kapitalkosten | |
Erleichterte Kreditaufnahme Direkte Förderkredite Staatliche Kreditbürgschaften Direkte staatl. Investitionen in die atomindustrielle Infrastruktur |
„Diese Förderung bedeutet eine dramatische Kreditverbilligung auf Kosten des Staates and schafft kreditfinanzierte Liquidität zu günstigeren Bedingungen als durch viel teureres Beteiligungskapital.“ |
Zinssubventionen für Kapitalkosten während der AKW-Bauzeiten | Dies verschafft dem Investor eine Kapitalrendite bereits vor Betriebsbeginn der Anlage. Die Produktions- und Investitionsrisiken werden an die Stromkunden weitergereicht. |
Subventionen für Kapitalgüter Verkürzte Abschreibungsfristen Forschungs- und Entwicklungsaufwand Investitionssteuer- und Umsatzsteuererstattungen Abschreibung von Kapitalvermögen zulasten des Steuerzahlers |
Reduzieren die Kosten von Investitionen für Kapitalgütern im Atomenergiesektor. Minderung des firmeninternen F+E- Aufwands für Produktentwicklung und Modifikationen an den technischen Systemen |
Subventionen für die Betriebskosten | |
Brennstoff und Urananreicherung Staat betreibt die Urananreicherung auf eigene Kosten Subventionierung der Uranerzbeschaffung |
Sozialisiert die Risiken des Baus und Betriebs sowie der Dekontaminierung von Anlagen der Brennstoffkette. Reduziert die Brennstoffkosten. |
Unfall- und Sabotage-Risiken -Begrenzung der Haftpflicht | Verringert die Versicherungskosten für sämtliche Anlagen der Brennstoffkette. Verschiebt die Risiken auf die Umgebungsbevölkerung und die Steuerzahler. |
Regulierung und Gewerbeaufsicht | |
-Staatliche Aufsicht der heimischen Industrie Internationale Aufsicht durch die IAEO |
Wenn nicht voll auf die Betreiber umgelegt, versetzt dieser hohe behördliche Aufwand die weniger aufsichtsintensiven Alternativenergien. |
Abfallmanagement und Stilllegung | |
Abfallmanagement Staatliche Zuständigkeit für das langfristige Abfallregime für den Reaktorabbrand und Reaktorabfälle Zahlungen an die Betreiber für die Lagerung ihres Reaktorabfalls auf AKW- Gelände |
Verwandelt risikobehaftete kapitalintensive fixe Betriebskosten in einen Kostenpunkt, über den sich die Betreiber (und Investoren) keine großen Gedanken mehr machen. |
Stilllegung, Dekontamination Steuerbefreiung für Rückstellungen für Rückstellungsfonds für die Kosten der Reaktor-Stilllegung Staatliche Leistungen für die Unterstützung einer Methodik der sicheren Reaktorstillegung |
Reduziert die Kostenbelastung des Reaktorbetriebs. Daraus resultiert eine sehr hohe Kosten-Weiterbelastung an die Öffentliche Hand. |
Marktpreishilfen Überwälzung von Kapitalkosten auf die Stromzahler durch den Transfer unerwarteter Kosten und andere, ähnliche Methoden der Refinanzierung einer unwirtschaftlichen Investition |
Verschafft der Atomenergienutzung höhere Stromeinnahmen als sie in einem offenen Markt erzielen könnten. |
Im Folgenden besprechen wir einige dieser Förderelemente etwas eingehender.
Kapitalkostenzuschüsse
Staatliche Programme zur Subventionierung der Kapitalkosten sind wohl die häufigste Form öffentlicher Förderung. Weltweit ist dies auch die wichtigste Form der staatlichen Unterstützung der Atomenergienutzung. Solche Fördersysteme beinhalten Kreditbürgschaften und Zinssubventionen während der Bauzeit. Ebenfalls gehören verkürzte Abschreibungsfristen auf die Investitionen für die Anlage selbst und die zugehörige Ausrüstung dazu wie auch Steuerstundungen. All dies soll die realen Kosten der Kapitalgüter niedrig halten.
Das Ziel ist die Senkung der Kapitalkosten oder der Netto-Anschaffungskosten der Kapitalkosten selbst. Atomenergie-Investitionen gelten als hochriskant. Ohne Subventionen würden die Kapitalgeber die Konditionen verschärfen, entweder in Form höherer Zinssätze für geliehenes Kapital oder in Form höherer Renditen für Beteiligungskapital. Ohne Subventionen müsste die Struktur der Finanzierungen auch zugunsten eines höheren Anteils Beteiligungskapital gewichtet werden. Dies wäre nachhaltiger, aber auch viel teurer.
Der Einsatz von Kreditbürgschaften ermöglicht eine entscheidende Verringerung der Kapitalkosten – in zweierlei Hinsicht: zum Ersten kümmern sich Kreditgeber bei Vorliegen staatlicher Kreditgarantien nicht mehr um die Höhe des Risikos der Atomanlage, denn für die Sicherheit der Kredite ist nunmehr die Beleihbarkeit des Bürgen bestimmend. Die Regierungen großer Staaten können durch ihre Bürgschaft ein ursprünglich sehr hohes Risiko auf nahe Null verringern, und das senkt den Zinssatz dramatisch. Zum Zweiten ermöglicht die Bürgschaft dem Bürgschaftsempfänger, eine viel höhere Summe niedrigverzinslicher Kredite zur Finanzierung des Reaktorbaus zu mobilisieren – im Fall der USA bis zu 80 % der Gesamtkosten. Diese Umstrukturierung des Finanzierungsplans bringt den Unternehmen große finanzielle Vorteile. In seinem Bericht von 2007 bemerkt das Keystone Center, dass “selbst wirtschaftlich sehr starke private Stromerzeuger, die Kraftwerke in liberalisierten Märkten bauen wollen, benötigen 65 % bis 70 % Anleihenanteil (equity), um an den Kapitalmarkt heranzukommen". [267] Das legt den Schluss nahe, dass der Finanzierungsanteil kommerzieller Kredite nur noch 30 % bis 35 % beträgt – ein Wert, der sich nach der Kernschmelze des Kreditmarktes gegen Ende 2008 nochmals verringert haben dürfte.
Die Verfügbarkeit verbürgter Kredite und ihr vermehrter Einsatz verringern die Baukosten neuer AKW beträchtlich, und damit die Kosten für den produzierten Strom. Der Wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses hat nach einer neueren Datenauswertung darauf hingewiesen, dass allein die staatlichen Bürgschaften den Atomstrom um 20 % verbilligen. [268] Schätzungen aus dem privaten Sektor ergaben sogar noch höhere Kostenvorteile. UniStar Nuclear Energy, eine gemeinsames Tochterunternehmen von Constellation Energy und EDF, das an verschiedenen Standorten der USA eine Serie von Reaktoren bauen will, beziffert die dadurch ermöglichte Verbilligung der Stromproduktion sogar nahezu auf gemittelte 40 %. [269]
Unterstützung durch Bürgschaften ist ein für die meisten Atomprojekte zutreffender Subventionstatbestand. Für den von AREVA zurzeit in Finnland gebauten Reaktor Olkiluoto-3 wurden z.B. stark verbilligte Kredite aus staatlichen Finanzierungsprogrammen in Höhe von 1,95 Mrd. € zur Verfügung gestellt, zusätzlich staatliche Exporthilfekredite von 610 Mio. € und von Schweden 110 Mio. € (siehe auch unter II.3.1.4.). Japan hat ein spezielles Förderprogramm aufgelegt, die Japan Finance Corp., um für Atomexporte in Industriestaaten Bürgschaften anzubieten. [270]
Es gibt sogar Bemühungen, derartige Förderkredite für Exporte in Entwicklungsländer zu ermöglichen, ungeachtet der Probleme, die es in einigen dieser Staaten mit der Schaffung der entsprechenden Kontroll-und Aufsichtsstrukturen geben dürfte. Japan erwägt die Schnürung eines Pakets „weicher Kredite von der Japan Bank for International Cooperation oder eine Rückversicherung durch die Nippon Export and Investment Insurance, eine vom Staat unterhaltene Exportkreditagentur”, um ein AKW in Vietnam zu finanzieren. [271]
Einige der multilateralen Entwicklungsbanken haben implizit oder explizit Kreditsperren für Atomprojekte verhängt. Diese Banken bilden noch einen der größeren Pools zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten in der Dritten Welt. Die USA, Frankreich und Japan sind nun bestrebt, die Bedingungen für Exportkredite so umzugestalten, dass sie auch zur Förderung von Atomprojekten geeignet sind. Innerhalb der Weltbank haben sie eine Untersuchung über die Kosteneffektivität der Atomenergie unterstützt, und sie lobbyieren für eine Verlängerung der Tilgungsfristen für Exportförderkredite der “Export Credit Agency” (ECA), die für Atomprojekte sowieso schon drei Jahre länger währen als für nichtatomare Projekte, von fünfzehn auf dreißig Jahre. Mehr allgemein ist an die Herstellung größerer Flexibilität bei der Vergabe von Exportförderkrediten für atomtechnische Komponenten aus verschiedenen Exportländern gedacht, ganz abgesehen von der spezifischen Institution ECA. [272] Wenn diese Aktivitäten Erfolg haben, dann gibt es bald einen Pool staatlich subventionierter Kreditgeber, um auf der ganzen Welt neue Reaktoren zu bauen.
Viele Regierungen in der Welt haben seit langem bedeutende Summen öffentlicher Gelder für Forschung und Entwicklung (F&E) im Bereich der atomaren Brennstoffkette bereitgestellt. Von 1974 (Beginn von Datenerhebung durch die IAEO) bis 2007 sind nahezu 55 % aller staatlichen „F&E“-Ausgaben im Energiebereich in den Atomsektor geflossen. Die Summe beträgt über 236 Mrd. US$2007, mehr als das Sechsfache der Ausgaben für Erneuerbare Energien, trotz der Tatsache, dass die Erneuerbaren Energien ein ziemlich weites Spektrum verschiedener Technologien abdecken.
In den letzten Jahren haben sich die Verhältnisse etwas zuungunsten der Atom-F&E und zugunsten von Energie-Effizienz, Wasserstoff, und Erneuerbare Energien verschoben. Trotzdem behält der Atombereich den bei weitem größten Anteil der staatlichen F&E-Budgets, er beträgt immer noch mehr als 40 % der Gesamtausgaben. Auf der einzelstaatlichen Ebene hat sich der atomtechnologische Anteil der Energieforschungs-und Entwicklungsausgaben auch in den Ländern mit einem starken Atomsektor wie Frankreich und Japan verringert. Aber in diesen beiden Staaten besetzt die Atomtechnologie immer noch 73 bzw. 67 % der staatlichen energiebezogenen F&E-Budgets.
Unfallrisiken waren von Anfang an die Achillesferse der Atomindustrie. Bei den meisten sonstigen Industrien würde ein großer Unfall, auch wenn er eine lokale Katastrophe darstellte, doch in seiner geographischen Ausdehnung relativ begrenzt bleiben. Das Vorhandensein hochradioaktiven Materials in Atomanlagen bringt eine neue Risikokategorie ins Spiel, und das nicht nur für die Umgebungsbevölkerung, sondern für ziemlich große Landstriche, die auf Jahrzehnte und länger unbewohnbar bleiben können.
In industrialisierten Ländern mit anspruchsvollen Genehmigungs-und Sicherheitsbehörden wird das Risiko für ziemlich niedrig gehalten. Nichtsdestoweniger könnten die potentiellen Schäden an Gesundheit und Eigentum eines mittelgroßen Reaktorunfalls enorm sein. Überdies sieht sich die Atomindustrie durch potentielle Reaktorunfälle einem systemischen Risiko ausgesetzt, das in einer Analyse des Keystone Center verglichen wird mit den „Rückschlägen durch das Tschernobyl-Unglück, durch das Atomprojekte weltweit ins Stocken gerieten, und das uns gezeigt hat, dass Reaktorunfälle, wo immer sie sich ereignen, Auswirkungen auf die gesamten Atomprogramme aller Staaten haben.“ [273]
In Millionen US$ 2007 | 1974-2007 | 1998-2007 | ||
---|---|---|---|---|
Kumuliert | % Anteil | Kumuliert | % Anteil | |
Gruppe 1: Energie Effizienz | 38442 | 8,9 % | 14,893 | 14,2 % |
Gruppe II: Fossile Brennstoffe | 55027 | 12,8 % | 11,114 | 10,6 % |
Gruppe III: Erneuerbare Energien | 37333 | 8,7 % | 10,709 | 10,2 % |
Gruppe IV: Atomspaltung und Kernfusion | 236328 | 54,8 % | 43,667 | 41,5 % |
Gruppe V: Wasserstoff und Brennstoffzellen | 2824 | 0,7 % | 2,824 | 2,7 % |
Gruppe VI: Andere Energie- und Speichertechnologien | 15717 | 3,6 % | 5,388 | 5,1 % |
Gruppe VI: Alle übrigen Energietechnologie- und Forschungsprojekte | 45204 | 10,5 % | 16,599 | 15,8 % |
Summe Energie-F&E Ausgaben | 430875 | 100,0 % | 105194 | 100,0 % |
Atom-F&E-Anteil in: | ||||
Kanada | 39,00% | 28,80% | ||
Frankreich | 81,40% | 72,50% | ||
Deutschland | 67,00% | 41,00% | ||
Japan | 72,70% | 67,20% | ||
Schweden | 15,20% | 6,70% | ||
Vereinigtes Königreich | 69,00% | 32,70% | ||
Vereinigte Staaten | 38,10% | 13,20% |
Quelle: International Energy Agency, Energy RD&D Database, accessed 10 April 2009
In den Anfängen der Atomindustrie hielten sich private Versicherer wegen des potentiellen Schadensausmaßes von Reaktorunfällen aus der Versicherung gegen Unfallrisiken heraus. Schon im Anfangsstadium kam die US-Regierung zu Hilfe – mit dem Price-Anderson-Gesetz von 1957, dessen Geltung seither periodisch fortgeschrieben wurde. Dieses Gesetz setzte für die Haftung für Schäden an Leib und Vermögen aus Reaktorunfällen eine Obergrenze fest. Diese Obergrenze ist selbst in den Vereinigten Staaten niedriger angesetzt als die Obergrenze für Sturmschäden, deren Ausmaß oft diese Obergrenze überschreitet. Eine solche obere Begrenzung stellt eine Subvention dar, da die AKW-Betreiber an den Versicherungsprämien sparen können. Mit allen Staaten, in denen Reaktoren betrieben werden, verhält es sich ähnlich. Die Höhe dieser Subvention wird von einer Reihe verschiedener Faktoren beeinflusst, z.B. von dem Betrag, bei dem die Haftungsobergrenze im Verhältnis zum wahrscheinlichen Schadensausmaß eines größeren Unfalls festgelegt ist; von der Wahrscheinlichkeit und Geschwindigkeit, mit der Schadensersatzansprüche nach einem Unfall geregelt werden; von der Frage, ob der Schadensersatz vom Reaktorbetreiber direkt bzw. indirekt von einer staatlichen Stelle gezahlt wird; und, ob mit der Brennstoffkette verbundene Risiken verbleiben, für die in den verschiedenen Konventionen für Atomhaftung überhaupt kein Versicherungsschutz vorgeschrieben ist.
Es gibt in den einzelnen Ländern eine erstaunliche Vielfalt in der Anzahl und der Qualität des durch die jeweils geltenden Regelungen erreichten Versicherungsschutzes. Die Regelung in den USA begünstigt die Haftungsbegrenzung nicht nur der Reaktorbetreiber, sondern auch diejenige von deren Auftragnehmern, Transportunternehmen und auch Firmen, die in der Brennstoffkette tätig sind. In den USA gibt es eine untere Ebene der direkten Betreiberhaftpflicht und eine zweite, viel bedeutendere Ebene “retrospektiver” Prämienzahlungen aller Reaktorbetreiber nach einem die Haftungsgrenze überschreitenden Schadensfall jedweden AKW in den USA. Dieser Haftungs-Pool – der größte der Welt – umfasst die Summe von etwas über 10 Mrd. US$ nominaler Auszahlungen. Jedoch erfolgt die Refinanzierung des Pools über einen Zeitraum von sechs Jahren, wodurch die Versicherungssumme auf Basis des gegenwärtigen Dollarwertes auf etwa 7,7 Mrd. US$ schrumpft. [274]
Mit Ausnahme Deutschlands ist in keinem weiteren Land ein solcher Pool gebildet worden, sondern man findet meist eine Kombination von Betreiberhaftpflicht und staatlichen Gewährleistungen und Versicherungsschutz in einem Flickwerk aus internationalen Konventionen und einzelstaatlichen Gesetzen. (Details siehe Abschnitt III.5). Die nationalen Regelungen unterscheiden sich vielfältig. Die Haftungsobergrenzen liegen meist bei weniger als 500 Mio. US$ für sämtliche Schäden, und die Haftung der Betreiber selbst liegt oft noch darunter. Kein Haftpflichtsystem ausserhalb der USA bietet einen kumulierten Schadensersatzanspruch, der 2 Mrd. US$ übersteigt, trotz einer hohen Besiedelungsdichte in einigen Staaten und hochwertigem Grundbesitz rund um viele der AKW-Standorte.
Die Atomenergie hinterlässt Abfälle, die für hunderttausende von Jahren gemanagt oder gesichert werden müssen. Dies schafft ernste langfristige Haftungsprobleme für private Unternehmen – Probleme, wie es sie mit keiner anderen Form der Energienutzung gibt. Abgesehen von Haftungsrisiken besteht eine sehr bedeutsame technische Herausforderung in der Notwendigkeit, diese Abfälle auf Dauer sicher zu lagern. Es sollte nicht überraschen, dass diese Faktoren zusammengenommen ein ziemlich hohes finanzielles Risiko bedeuten.
Die Regierungen der meisten Atomenergie nutzenden Länder sind eingesprungen und haben Programme aufgelegt, die auf eine Verstaatlichung sowohl der finanziellen wie auch der Haftungsrisiken des Abfallmanagements hinauslaufen. Unwahrscheinlich, dass eine privatwirtschaftliche Atomindustrie sich ohne diese „Lösung“ je entwickelt hätte. Die staatlichen Bemühungen um das Abfallproblem werden noch ergänzt durch die ebenfalls vom Staat übernommene Verantwortung für radioaktiv verstrahlte Standorte der Brennstoffkette, z.B. Uranminen, Urananreicherungs-und Wiederaufarbeitungsanlagen, auch wenn an diesen Standorten private Unternehmen tätig waren.
Staat | Abfall-Lager In Betrieb/ Standortauswahl | Lager verfügbar frühestens | Verantwortlich |
---|---|---|---|
Belgien | Nein/Nein | 2035 | Staat |
Kanada | Nein/Nein | 2025 | Staat |
China | Nein/Nein | 2050 | Staat |
Finnland | Nein/Ja | 2020 | Betreiber |
Frankreich | Nein/Vorauswahl | 2025 | Staat* |
Deutschland | Nein/Aufgeschoben | 2025 | Staat |
Japan | Nein/Nein | 2030 | Staat |
Niederlande | Nein/Nein | unbekannt | Staat |
Schweden | Nein/Vorauswahl | 2020 | Stromversorger |
Vereinigtes Königreich | Nein/Nein | Staat | |
Vereinigte Staaten | Nein/Storniert | unbekannt | Staat |
Bemerkung: Stromversorger zahlen für das kurz-und mittelfristige Abfallmanagement und in der Theorie auch für die Endlagerung. Die Verantwortung liegt bei der staatlichen Atomabfall-Agentur ANDRA.
Daten entnommen aus: (1) World Nuclear Association, „Waste Management in the Nuclear Fuel Cycle,“ August 2008.
(2) Richard K. Lester, „Nuclear Waste Management,“ MIT OpenCourseWare for Managing Nuclear Technology, Course 22.812J, Spring 2004.
In einem nicht „geschützten“ Energiemarkt müssten Investoren des Atomsektors Verlust machen und ihre Anlagen müssten eigentlich schließen, wenn die Produktionskosten einschließlich des Kapitaldienstes zu sehr ansteigen. Aber die Atomindustrie entwickelte sich von Anfang an in einem geschützten Markt. Nicht marktgerechte Kosten wurden über angehobene Stromtarife auf die Stromkunden abgewälzt, ja, sie wurden sogar für die Kosten abgebrochener AKW-Projekte zur Kasse gebeten. Nach Öffnung der Energiemärkte wurden diese Kosten nur anders verpackt, als Tarifzuschläge für nicht amortisierbare Kosten (“Stranded Costs”) in den USA, oder als “Abgabe für fossile Brennstoffe” im Vereinigten Königreich, die den Kosten für Kohlekraftwerke zugerechnet wurden, um Atomenergie wettbewerbsfähig zu halten. Das summierte sich. Die „FFL“ (Fossile Sonderabgabe) z.B. betrug ein Zehntel der Summe sämtlicher Stromrechnungen oder ca. 1 Mrd. £ pro Jahr. Durch Atomenergienutzung bedingte Sondergebühren, Abschreibungen und Allokationen für „Unvorhergesehenes“ (siehe weiter unten) beliefen sich auf hunderte Milliarden US-Dollar.
Solche Praktiken, die vor zwanzig Jahren Investitionen in Atomprojekte fördern sollten, greifen in jüngster Zeit erneut um sich. Das geht einher mit Kreditbürgschaften und der behördlichen Genehmigung in immer mehr US-Staaten, zur AKW-Finanzierung schon während der Bauzeit oder sogar für abgebrochene AKW-Projekte Zuschläge zu den Stromtarifen zu kassieren. [275]
Atomenergie-Subventionen, wie sie in anderen Staaten praktiziert werden, sind auch in USA zu beobachten. Seit über fünfzig Jahren gibt es ein staatliches Forschungs-und Entwicklungsprogramm, von allen Aspekten der Reaktortechnik bis zur Uranbrennstoffkette. Zwischen 1950 und 1989 beanspruchte die Kernspaltungs-F&E zum Beispiel 49 % und die Fusions-F&E zusätzlich 13 % des gesamten auf Energie F&E-Budgets der USA. [276]
Während die Reaktorindustrie niedrige Betriebskosten unterstreicht, wird leicht vergessen, dass der jetzt betriebene Reaktorpark gar nicht hätte errichtet werden können, wären nicht zuvor immense Kapitalsummen in ihre Entwicklung geflossen, und dass dies ohne staatliche Subventionen undenkbar gewesen wäre. In der historischen Entwicklung spielten steuerliche Erleichterungen für Investitionen und steuerliche Sondervergünstigungen während der Bauzeiten (Construction Work In Progress oder CWIP) die wichtigste Rolle. Investitionen können von der Steuer abgesetzt werden. Bauzinsen konnten die Bauherren bereits lange vor Betriebsbeginn eines AKW den Stromkunden als Tarifzuschlag in Rechnung stellen. Solche Regelungen ermöglichen es im Endeffekt, dass heutige Stromkunden bereits zur Finanzierung von AKW-Projekten herangezogen werden, deren Strom sie vielleicht nie nutzen werden, oder gar für Projekte, die möglicherweise nie vollendet werden.
Die Summen solcher Abschreibungen können sich sehen lassen: über 200 Mrd. US$2006 wurden bisher von den Stromzahlern aufgebracht, zuzüglich weiterer 225 Mrd. US$ an „Zuschlägen“, sobald die Reaktoren ans Netz gingen. Weitere 50 Mrd. US$ (in heutigen $) wurden für nicht fertiggestellte AKW-Projekte auf die Stromzahler umgelegt, die auf diese Weise gemeinsam mit den Steuerzahlern für einen Großteil der Projektkosten aufkamen. [277] Ein ganzer Berg kostspieliger atomarer Kapitalanlagen wird sichtbar, seit der US-Strommarkt für den Wettbewerb geöffnet wurde und jedes AKW zu Marktpreisen für seinen Strom auf Kundensuche gehen muss. Nun wurden „unvorhergesehene Kosten“ definiert, die es ermöglichten, alle Stromkunden über Tarifzuschläge für die nicht marktfähigen Mehrkosten der Atomenergie aufkommen zu lassen. In heutigen US$ summieren sich solche von den realen Atomstromkosten bedingten „Zuschläge“ ebenfalls schon auf nahezu 100 Mrd. US$. [278]
Die heute in den USA tätigen Reaktorbetreiber profitieren von weiteren Subsidien. So zehren sie alle nach wie vor von ihrer begrenzten Haftpflicht und von der “Sozialisierung” des nuklearen Abfallmanagements – für eine geringe Gebühr. Sie konnten von der Urananreicherungsfirma „Uranium Enrichment Enterprise“ staatlich subventionierte Anreicherungsdienstleistungen beziehen, bis sie 1998 privatisiert wurde. Und schließlich erhalten sie steuerliche Vergünstigungen auf die vorgeschriebenen Rückstellungen für die spätere Stilllegung der Anlagen (immerhin eine bessere Regelung als in den meisten anderen Staaten). Und falls diese Rückstellungsfonds eines Tages nicht ausreichen, dann darf man wohl davon ausgehen, dass die ursprüngliche Betreiberfirma inzwischen aufgelöst ist und die Steuerzahler in Haftung genommen werden.
Zeit- raum | Bundes- subventionen in Milliarden US$ | Subvention in cents/kWh | Mittlere Subvention in Prozent des Abgabepreises | Studie | Bemerkungen | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Niedrig | Hoch | Niedrig | Hoch | ||||
2008 | - | - | 5 | 8,3 | 113-189 % | Koplow/Earth Track Berechnungen von Subventionen für einen neuen Reaktor | Anteil am durchschnittl. nationalen Großhandelspreis, 2002-06 |
1947-99 | 178 | - | 1,5 | - | NA | Goldberg/Renewable Energy Porfolio Project (2000) [279] | Subventionseffekt des Price-Anderson Act nicht geschätzt. |
1968-90 | 122,3 | - | 2,3 | - | 33% | Komanoff/Greenpeace (1992) [280] | Subventionseffekt des Price-Anderson Act nicht geschätzt. |
1950-90 | 142,4 | - | 2,6 | - | NA | Komanoff/Greenpeace (1992) [281] | |
1989 | 7,6 | 16,2 | 1,4 | 3,1 | 32% | Koplow/Alliance to Save Energy (1993) [282] | |
1985 | 26,8 | - | 7 | - | 83% | Heede, Morgan, Ridley/Center for Renewable Resources (1985) [283] | Nur Steuersub- ventionen. |
1950-79 | - | - | 4,1 | 6 | NA | Bowring/Energy Information Administration (1980) [285] | Ohne Steuer- subventionen und Kredit- bürgschaften. |
Quelle: Koplow, 2009 [286]
Zwar verfügen wir nicht über vollständige Aufzeichnungen über alle Subventionen zugunsten der Atomenergienutzung seit ihren Anfängen; doch zeigt die Durchsicht verschiedener Studien die zentrale Rolle des Staates bei der Markteinführung. Tabelle 10 lässt erkennen, dass die Subventionssummen etwa ein Drittel des Wertes des gesamten bisher gelieferten Atomstroms ausmachen. [287] Wenn zu Beginn eines ganz neuen Industriezweigs dermaßen hohe Subventionen fließen, mag das nicht überraschen. Aber das gleichbleibend hohe Subventionsniveau über vier Jahrzehnte hinweg ist eklatant und hat zweifellos die Entwicklung alternativer Energiequellen beeinträchtigt.
Subventionierung neuer AKW-Projekte in den USA: Fallstudie Calvert Cliffs-3
Calvert Cliffs-3 ist ein Reaktor-Projekt für den Standort in Lusby, Maryland, wo es bereits zwei Blöcke gibt. Der neue Reaktor gehört Unistar Nuclear Energy (UNE), einer gemeinsamen Tochter von Constellation Energy, einem großen US-Stromversorger, und EDF, dem mehrheitlich in Staatseigentum befindlichen Stromkonzern Frankreichs. An Calvert Cliffs lässt sich gut zeigen, wie Staatssubventionen für die Atomenergie in den USA funktionieren.
Staatssubventionen sind von Anfang an ein zentraler Baustein in Unistar’s Entwicklungsprogramm für neue Reaktoren. Daraus hat das Unternehmen keinen Hehl gemacht. Eine Befragung vor der Energiekommission des Staates Kalifornien im Juni 2007 bestätigte das: Beigeordneter Geesman: "Kommen wir nochmal auf die Finanzierung zurück: Ihr Geschäftsmodell sieht vor, für jedes Ihrer vier Projekte staatliche Kreditbürgschaften zu erhalten, stimmt das?”
Dr. Turnage (Unistar): "Das ist korrekt.” [288]
Dem Vorhaben Calvert Cliffs-3 kommen viele Subventionen für Reaktorneubauten zugute, von der Bundesebene bis hin zur Kreisebene. Unistar Veröffentlichungen der letzten zwei Jahre ergeben ein Bild vom Umfang der Subventionen, mit denen gerechnet wird. Wir müssen jedoch noch einige Anpassungen vornehmen, weil auch die Grundkosten dieses Geschäftsmodells noch einige Subventionen beinhalten.
Kreditbürgschaften der Zentralregierung. Wir sahen bereits, wie ungeheuer wertvoll Kreditbürgschaften für neue AKW-Projekte sind. Unistar ist bereits in der Vorauswahl für die Nutzung eines Pools von US-Kreditbürgschaften im Wert von 18,5 Mrd. US$.
Gäbe es diese Garantien nicht, dann würde das hohe Risikoprofil neuer Reaktoren den Finanzierungsinstituten die Hereinnahme eines hohen Anteils an Beteiligungskapital nahelegen. Der zu fordernde Kapitaldienst für Bankkredite und Beteiligungen wäre dann aber zu hoch, um den Reaktorstrom marktgängig zu machen.
Der Zugang zu billigen Krediten, um einen Großteil des Projekts damit zu finanzieren und anschließend dreißig Jahre lang mit diesem Geld zu arbeiten, stellt deshalb eine bedeutende Subventionierung dar. Unistars eigener Kostenvoranschlag sieht den Wert der Staatsbürgschaft bei gemittelten 3,7 cents/kWh, dass ist eine Kostenreduktion um fast 40 %. [289] Nach ihren Berechnungen entspr. Betriebsparameter und Reaktorkapazität kommen sie auf einen Subventionswert von jährlich 500 Mio. US$ pro Reaktor. Der Bürgschaftsgeber fordert seine Bürgschaft entsprechend den Förderbedingungen erst nach längstens 30 Jahren zurück, was ein vernünftiger Betreiber auch voll ausschöpfen wird, weil staatlich verbürgte Kredite so günstig sind. Am Ende summiert sich das Unistar-Projekt auf eine öffentliche Investition von $13Mrd. für einen einzigen Reaktorblock – eine erstaunliche Summe an staatlicher Unterstützung für ein privates Einzelvorhaben.
Steuergutschriften für neue Reaktoren (Production Tax Credits = PTC). Das Energiepolitik-Gesetz von 2005 ermöglicht eine Steuergutschrift von 1.8 cent pro kWh aus neuen Reaktoren. Diese PTC für Atomstrom ist pro Reaktor auf 125 Mio. US$ begrenzt und gilt für die acht ersten Betriebsjahre. Dieser Förderfonds ist auf nationaler Ebene mit einem Limit versehen, sodass der auf einen einzelnen Reaktor entfallende Anteil möglicherweise etwas geringer ausfällt. Trotzdem ist es eine beträchtliche Subvention für einen neuen Reaktor, die von Unistar vermutlich gern entgegengenommen wird.
Verkürzung der Abschreibungsfristen. Normale Buchführungsregeln sehen vor, dass investiertes Kapital über die Betriebszeit der Anlage abgeschrieben wird. Beschleunigte Abschreibungen führen zu größeren Netto-Gewinnen der Firma. Je größer die Investition, und je schneller die Abschreibung im Verhältnis zur Gesamtlaufzeit des Reaktors, desto höher der Wert dieser Subvention. Reaktoren mit einer Gesamtlaufzeit von 40 bis 60 Jahren können in nur 15 Jahren abgeschrieben werden. Das entspricht einer gemittelten Kostensenkung von 0,1 bis 0,6 cent/kWh.
Unfallhaftung. Der Price-Anderson Act bietet Haftpflicht-Versicherungsschutz für die gesamte Betriebszeit einer Atomanlage, auch wenn das Gesetz noch während ihrer Laufzeit auslaufen sollte. Neue Anlagen wie Calvert Cliffs-3 wären dann allerdings nicht mehr geschützt gewesen, wenn die Geltung des Gesetzes, die bei seiner Verabschiedung 1957 ursprünglich nur zehn Jahre betragen sollte, nicht unter Hinweis auf die fortdauernde Begrenzung der Betreiberhaftpflicht erneut fortgeschrieben worden wäre – wie in den Jahrzehnten zuvor. Der Deckungsumfang für Schäden innerhalb der Anlagen sowie für Schäden an betrieblichen Ausrüstungen sowie für unfallbedingte Produktionsausfälle wurde sogar ausgeweitet. Im Übrigen gewährt der versicherte Haftungsumfang für Schäden innerhalb der Anlagen einen zehnmal höheren Schutz als für Schäden in der Bevölkerung der Umgebung (7,6 Millionen Menschen). [290]
Das Management des langfristig radioaktiven Abfalls. Calvert Cliffs-3 wird außerdem von der Risikoverlagerung beim Management hochradioaktiven Abfalls profitieren. Diese unbefriedigende Risikozuordnung hat den Steuerzahler bereits in den Jahrzehnten zuvor Haftpflichtlasten in der Größenordnung vieler Milliarden US$ aufgebürdet, und zwar wegen Verzögerungen bei der Schaffung eines Endlagers für radioaktive Abfälle im Yucca Mountain in Nevada. Dieses Problem wird nicht weggehen, aber wegen der Unterstützung durch “Price-Anderson” werden die damit verbundenen technischen und finanziellen Risiken keinen Einfluss auf die Investitionsentscheidung bei Calvert Cliffs-3 haben.
Vergünstigungen bei der Vermögenssteuer durch die Calvert Kreisverwaltung. Zu Zwecken der Investitionsförderung hat der Hauptausschuss des Kreisrats bei Calvert Cliffs-3 einen 50 %igen Nachlass der Vermögenssteuer für die ersten fünfzehn Betriebsjahre beschlossen. Das beschert den Betreibern eine Steuerersparnis von 20 Mio. US$ pro Jahr. Die gegenwärtige Steuerlast des Unternehmens beträgt 15,5 Mio. US$ pro Jahr. [291] Das ist eine Summe, die umgerechnet auf die Kilowattstunde praktisch unsichtbar wird, doch ist es aus Sicht einer Kreisverwaltung eine hohe Subvention. Dieses Zugeständnis kostet den Calvert-Kreis etwa sieben Prozent seines Jahreshaushalts 2009 von 296 Mio. US$, das ist mehr als der gesamte im Budget enthaltene Kapitaldienst. [292]
Subventionen für Calvert Cliffs-3 sind in Tabelle 11 aufgelistet. Das Ergebnis ist erstaunlich: der Anteil öffentlicher Mittel an der Gesamtinvestition erreicht oder ist sogar höher als der des privaten Risikokapitals – eine wenig erfolgversprechende Unternehmensstruktur. Die Staatssubventionen sind höher als der Wert der Stromausbeute, ein Indiz für eine Industrie, die keine Werte schafft. Tatsächlich ergibt sich aus den Kostenberechnungen des Betreibers Constellation, dass der Strom ohne die Staatssubventionen unverkäuflich wäre.
Niedrig | Hoch | Bemerkungen | |
---|---|---|---|
Cents pro kWh | |||
I. Private Investition für Calvert Cliffs-3 | |||
Veranschlagte Kosten des Projekts | 5,7 | 5,7 | “Constellation”-Kosten- ermittlung von Oktober 2008 |
II. Öffentliche Investition in Calvert Cliffs-3 | |||
A. Ausgewählte Subventionen entspr. EPACT (Energiepolitik- Gesetz von 2005) | |||
Produktionssteuer-Gutschriften | 0,5 | 0,5 | SConstellation-Angabe: 50 % -teuernachlass |
Kreditgarantien für 100 % der Bankschulden | 3,7 | 3,7 | Constellation-Angabe von Oktober 2008 |
(Veranschlagte Produktionskosten der Betreiber pro kWh) | -9,9 | -9,9 | |
B. Von Constellation ignorierte Subventionen | |||
Verkürzte Abschreibungsfristen | 0,3 | 0,6 | 15 Jahre zu 150 % statt über die gesamte Betriebszeit. |
Price-Anderson Haftpflichtentlastungen | 0,5 | 2,5 | "Nach Heyes (2002) [293] Werte unsicher." |
Defizite der Entsorgungsvorsorge durch Betreiber | - | 0,2 | Nach Rothwell (2005) [294] |
Kreissubvention durch 50 %igen Steuererlass | 0 | 0 | 20 Mio $/Jahr, pro kWh nicht mehr sichtbar. |
Versicherungskostenübernahme für Bauverzögerungen entsprechend Angaben für Calvert Cliffs-1+2 | 0,7 | 0,8 | Nach Bradford (2007) [295] |
Summe der nicht angegebenen zusätzlichen Subventionen | 1,5 | 4,1 | |
III. Gesamtkosten des Atomstroms | |||
Steuersubvention | 5 | 8,3 | |
Anteile Subvention/Investor | 87% | 145% | |
Verhältnis Steuersubvention zum durchschnittlichen Großhandelsstrompreis 2002-06 | 113% | 189% | |
Voller Strompreis | 10,7 | 14 |
Quelle: Koplow (2009)
Als British Energy 2002/03 zahlungsunfähig wurde, lagen die Betriebsausgaben der Atomkraftwerke bei 18,6 £/MWh, gegenüber einem Vorjahreswert von 16,7 £/MWh. Der durchschnittliche Erlös aus dem Stromverkauf betrug aber nur 18,3 £/MWh. Seit ihrem Neustart 2005 hat das Unternehmen hohe Überschüsse erzielt und wurde als sehr erfolgreich betrachtet. Doch dieser Erfolg basierte nur auf den erhöhten Stromtarifen und nicht auf der Produktivität des Unternehmens. Die Betriebskosten stiegen weiter und erreichten 2007/08 bereits 30 £/MWh. Zum Glück für British Energy stiegen die Stromtarife aber noch schneller und kletterten auf 40,7 £/MWh. Schließlich, im ersten Halbjahr 2008, erreichten die Betriebskosten die schwindelnde Höhe von 41,9 £/MWh. Immer noch zum Glück von British Energy blieben die Strompreise oben und erreichten sogar 47,2 £/MWh. Wie es aber so geht, werden die Strom.und Energiepreise wieder steil abfallen, da die Nachfrage sinkt und die fossilen Energien billiger werden. British Energy könnte also bald wieder Verluste einfahren. Auf längere Sicht beschleunigen sich die Alterserscheinungen der alten Reaktoren zusehends. Das treibt die Betriebskosten weiter nach oben, sodass sich erst noch zeigen muss, ob die entstehenden Verluste vom neuen Eigentümer EDF getragen werden oder wieder einmal auf die Steuerzahler abgewälzt werden.
Bis 1990 gab es keine als solche deklarierten Subventionen für die Atomenergie im Vereinigten Königreich. Heute ist völlig klar, dass die Atomenergie unwirtschaftlich war. Die nichtrentablen Kosten, deren Höhe man garnicht mehr genau abschätzen kann, wurden den Konsumenten aufgebürdet. Erst 1990 bis 1996 gab es dann eine offizielle, auf die Stromtarife umgelegte Subvention von etwa 1 Mrd. £ pro Jahr. Ungefähr die Hälfte hiervon wurde für ein neues AKW ausgegeben, das sich schnell als im Grunde genommen wertlos herausstellte. Fast der ganze Rest wurde stillschweigend vom Finanzministerium vereinnahmt und für allgemeine Verwaltungsausgaben verwendet. Nur ein Rest von 227 Mio. £ wurde für den eigentlichen, offiziellen Zweck zurückgelegt – für die Stilllegung von Atomanlagen.
Eine Privatisierung von British Energy war nur zu einem Preis möglich, der einen Bruchteil der Baukosten des AKW-Bestandes betrug. Die Haftungsverpflichtungen und Schulden des Unternehmens fielen dabei weitgehend unter den Tisch und sollten für den Fall, dass das Unternehmen in Konkurs geht, der Öffentlichen Hand zufallen. Als dies im Jahr 2002 geschah, entschloss sich die Regierung zu intervenieren, statt das Unternehmen untergehen zu lassen, wie es sonst üblich gewesen wäre. Diese Rettungsaktion hat nach öffentlichen Schätzungen die Steuerzahler über 11 Mrd. £ gekostet. Durch hohe Stromtarife war es möglich, einige der Verluste durch Verkauf von Aktien des geretteten Unternehmens zu kompensieren, doch bleibt ein deutliches Risiko, dass British Energy erneut scheitert. Dann kommen neue Belastungen auf die britischen Steuerzahler zu.
Südafrika betreibt zwei von Framatome (heute AREVA NP) gelieferte Reaktoren. Sie wurden in den 70er Jahren am Standort Koeberg, östlich von Kapstadt, errichtet und liefern 5,2 % (2003: 6 %) des kommerziellen südafrikanischen Stroms. Die beiden Blöcke sind die einzigen auf dem afrikanischen Kontinent betriebenen Reaktoren.
Der staatliche Stromversorger Südafrikas, Eskom, hat 1998 einen Versuch zur Entwicklung des Kugelhaufenreaktors (Pebble Bed Modular Reactor – PBMR) gestartet, eines heliumgekühlten, graphitmoderierten Reaktors auf Basis einer deutschen Entwicklung. Zunächst war angekündigt worden, ein Demonstrationskraftwerk werde gebaut und kommerzielle Aufträge würden ab 2004 entgegengenommen. Eine Tochterfirma der Eskom, PBMR-Ltd., wurde im Jahr 2000 gegründet. Eine Reihe von Investoren einschließlich der britischen staatlichen BNFL, des US-Energieversorgers PECO Energy (später Exelon), der südafrikanischen staatlichen Industrial Development Corporation und der Eskom sagten die Finanzierung einer Anlaufphase zu. Im Dezember 2001 teilte Exelon mit, man erwäge parallel zu einem südafrikanischen Reaktorprojekt den Bau eines PBMR-Reaktors in den USA. Nach einem Management-Wechsel bei Exelon zog das Unternehmen sich aber im April 2002 vollständig von diesem Vorhaben zurück.
Außer Eskom erfüllten die übrigen Investoren ihre finanziellen Zusagen nicht, die Kosten eskalierten dramatisch, die Vorlaufzeiten gerieten außer Kontrolle, und die südafrikanische Regierung musste schließlich für die Kosten aufkommen. In 2008 war für die Demonstrationsanlage von einem Fertigstellungstermin „nicht vor 2016“ die Rede. Die Kosten waren inzwischen auf das Zehnfache des ursprünglichen Kostenvoranschlags gestiegen und mit kommerziellen Bestellungen wurde nicht vor 2026 gerechnet. Dann tauchten ernste technische Probleme auf [298] und im Februar 2009 gab Eskom als der einzige potentielle Kunde den Plan zum Bau der Demonstrationsanlage auf. Im Mai 2009 dachte man bei der PBMR-Ltd. noch über das weitere Vorgehen nach. Wenn sich keine neuen Investoren finden, wird das Unternehmen schließen müssen. [299]
Die Verspätungen beim PBMR veranlassten Eskom, sich mit Gedanken an große Druckwasserreaktoren zu befassen und den AREVA NP EPR und den Westinghouse AP-1000 in die engere Wahl zu ziehen. Es stand ein Budget von 343 Mrd. Rand (34 Mrd. US$) für die Errichtung von 16 GW neuer Kohle.oder Atom-Kraftwerkskapazität bis 2017 bereit. Längerfristig war die Errichtung von 20 GW AKW-Kapazitäten bis 2025 geplant. Doch bei heutigen Installationskosten von 5 000 US$/kW würde dieses Budget gerade für 7 GW neuer AKW-Kapazität reichen. Eskom hat das zusätzliche Problem einer herabgestuften Kredit-Bonität – Moody’s setzte die Eskom im August 2008 auf „Baa2“. Im November 2008 strich Eskom die Segel und zog ihre Ausschreibung zurück, weil die Dimension der notwendigen Investitionen zu hoch war. Der Rückzug kam, obwohl die französische Coface Exportkreditgarantien angeboten hatte [300] und AREVA versicherte, 85 % der Finanzierung arrangieren zu können. [301]
Argentinien betreibt zwei Reaktoren, die weniger als 6,2 % der Kapazität des argentinischen Stromnetzes abdecken (2003 waren es noch 9 %). Argentinien war einer der Staaten, die ein zweideutiges Atomprogramm verfolgten – offiziell zivil, doch gestützt von einer einflussreichen Militärlobby. Gleichwohl wurden die beiden Reaktoren aus dem Ausland geliefert: Atucha-1, ein Schwerwasserreaktor aus der Siemensentwicklung, der 1974 den Betrieb aufnahm, und Embalse, ein Reaktor des CANDU-Typs von der kanadischen AECL, der 1983 ans Netz ging. Atucha-2, von der IAEO seit 1981 als “in Bau” gelistet, sollte von einem argentinisch-deutschen (Siemens-) Konsortium gebaut werden, das „sich aber 1994 mit dem Einfrieren des Projektes wieder auflöste“. [302] Dessen.ungeachtet ließ die IAEO wissen, man rechne für 2005 mit der Inbetriebnahme von Atucha-2. Ende 2007 wurde ein neues Datum für den Netzanschluss angegeben, der 1. Oktober 2010. Mitte 2008 war der Bau angeblich zu 80 % fortgeschritten.
Im Juli 2007 unterzeichnete die argentinische Firma Nucleoelectrica eine Vereinbarung mit der Atomic Energy of Canada Ltd. (AECL) über den Beginn kommerzieller Verhandlungen über die eventuelle Lieferung eines Reaktors vom Typ 740 MW-CANDU-6. Anfang Mai 2009 erklärte Julio de Vido, Argentiniens Planungsminister, dass Pläne für einen vierten Reaktor weit fortgeschritten seien und in einem Jahr mit dem Bau begonnen werden könne. [303] Allerdings wurde bisher keine Standortentscheidung und auch keine Ausschreibung bekanntgegeben. Die Präsidenten Argentiniens und Brasiliens trafen sich im Februar 2008 und ließen ihre Absicht kundtun, „ein Programm friedlicher atomarer Zusammenarbeit zu entwickeln, das der Welt ein Beispiel geben wird“. [304]
In Brasilien werden zwei Reaktoren betrieben, die 3,1 % des Strommarktes ausmachen (2003 waren es 4 %). Schon 1970 erhielt Westinghouse den Auftrag für den Reaktor Angra-1, der 1981 den Betrieb aufnahm. 1975 unterzeichnete Brasilien mit Deutschland den wahrscheinlich umfassendsten Liefervertrag der Atomgeschichte für den Bau von acht 1300 MW-Reaktoren innerhalb 15 Jahren. Das Ergebnis war ein Desaster. Wegen einer ständig steigenden Schuldenlast und wegen des offensichtlichen Interesses des brasilianischen Militärs an Atomwaffen wurde praktisch das komplette Programm gekippt – bis auf Angra-2. Dieser Reaktor ging im Juli 2000 ans Netz, 24 Jahre nach Baubeginn.
Das Projekt Angra-3 war schon 1993 abgebrochen worden. Eletronuclear, der Eigentümer, sah seine Hoffnung auf einen Weiterbau enttäuscht, als Umweltminister Carlos Minc im Juli 2008 sechzig harte Vorbedingungen für eine Genehmigung stellte. Wichtigste Herausforderung bleibt die Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle. An der Vollendung von Angra-3 bestehen in der Tat „größere Zweifel“. [305]
Kanada war einer der ersten Staaten, die in Atomprojekte investierten. Schon 1944 begann man mit der Entwicklung eines neuartigen Schwerwasserreaktors. Damit begann ein kanadischer Sonderweg der Reaktorentwicklung, gestützt auf den Reaktortyp CANDU (CANDU = CANadian Deuterium Uranium). Die besonderen Merkmale im Unterschied zu den weiter verbreiteten Leichtwasserreaktoren: Der Brennstoff ist Natururan, die Reaktoren können während des Betriebs fortwährend mit neuem Brennstoff versorgt werden, und die Kühlung und Moderation erfolgt mit Schwerwasser. Die offizielle Statistik nennt 18 in Betrieb befindliche CANDU-Reaktoren, die gegenwärtig 14,8 % der kanadischen Stromversorgung abdecken (2003: 12,5 %). Vier zusätzliche Blöcke sind laut IAEO “langfristig außer Betrieb”. Seit ihrem ersten Betriebstag kranken die kanadischen Reaktoren an technischen Problemen die die Kosten in die Höhe treiben und die jährliche Kapazitätsauslastung beeinträchtigen. Im August 1997 gab der damalige Betreiber Ontario Hydro bekannt, er werde seine sieben dienstältesten Reaktoren herunterfahren, um wesentliche Überholungsarbeiten durchzuführen. Die vier Reaktoren des AKW Pickering-A wurden Ende 1997 stillgelegt, die verbliebenen Blöcke von Bruce-A wurden am 31. März 1998 vom Netz genommen – Block 2 von Bruce-A war schon seit Oktober 1995 außer Betrieb. In der Geschichte der zivilen Atomenergie war es bis dahin die größte zusammenhängende Stilllegungsaktion, sie betraf 5000 MW oder ein Drittel der kanadischen Atomkraftwerke. Ontario Hydro sah eine “phasenweise Erholung” seiner Reaktoren vor, einschließlich einer weitreichenden Ertüchtigung der jeweiligen AKW-Einrichtungen bei Pickering-B, Bruce-B, und Darlington und einer anschließenden Wiederaufnahme des Leistungsbetriebs. Doch es kam zu bedeutenden Verzögerungen, und im Mai 2009 waren erst vier der acht Reaktoren wieder am Netz, zwei weitere sollen erst gegen Ende 2009 oder Anfang 2010 wieder in Betrieb sein. Die zwei verbleibenden Blöcke Bruce-A3 und A4 sind laut Betreiber Bruce Power „eins der komplexesten ingenieurtechnischen Projekte“, für die ein Zeitpunkt um 2013 für die erneute Betriebsaufnahme genannt wird. [306]
Im März 2009 teilte Bruce Power mit, man trage sich mit dem Plan, unweit des Kardinalssees in Alberta ein AKW mit bis zu 4000 MW zu errichten. Ein Jahr zuvor hatte das Unternehmen an einem anderen Standort bauen wollen, hatte diesen nach massivem Widerstand vor Ort aber wieder aufgegeben. Bruce Power sieht ein Jahrzehnt für den Planungsvorlauf und die Bauzeit vor, sodass diese Blöcke erst lange nach 2020 in Betrieb gehen würden. Eine endgültige Investitionsentscheidung steht noch aus.
Am 16. Juni 2008 benannte die kanadische Regierung den Standort Darlington im Staat Ontario für ein neues AKW mit zwei Reaktoren. Am 20. Mai 2009 sickerte durch, die Provinzregierung von Ontario wolle AECL als erfolgreicheren Anbieter gegenüber AREVA und Westinghouse beauftragen, die ersten neuen Reaktoren Kanadas seit 25 Jahren zu bauen. Die neuen Blöcke sollten 2018 betriebsbereit sein. Allerdings macht die Provinzregierung zur Bedingung, dass die kanadische Zentralregierung das finanzielle Risiko durch Kreditbürgschaften absichert. [307] Doch Anfang Juli 2009 legte die Provinzregierung die Neubaupläne auf Eis. Ontario Premier McGuinty erklärte: „Wir haben nicht mit der größten globalen Wirtschaftsrezession der letzten 80 Jahre gerechnet“. [308] Der Stromverbrauch nehme entgegen den Vorhersagen nun eher ab als zu, das ließe der Provinz mehr Zeit für eine Neubauentscheidung.
Die Provinz New Brunswick prüft die Option, an dem AKW-Standort Point Lepreau einen zweiten Reaktor zu errichten. Doch ist ein 1,4 Mrd. CAD teures Nachrüstungsprojekt mit mindestens drei Monaten im Verzug und könnte sich noch weit in das Jahr 2010 hinziehen. Dieser Block ist seit April 2008 außer Betrieb.
Jegliches Neubau-Vorhaben ist in Kanada von vornherein mit dem Risiko massiver Schwierigkeiten behaftet. Die Bevölkerung vor Ort wehrt sich vehement, besonders in Alberta und Saskatchevan. Die kanadische Atomindustrie muss zur gleichen Zeit mit langwierigen Nachrüstungsarbeiten und Neubauprojekten fertigwerden. Ähnlich wie in anderen Atomenergiestaaten herrscht extremer Mangel an Fachpersonal. Der Chef der kanadischen Reaktorsicherheitsbehörde CNSC hat erklärt, seine Behörde “sehe sich denselben Problemen wie der Rest des Atomenergie-Sektors gegenüber”, einschließlich einer jährlichen Personalfluktuation von 10 % und des Erreichens der Altersgrenze von 23 % der Belegschaft in den nächsten fünf Jahren. [309]
Neubauten beträfen einen neuen Reaktortyp “CANDU ACR-1000”, der anders als die früheren Modelle mit (Leicht-)Wasser gekühlt wird. Dieser Reaktortyp bedarf noch eingehender Zulassungsprüfungen, sodass von Kostenvoranschlägen noch keine Rede sein kann.
Der Reaktorbauer AECL hat mit Rückendeckung durch die kanadische Agentur für Exportkredite frühzeitig ein aggressives Exportmarketing betrieben und so nach und nach 12 Reaktoren an Südkorea (4), Rumänien (2), Indien (2), China (2) Pakistan (1) und Argentinien (1) verkaufen können. Für das weitere Reaktorentwicklungsprogramm von AECL bleibt der Export existenzwichtig. Im September 2004 wurde eine gemeinsame Absichtserklärung mit der Nationalen Reaktorsicherheitsbehörde Chinas unterzeichnet. Diese sieht u.a. die Entwicklung “fortgeschrittener CANDU-Reaktoren” vor.
Kanada war 2008 mit 21 % der globalen Förderung der bedeutendste Uranproduzent der Welt.
In Mexiko begann die Ära der Atomenergie in den Sechziger Jahren mit Standortuntersuchungen und einer Ausschreibung 1969. 1976 begann General Electric mit dem Bau des AKW von Laguna Verde, dessen erster Reaktor 1990 und der zweite 1995 den kommerziellen Betrieb aufnahm, beide mit einer Kapazität von je 650 MW. 2008 lieferte das Kraftwerk 4 % des Stroms ins mexikanische Netz (2003: 5,2 %). Zurzeit läuft ein Projekt zur Erhöhung der Reaktorkapazität der beiden Reaktoren um etwa 20 %. Es gibt vage Vorstellungen, aber keine konkreten Pläne für neue Reaktoren.
Die USA betreiben die größte Reaktorflotte der Welt, mit 104 kommerziellen Reaktoren, die 19,7 % der Stromproduktion repräsentieren (seit 2003 in etwa gleichbleibend). Zwar ist die Zahl der in Betrieb befindlichen Blöcke groß, doch die Zahl der abbestellten Reaktoren ist mit 138 noch höher. Es ist 36 Jahre her, im Oktober 1973, dass in den USA ein Reaktor bestellt wurde, der anschließend nicht wieder storniert wurde. Erst 2007, das erste Mal in drei Jahrzehnten, wurde wieder ein Genehmigungsantrag gestellt. NRG/Exelon gaben Pläne bekannt, zwei neue Reaktorblöcke am Standort South Texas errichten zu wollen, an dem schon zwei Westinghouse-Druckwasserreaktoren stehen.
Die letzte Inbetriebnahme eines neuen Reaktors betraf Watts Bar-1 im Jahre 1996. Es existieren kürzlich fortgeschriebene Baugenehmigungen für weitere vier Blöcke: Watts Bar-2, Bellefonte-1 und .2, und WNP-1. An diesen Bauplätzen regt sich bisher aber kaum eine Schaufel. Im Oktober 2008 kündigte der Betreiber TVA an, man wolle die Bechtel-Gruppe für 2,5 Mrd. US$ mit der Fertigstellung des erst zu zwei Dritteln fertiggestellten Reaktors Watts Bar-2 beauftragen. Dessen Baubeginn war ursprünglich 1972, dann wurde das Projekt 1985 eingefroren und 1994 ganz aufgegeben. Nun haben die Bauarbeiten erneut eingesetzt und sollen bis 2012, vierzig Jahre nach Baubeginn, zur endgültigen Fertigstellung führen. Watts Bar-1 war bereits einer der teuersten AKW-Blöcke der US-Atomindustriegeschichte, sein Bau erstreckte sich über 23 Jahre.
Wenn es auch bisher kaum Neubauten gab, so war die Industrie doch in zweierlei Hinsicht sehr erfolgreich – bei der Leistungserhöhung bereits vorhandener AKW und bei der Verlängerung der Laufzeiten. Infolge von Betriebsoptimierungen ist die Auslastung der bestehenden Reaktorkapazitäten von 56 % im Durchschnitt der achtziger Jahre auf 78,3 % im Jahr 2007 erhöht worden. Im Ergebnis konnte die Stromproduktion der AKW dadurch – neben Netzzugängen und Kapazitätserweiterungen – im gleichen Zeitraum verdreifacht werden. Aufgrund fehlender Neubestellungen werden ca. ein Drittel der Reaktoren im Jahr 2015 mindestens vierzig Betriebsjahre hinter sich haben. Eigentlich sollte dies ursprünglich die Altersgrenze sein, doch jetzt ist man damit beschäftigt, die Betriebsdauer wenn möglich auf 60 Jahre auszudehnen. Dies bedeutet zum Teil erhebliche Nachrüstungen und den Austausch von Großkomponenten wie Dampferzeuger und Druckbehälterdeckel. Zum Zeitpunkt Anfang Juli 2009 hat die US-Genehmigungsbehörde solchen Laufzeitverlängerungen bei 54 Reaktoren zugestimmt, 16 Anträge sind noch in der Bearbeitung, und für weitere 21 Blöcke liegen Absichtserklärungen der Betreiber bis 2017 vor. [310]
Der Amtsantritt von George W. Bush im Jahr 2000 wurde als Signal für einen neuen Entwicklungsschub zugunsten der Atomenergie gesehen. Die Bush-Regierung verkündete mit ihrem Nationalen Energieprogramm auch die Absicht, bis 2010 zwei neue Reaktoren bauen zu lassen. Dieses Ziel wird nicht erreicht. Um die Unsicherheit der Reaktorindustrie zu mindern, wurde ein neues, zweigeteiltes Genehmigungssystem eingeführt: Reaktortypen sollen eine “generische”, auf den Typ bezogene Zulassung erhalten, und die Betreiber sollen dann nur noch eine „kombinierte Bau-und Betriebsgenehmigung“ (COL = Construction and Operation License) beantragen müssen, die keine Einzelprüfung der Reaktorkonstruktion mehr erfordert.
Bis Anfang Juli 2009 hatte die US-NRC 17 COL-Anträge für insgesamt 26 Blöcke erhalten. [311] Die Anträge beziehen sich auf fünf unterschiedliche Reaktortypen: den “Advanced Boiling Water Reactor (ABWR)” von GE-Hitachi und den “Economic Simplified Boiling Water Reactor (ESBWR)” vom gleichen Hersteller, den „Advanced Pressurized Water Reactor (APWR)“ von Mitsubishi, den „Evolutionary Pressurized Water Reactor (EPR)“ von AREVA NP und den Westinghouse-AP1000. Bisher besitzt lediglich der einzig für den AKW-Standort South Texas 3+4 vorgesehene ABWR eine NRC-Zulassung, die aber 2012 ausläuft; danach sind wahrscheinlich Konstruktionsänderungen Vorbedingung für eine Neuzulassung.
Verzögerungen bei der allgemeinen Typen-Zertifizierung können zur Folge haben, dass Bau-und Betriebsgenehmigungen erteilt werden, bevor die NRC den jeweiligen Reaktortyp überhaupt zugelassen hat.
Zum Zeitpunkt Mai 2009 hatte die NRC für drei AKW-Standorte bereits positive Vorbescheide (Early Site Permits – ESP) erteilt [312] und war mit der Prüfung einer weiteren Standortvoranfrage befasst [313] . Standortgenehmigungen werden unabhängig von Bau-und Betriebsgenhmigungen erteilt. [314] Keiner der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz eines Standortvorbescheids und einer Reaktortypen-Zertifizierung. Siehe Kapitel III. für eine ausführliche Beschreibung der wirtschaftlichen Aspekte des US-Reaktorprogramms.
Es gab in letzter Zeit eine Reihe weiterer Rückschläge für die US-Atomindustrie: Der Betreiber Entergy zog bei der NRC seinen Genehmigungsantrag für ESBWR-Projekte an den Standorten Grand Gulf und River Bend zurück, und zwar „wegen des Scheiterns der Geschäftsverhandlungen mit dem Reaktorbauer GE-Hitachi“ [315]. Es war eines von drei Projekten, für die von der NRC bereits positive Standort-Vorbescheide erteilt waren. Wenige Tage danach zog der Betreiber Dominion ebenfalls seinen Antrag für einen ESBWR-Reaktor am Standort North Anna zurück. In beiden Fällen waren bereits Aufträge für die Zulieferung von wichtigen Reaktorkomponenten erteilt, die nun rückabgewickelt werden müssen. [316]
Die Serie der schlechten Nachrichten für die US-Industrie setzte sich fort: • Der Betreiber Ameren gab bekannt, er werde sein EPR-Projekt bei Callaway, Missouri, stornieren, weil die geltende Gesetzeslage “uns nicht die erforderliche finanzielle und genehmigungsrechtliche Sicherheit für die Durchführung des Projektes gibt.“ [317] • Der Betreiber Exelon gab im März 2009 sein ESBWR-Projekt bei Victoria in Texas auf und entschied sich stattdessen für den Reaktortyp ABWR. Zwei Monate später kündigte dann aber der Exelon-CEO John Rowe an, sein Unternehmen werde das Vorhaben „aufschieben oder ganz streichen“, weil es nicht in der Vorauswahl der vom Energieministerium ausgewählten Bürgschaftsempfänger sei. [318] • Der Betreiber Progress Florida teilte einen Aufschub seines Projektes in Levy County um 20 Monate mit. Die NRC hatte keine Genehmigung für die Vorbereitung des Bauplatzes erteilt und auf die noch ausstehende COL-Genehmigung verwiesen. [319] • Der Senat des Bundesstaates Minnesota stimmte mit 50 zu 16 für die Beibehaltung eines Verbots von Atomenergie. • Präsident Obama besetzte einige Schlüsselposten seiner Administration mit Personen, die nicht unbedingt zu den Freunden der Atomindustrie zu zählen sind. Steven Chu, ein Experte für Energie-Effizienz und Erneuerbare Energien, steht jetzt an der Spitze des Energieministeriums. Carol Browner wurde zum Sonderberater des Präsidenten für Energie und Klimawandel ernannt [320] und Gregory Jaczko ist jetzt Chef der NRC. Vor seinem Eintritt in diese oberste Atomgenehmigungsbehörde im Jahr 2005 war Jaczko Wissenschaftsberater des Sprechers der Mehrheitsfraktion des US-Senats, Harry Reid von Nevada. Reid ist seit Jahren Anführer des Widerstands gegen das Projekt eines Endlagers für hochradioaktiven Müll bei Yucca Mountain. • Der Versuch, eine 50 Mrd. US$-Tranche in das Wirtschaftsankurbelungs-Paket der US-Regierung einzubauen, scheiterte im Kongress: im Haushalt für 2009 wurden die Finanzhilfen für Atomenergie stark gekürzt, das Endlager-Projekt bei Yucca Mountain wurde de facto beerdigt.
China betreibt 11 Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von 8 438 MW, die im Jahr 2008 2,1 % des chinesischen Stromverbrauchs deckten. Laut PRIS-Statistik der IAEO sind weitere 13 Reaktoren in Bau, obwohl dieser Wert bei Berücksichtigung anderer Quellen etwas hoch erscheint. Doch belegen die beiden Zahlen ein Paradoxon: erstens übersetzt sich ein 2-Prozent-Anteil am Stromaufkommen in blosse 0,8 % der in China verbrauchten Primärenergie, das ist der geringste Anteil weltweit einschließlich Indien und Pakistan; zweitens aber ist China das Land mit der größten Zahl im Bau befindlicher Reaktoren, einem Viertel sämtlicher Neubau-Projekte, weltweit.
Die Energienachfrage in China steigt mit jährlich 5 – 10 % seit zehn Jahren sprunghaft an und stützt sich hauptsächlich auf Kohle, die mit 70 % zur Energieversorgung beiträgt. Zur Sicherung seiner Energieversorgung und aus Umweltschutzgründen verfolgt China ein aktives und ehrgeiziges Programm zur Steigerung der Energie-Effizienz (20 % im Zeitraum 2005-2010) und zur Diversifizierung seiner Energiequellen. Das ist in Anbetracht des erwarteten weiter steigenden Bedarfs besonders wichtig. Mit 5 GW installierter Windkapazität war bereits 2007 ein Ziel erreicht, das der “Nationale Entwicklungs.und Reformausschuss“ (National Development and Reform Committee – NDRC) bemerkenswerterweise erst für 2010 geplant hatte. Das für 2020 gesteckte Ziel von 30 GW soll nun bereits bis 2012 erreicht werden. Beobachter der Wind-Industrie halten diese Zielmarke für problemlos erreichbar, und einige schätzen, dass die installierte Windkapazität bis 2012 sogar 100 GW erreichen könnte. [321]
Auch die Pläne für Atomenergie beinhalten größere Steigerungen. Der geltende Plan sieht bis 2020 eine Steigerung von jetzt 8,4 GW auf 40 GW vor. Das setzt den Fertigbau der jetzt in Bau befindlichen 15,2 GW an neuer Reaktorkapazität voraus und für die darauf folgenden 10 Jahre einen weiteren Zubau von über 16 GW. Verschiedene Regierungsabteilungen haben sogar eine Erhöhung dieser Planzahlen vorgeschlagen. Das NDRC hat im Mai 2007 eine Kapazitätsausweitung auf 160 GW bis 2030 gefordert, der „China Electric Council“ setzte im Juni 2008 noch eins drauf mit dem Ziel 60 MW bis 2020, und die Nationale Energiebehörde bekennt sich zum Ziel 70 GW bis 2020. Doch selbst das Erreichen eines so ehrgeizigen Planzieles würde den Anteil der Atomenergie am Primärenergieverbrauch Chinas bis 2020 nur auf 3 % steigern können.
Nun weiss man, dass die ingenieurtechnischen Fähigkeiten und die Infrastruktur Chinas, die Energienachfrage ebenso wie das politische Steuerungssystem von „Command and Control“ Projekte von solchen Ausmaßen durchaus ermöglichen, jedenfalls eher als in anderen Teilen der Welt, und doch: auch in China ist der Bereich der Atomenergie nicht ohne Probleme. Insbesondere übt sich China schon seit längerem in einem Balanceakt zwischen der Einbindung fortgeschrittener ausländischer Reaktortechnologie einerseits und dem Streben nach technisch-industrieller Selbstständigkeit andererseits.
Die bisher errichteten elf Reaktoren sind mithilfe einer solchen Kombination ausländischer und eigener Ressourcen erstellt worden. Die AKW von Daya Bay und Lingao wurden im Wesentlichen nach französischen Entwürfen gebaut. Die AKW der Phase 3 bei Quinshan verwendeten Schwerwasserreaktoren des kanadischen Typs CANDU 6, und jene im AKW bei Tianwan (Phase 1) setzten den russischen Typ AES-91 ein. Die übrigen Reaktoren wurden nach chinesischen Entwürfen und aus eigener Herstellung gebaut, obwohl Schlüsselkomponenten wie Reaktordruckbehälter wie bei Quinshan (Phase 1) auch importiert wurden.
Für die nächste Reaktorgeneration bemüht sich China in ähnlicher Weise um die Integration neuer ausländischer Reaktortechnologie. Gegen Ende 2004 hat der Staatsrat Pläne für den Bau von bis zu acht neuen Reaktoren bei Sanmen und Yangjian genehmigt. Angebote kamen von Westinghouse (USA), AREVA (Frankreich) und Atomstroyexport (Russland). Die Auswahlkriterien für die Auftragsvergabe schließen das technologische Niveau, bisherige Betriebserfahrungen, den Preis, den chinesischen Fertigungsanteil bzw. das Ausmaß des Technologietransfers ein. [322]
Die beiden letztgenannten Kriterien sind entscheidend für die Auftragsvergabe. Die chinesische Seite hat bei früheren Verhandlungen meisterhaft taktiert. Bei den ersten Lieferverträgen für Daya Bay (Provinz Guangdong) hat die französische Seite bedeutende finanzielle Verluste einstecken müssen. “Wir haben nicht das Hemd verloren, aber die Manschettenknöpfe”, meinte damals der EDF-Präsident. „Ja, und die waren aus Gold!“, fügte sein Generaldirektor auf der Pressekonferenz hinzu, auf der das Verhandlungsergebnis 1985 vorgestellt wurde. EDF fungierte gemeinsam mit chinesischen Ingenieuren als Generalunternehmen für die beiden Reaktoren – dies war gedacht als Türöffner für eine ganze Auftragsserie. Tatsächlich aber hat AREVA in den 20 Jahren danach nur noch zwei Reaktoren nach China exportiert.
Die neuerlichen Verträge wurden 2005 nicht in der erwarteten Form an die ausländischen Anbieter vergeben. Ein Auftrag für vier „Generation III“-Blöcke ging im Februar 2007 an Westinghouse statt an AREVA. Einzelheiten wurden nicht bekanntgegeben, doch war die Rede von einem Auftragswert von 5,3 Mrd. US$, Baubeginn sollte 2009 sein, Betriebsaufnahme im August 2013. Schlüsselthemen bei der Auftragsvergabe waren der Technologietransfer nicht nur für die Reaktoren selbst, sondern auch für die anschließende Wartung.
AREVA gab sich nicht geschlagen und verkündete am 26.November 2007 einen “Rekordvertrag im Wert von 8 Mrd. € (…), beispiellos in der Geschichte des Marktes für Atomtechnologie.” AREVA wird gemeinsam mit der CGNPC (China Guangdong Nuclear Power Corp.) zwei EPR-Reaktoren bei Taishan in der Provinz Guangdong errichten und „alles Zubehör und alle Dienstleistungen für den Betrieb bereitstellen.“ [323] Im Oktober 2008 kündigten AREVA und die CGNPC die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens mit 45 % zu 55 %-Eigentumsanteilen an, um EPR-Reaktoren und andere Leichtwasserreaktoren für China und den Weltmarkt weiterzuentwickeln.
Kooperationsabkommen sind mit weiteren Reaktorherstellerfirmen geschlossen worden, z.B. mit der kanadischen AECL (September 2005). Die südkoreanische „Korean Doosan Heavy Industry“ soll Reaktordruckbehälter für AP1000-Reaktoren zuliefern. Mit südafrikanischen Partnern wurde ein “Memorandum of Understanding” für eine Kooperation in der Kugelhaufen-Reaktortechnologie unterzeichnet (Mai 2009). Neben den Vereinbarungen über die Reaktorentwicklung wurde eine Reihe von Partnerschaftsabkommen über Uranlieferungen mit Australien, Kanada, Kazakhstan und Frankreich geschlossen.
Indien betreibt 17 Reaktoren mit einer kumulierten Nennkapazität von 3 779 MW oder knapp 2 % des Stromangebots (2003: 3,3 %). Die insgesamt installierte Stromkapazität beträgt ca. 130 GW, nur 10 % mehr als die Frankreichs, trotz der zwanzigfachen Bevölkerungszahl. Für Indien werden sechs Bauprojekte für neue Reaktoren angegeben (zwei weniger als 2004), mit zusammen nur 2,9 GW Stromkapazität. Auch die schon in Betrieb befindlichen Reaktoren haben vergleichsweise geringe Kapazitäten von 90 bis 200 MW. Bei den meisten von ihnen gab es Bauverzögerungen und Bauzeiten von 10 bis 14 Jahren, und die angestrebten Produktionsziele wurden selten erreicht. 1985 war Indiens Ziel für das Jahr 2000 noch die Erreichung von 10 GW installierter Atomenergiekapazität – das wäre eine Verzehnfachung des Standes von 1985 gewesen. Tatsächlich wurden nominal nur 2,2 GW erreicht, und die faktisch mit Atomenergie betriebene Stromkapazität beträgt derzeit ganze 1,5 GW.
2006 erklärte der Vorsitzende der “Nuclear Power Corporation of India – PCI” gegenüber der Presse, bis 2025 würden 62 Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von 40 GW in Betrieb sein. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, wie zwischen 2009 und 2025 Jahr für Jahr 1 850 MW an zusätzlicher Reaktorkapazität bereitgestellt werden sollten.
Indien hat als erster Staat “zivile” Atomanlagen offen für militärische Zwecke eingesetzt. Eine 1974 durchgeführte Testexplosion löste den Abbruch der meisten offiziellen internationalen Kooperationen aus, vor allem die mit Kanada, die bis dahin für Indien entscheidend gewesen war. Eine weitere Testserie 1998 schockierte abermals die internationale Öffentlichkeit, bedrohte die Stabilität der Region und löste eine Atomtestserie von Pakistan aus. Dessen ungeachtet beschloss die Bush-Regierung im Juli 2005 die Aufhebung der Atomhandelssanktionen gegen Indien und lieferte in einer gemeinsamen Erklärung mit dem indischen Premierminister die Grundlage für ein umfassendes Kooperationsabkommen. [324] Das Abkommen trat am 8. Oktober 2008 in Kraft, trotz vehementer Kritik aus diversen Kreisen der Vereinigten Staaten, vieler anderer Staaten und auch aus Indien selbst. [325]
Ein Kontrollabkommen mit der IAEO unterzeichnete Indien im August 2008 und die Gruppe der Lieferstaaten für Atomtechnologie (Nuclear Suppliers Group – NSG) [326] sicherte am 6. Dezember 2008 eine Ausnahme von ihren eigenen Regeln zu. Indien ist dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten, unterhält ein Atomwaffenprogramm, erlaubt keine Kontrolle aller seiner Atomanlagen und erhält nun doch atomtechnologische Hilfe bzw. darf mit anderen Staaten in atomwirtschaftlichen Handelsaustausch eintreten. “Die Atomhandelssanktionen gegen Indien wurden im vergangenen Jahr aufgehoben, und seither geben sich die Abgesandten ausländischer Hersteller in Delhi die Klinke in die Hand”, berichtete das Fachblatt „World Nuclear News“. [327]
Die französische Regierung benötigte keine parlamentarische Zustimmung, als sie nur wenige Tage vor der Paraphierung des umstrittenen Abkommens mit den USA ihrerseits ein atomares Kooperationsabkommen mit Indien unterzeichnete. Die französische Atomindustrie bot unverzüglich ihre Dienste an. Im März 2009 unterzeichneten die Nuclear Power Corporation of India Ltd (NPCIL) und AREVA eine Vereinbarung (Memorandum of Understanding) über die Entwicklung eines Projektes für den Bau von zwei Reaktoren an einem Standort bei Jaitapur. Anscheinend haben 15 Banken einschließlich zehn französischer Institute Kredite für das Projekt in Aussicht gestellt. [328] Weitere Reaktorlieferanten einschließlich GE Hitachi, AECL und die russische Atomindustrie verhandeln mit Indien über mögliche AKW-Projekte.
Angesichts der bisherigen eher bescheidenen Leistungen bleibt abzuwarten, ob die indische Atomenergiebranche künftig ihre eigenen Erwartungen erfüllen kann. Ausländische Hilfe könnte natürlich einiges bewirken. Doch gibt zu denken, dass die australische Regierung trotz der Ausnahmeregelungen Indiens mit den übrigen Lieferstaaten die eigenen Uranliefersanktionen gegen Indien nicht aufhebt -unter Hinweis auf Indiens Nichtbeitritt zum Atomwaffensperrvertrag.
Japan hat 53 Reaktoren in Betrieb, die letztes Jahr 24.9 % der Stromproduktion Japans lieferten. 2002 waren es noch fast 35 % gewesen. Zwei Reaktoren bei Hamaoka wurden am 22. Dezember 2008 offiziell stillgelegt. [329] Sie hatten seit 2001 bzw. 2004 keinen Strom mehr ins Netz geliefert, doch waren sie bei der IAEO in der Kategorie “Längerfristig außer Betrieb” gelistet. Erst im Januar 2009 sind sie nun auch amtlich vom Netz gegangen.
Im August 2002 provozierte ein Skandal um massive Fälschungen wichtiger Betriebsaufzeichnungen die vorübergehende Abschaltung sämtlicher 17 Reaktoren der Tokyo Electric Power Company. [330]
Später breitete der Skandal sich auf weitere AKW-Betreiberunternehmen aus. Es überrascht nicht, dass von 2002 auf 2003 die Stromabgabe aus den japanischen AKW um über 35 % absank und die Verfügbarkeit des gesamten AKW-Parks auf unter 60 % abstürzte. Der Fälschungsskandal lebte erneut auf, als Hitachi im April 2009 Manipulationen an den Qualitätskontrolldaten heißgeschweißter Rohrverbindungen aufdeckte und eine Untersuchung einleitete. [331]
Am 16. Juli 2007 ereignete sich in der Region des AKW Kashiwasaki-kariwa des Betreibers TEPCO ein schweres Erdbeben der Stärke 6,8 auf der Richterskala. Dieses AKW ist mit sieben Reaktoren das größte Atomkraftwerk der Welt. Die Reaktoren blieben seither zur Schadenserhebung und für Reparaturen abgeschaltet. Die an einem der Reaktoren entdeckte seismische Beschleunigung hatte mindestens das Zweieinhalbfache der für die Anlage vorgeschriebenen Auslegung betragen. Es ist ungewiss, unter welchen Auflagen das Kraftwerk den Betrieb wieder aufnehmen darf. Als am 11. Oktober 2007 bei Überprüfungen der Deckel des Reaktors 7 abgenommen wurde, steckte einer der Steuerstäbe im Reaktorkern fest und liess sich nicht bewegen. Das hieß, dass ein zentrales Element der Reaktorsicherheit nicht korrekt funktionierte. Diese Entdeckung zog weitere Verzögerungen vor dem Wiederanfahren der Anlage nach sich. Die Verfügbarkeit des japanischen Reaktorparks betrug zum Ende des Betriebsjahrs am 31. März 2009 wiederum nur 60 %.
Im Februar 2009 erteilte die Reaktorsicherheitsbehörde die Erlaubnis zum Wiederanfahren des Blocks 7, von dem angenommen wird, er habe vom Erdbeben die geringsten Schäden erlitten. Am
5. März 2009 aber brach zum achten Mal während der Vorbereitung zum Wiederanfahren des AKW Kashiwasaki Feuer aus, sodass die Feuerwehr der Präfektur Niigata um zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen bat. Am 8. Mai 2009 gaben die örtlichen Kontrollinstanzen “auf intensives Drängen durch TEPCO und die Zentralregierung” schließlich grünes Licht für einen Neustart des Blocks 7, trotz lebhafter örtlicher Proteste. [332] Was mit den übrigen Reaktoren von Kashiwasaki geschehen wird, bleibt weiterhin unklar.
Offiziell sind in Japan zwei Reaktoren in Bau, 2003 waren es drei. Der Monju-Reaktor ist immer noch „langfristig außer Betrieb”. Weitere Ausbaupläne sind vage und wurden mehrfach zurückgestuft. Baustarts bei Ohma, Fukushima und Higashidori sind erneut um mindestens ein Jahr hinausgeschoben. Toshiba als Westinghouse-Eigentümer hat für das vergangene Wirtschaftsjahr einen Rekordverlust von 3,6 Mrd. $ gemeldet und hat für das laufende Jahr sein Investitionsbudget um 42 % zusammengestrichen. [333]
Die Plutonium-Abtrennanlage von Rokkasho-mura hatte im März 2006 den Versuchsbetrieb aufgenommen. Diese Wiederaufarbeitungsanlage mit einer Nominalkapazität von 800 Tonnen pro Jahr meldete schon vor Ablauf der ersten vier Betriebswochen technische Probleme – es gab ein Leck im Dekontaminationstank für Brennstoffhüllsen und Strukturteile. Die Unfälle und Skandale der letzten Jahre haben den Beginn der Plutoniumrückführung in MOX-Brennelementen (Uran-Plutonium Mischoxydbrennstoff) verzögert. Bisher kamen MOX-Brennelemente in Japan nicht zum Einsatz, aber das Land ist Eigentümer von 47 Tonnen Plutonium, von denen etwa 38 Tonnen bei den Wiederaufarbeitungsanlagen Frankreichs und des Vereinigten Königreichs lagern. Am 18. Mai 2009 traf eine Schiffsladung mit MOX-Brennelementen aus Frankreich mit einem Plutoniumgehalt von 1,7 Tonnen in Japan ein. Baubeginn für eine eigene japanische Brennelementefabrik für MOX-Brennstoff ist mit vielen Jahren in Verzug; nun ist er für November 2009 geplant. Zusätzlich auferlegte Erdbeben-Vorkehrungen haben den Kostenvoranschlag nochmals um 46 % auf umgerechnet jetzt 2 Mrd. US$ hochgetrieben. [334]
Pakistan [335] betreibt zwei Reaktoren, die 1,9 % zur pakistanischen Stromproduktion beitragen (2003: 2,4 %). Ein zusätzlicher Reaktor, geliefert aus China, ist im Bau. Wie Indien nutzt auch Pakistan die Reaktoren für militärische Zwecke. Außerdem hat Pakistan ein komplexes internationales Lieferantennetzwerk auf dem Schwarzen Markt zur illegalen Beschaffung von Komponenten für sein Atomwaffenprogramm aufgebaut, unter Einschluss europäischer Bezugsquellen. [336] Unmittelbar im Anschluss an die indischen Atomwaffentests 1998 zündete auch Pakistan mehrere atomare Sprengsätze. Internationale atomtechnische Zusammenarbeit war legal unmöglich, weil Pakistan wie Indien nicht dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist und eine alles umfassende Überwachung seiner atomtechnischen Aktivitäten nicht gestattet. Das Atomenergieprogramm Pakistans wird deshalb wahrscheinlich seinen überwiegend militärischen Charakter beibehalten. Die aktuelle Sicherheitslage rund um das Atomprogramm angesichts des Näherrückens der Talibankräfte in die Nähe der pakistanischen Hauptstadt wird kaum dazu beitragen, dass die Gruppe der Atomtechnik-Lieferstaaten ihre Liefersperre für internationale Hilfs-und Lieferbeziehungen wie im Fall Indien lockert.
Auf der koreanischen Halbinsel betreibt die Republik Südkorea (ROK) 20 Reaktoren, die 35,6 % des nationalen Stromangebots liefern (2003: 40 %). Zusätzlich befinden sich fünf Reaktoren „in Bau“ und für zwei weitere Blöcke soll noch 2009 Baubeginn sein. Über lange Jahre galt Südkorea neben China als wichtigster Zukunftsmarkt bei der Nutzung der Atomenergie. Der Eintritt ins Atomzeitalter war im Lande kaum umstritten, doch in den 90er Jahren setzte eine größere öffentliche Kontroverse um die Atomenergie ein, insbesondere wegen der Entsorgungsprobleme. Dies hat den weiteren Ausbau praktisch zum Erliegen gebracht. Die jetzige Regierung hat die Projekte wieder angekurbelt und gab im Dezember 2008 Pläne bekannt, die bis 2022 den Bau von zusätzlich zwölf Reaktoren vorsehen und den Anteil des Atomstroms von jetzt 34 % auf 48 % des landesweiten Stromaufkommens steigern sollen. [337]
Die Demokratische Republik Korea (Democratic People’s Republic of Korea -DPRK) hat keinen Reaktor in Betrieb. Eine Vereinbarung aus dem Jahr 1994 sah den Bau von zwei Leistungsreaktoren mit technischer und finanzieller Hilfe durch die USA, die EU und weitere Staaten vor. Als Gegenleistung sollte die DPRK jegliche Atomwaffenforschung und -entwicklung einstellen. Im Jahr 2002 warfen die Vereinigten Staaten der DPRK den Bruch dieser Vereinbarung vor. Zwar stellte sich heraus, dass die Vorwürfe aus USA überzogen waren, doch trat die DPRK aus dem Sperrvertrag aus und begann damit, seine Atomrüstung offen weiterzubetreiben. Daraufhin wurde das Reaktorprojekt eingefroren. Am 7. Oktober 2007 zündete Nordkorea demonstrativ einen atomaren Sprengsatz. Nach einer intensiven Verhandlungsrunde unterzeichnete Nordkorea am 13. Februar 2007 einen “Nordkorea-Aktionsplan zur Denuklearisierung” und erklärte sich bereit, “die Atomanlage von Yongbyon abzuschalten und versiegeln zu lassen mit dem Ziel einer späteren definitiven Betriebsaufgabe einschließlich der Wiederaufarbeitungsvorrichtung. Vertreter der IAEO sollten erneut einreisen dürfen, um alle erforderlichen, mit der IAEO vereinbarten Kontrollen und Verifizierungen vorzunehmen. [338] Doch im Lauf des Jahres 2008 begann die DPRK mit verschiedenen Aktivitäten zur potentiellen Reaktivierung ihres Atomwaffen-und Raketenprogramms und nährte so erneut Zweifel an ihrer Abrüstungsbereitschaft. Im Mai 2009 detonierte ein weiterer atomarer Sprengsatz. Jedenfalls gibt es keine Gespräche mehr über den Weiterbau der beiden Reaktoren, die entsprechend dem früheren internationalen Abkommen bereits in Bau waren.
Taiwan betreibt sechs Reaktoren, die 19 % zur Stromproduktion des Landes beitragen (2003: 21,5 %). Zwei 1 350 MWe “Advanced Boiling Water Reactors” (ABWR) sind von der IAEO als am Standort Lungmen nahe Taipei “in Bau” gelistet. Sie sollten ursprünglich schon 2006-2007 in Betrieb gehen, doch sind wiederholt Verzögerungen, jetzt bis mindestens 2011-2012, gemeldet worden. Der letzte ans Netz angeschlossene Reaktor hat 1985 den Betrieb aufgenommen. Alle Reaktoren wurden aus den USA geliefert. Für die beiden noch in Bau befindlichen Blöcke wurden zunächst “schlüsselfertige” Angebote unterbreitet, diese wurden von taiwanesischer Seite aber abgelehnt. Stattdessen erhielt General Electric den Auftrag zur Lieferung der nuklearen Reaktorkomponenten, Mitsubishi für die Turbinen; die übrigen Ausrüstungen wurden bei verschiedenen weiteren Lieferanten bestellt. Als die Reaktoren zu einem Drittel fertiggebaut waren, stornierte eine neue Regierung die Aufträge, doch ein Jahr später, nach Einreichung einer Gerichtsklage und einem entsprechenden Regierungsbeschluss, ging es mit dem Bau weiter. [339] Im März 2009 teilte der staatliche Stromversorger Taipower dem Parlament mit, man benötige eine zusätzliche Finanzierung von 1,1-1,5 Mrd. US$ um die beiden Reaktoren mit fünf Jahren Verspätung 2012 betriebsbereit zu haben. Diese Baukostenerhöhung würde die Gesamtkosten für die beiden Blöcke auf 7,8-8,1 Mrd. US$ steigen lassen. [340]
Anfang August 2009 wurden in 15 der 27 Mitgliedsstaaten der erweiterten Europäischen Union 144 Reaktoren betrieben – etwa ein Drittel des globalen Reaktorbestandes, und 33 Reaktorblöcke weniger als noch 1989. Die große Mehrheit dieser Anlagen, 124 (2003: 132) steht in acht der 15 westlichen EU-Länder, und nur 20 befinden sich in den sieben neuen EU-Staaten mit Atomenergie. Das heißt, fast 90 % der in der EU betriebenen Reaktoren befinden sich in den westlichen EU-Ländern, und doch scheint sich die öffentliche und politische Aufmerksamkeit – vor allem in Fragen der Reaktorsicherheit – auf die östlichen Standorte zu konzentrieren.
2008 kamen 28 % des in der EU produzierten Stroms aus Atomkraftwerken (2003: 31), und fast die Hälfte (47 %) des Atomstroms kam aus einem einzigen Land: Frankreich.
Quelle: IAEA-PRIS, MSC, 2009
In Westeuropa überschätzt die Öffentlichkeit zumeist den Anteil der Elektrizität am gesamten Energieangebot und besonders die spezifische Rolle der Atomenergie. Doch der Anteil des Stroms am gesamten Primärenergieverbrauch der EU15 entspricht nur etwa einem Fünftel. Die 124 zurzeit in den EU15-Staaten betriebenen Reaktoren lieferten 2008: • weniger als ein Drittel des Stroms; • ca. 12 % des kommerziellen Primärenergieverbrauchs; • weniger als 6 % des gesamten Endenergieverbrauchs.
Zwei Reaktoren sind zurzeit in EU15-Staaten im Bau, einer in Finnland und einer in Frankreich. Seit Baubeginn des zweiten Blocks am französischen Standort Civaux im Jahr 1991 waren in den EU15.Staaten keine neuen Reaktorbauprojekte mehr in Angriff genommen worden. Bis auf die französische Ausnahme war sogar seit 1980 in Westeuropa – abgesehen von dem aktuellen finnischen Projekt – kein neuer Reaktor mehr in Auftrag gegeben worden, d.h. ein Auftrag in 29 Jahren.
Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick – nach Ländern, in alphabetischer Reihenfolge.
In Belgien laufen sieben Reaktoren; sie liefern 53,8 % (2003: 55,5 %) des Stroms, einen der weltweit höchsten Atomstromanteile. 2002 verabschiedete Belgien ein Ausstiegsgesetz, demzufolge die Reaktoren nach Erreichen einer Altersgrenze von 40 Jahren abzuschalten sind. Das bedeutet, dass die belgischen AKW in den Jahren 2014 bis 2025 endgültig abgeschaltet werden.
Das Ausstiegsgesetz wurde zwar von einer Koalition unter Einschluss der Grünen Partei verabschiedet, doch hat keine der seither regierenden Nachfolgeregierungen diesen Beschluss in Frage gestellt.
Finnland betreibt zurzeit vier Reaktorblöcke, die 29,7 % (2003: 27 %) des finnischen Stromaufkommens abdecken. Im Dezember 2003 hat Finnland als erstes westeuropäisches Land seit 15 Jahren einen neuen Reaktor im in Auftrag gegeben. Der Stromversorger TVO unterzeichnete einen Auftrag an das französisch-deutsche Konsortium Framatome-AN (jetzt AREVA NP, 66 % AREVA, 34 % Siemens) zur schlüsselfertigen Errichtung eines 1 600 MW-EPR (European Pressurized Water Reactor). Baubeginn war August 2005. Dreieinhalb Jahre danach ist das Projekt um mehr als drei Jahre verspätet und mindestens 55 % über seinem Budget. Die Verluste der Reaktorbauer werden aktuell auf 1,7 Mrd. € geschätzt (siehe Kapitel III. für eine eingehende ökonomische Analyse). Es ist nach wie vor unklar, wer diese Mehrkosten tragen muss.
Ein ungewöhnlich kritischer Bericht der finnischen Reaktorsicherheitsbehörde “STUK” benennt eine Reihe von Gründen für die Verzögerung: Der zeitliche und finanzielle Aufwand für den detaillierten Entwurf des „OL3“-Reaktors wurden eindeutig unterschätzt, als man sich über das Gesamtkonzept verständigte (…). Probleme ergaben sich auch aus der anfänglichen Unkenntnis des Reaktorbauunternehmers hinsichtlich der in Finnland geltenden Vorschriften und Gepflogenheiten. (…) Die größten Probleme aber liegen beim Projektmanagement (…). Die Reaktorlieferanten haben Subunternehmer unter Vertrag, die keine Erfahrung mit der Errichtung atomtechnischer Anlagen haben. Diese Subunternehmer erhielten für ein reibungsloses Baugeschehen unzureichende Anleitung und Supervision (...). Der Lieferant ist für die Überwachung der Herstellung der Stahlauskleidung des Sicherheitsbehälters verantwortlich. Diese Auskleidung soll bei Reaktorunfällen verhindern, dass radioaktive Substanzen durch irgendwelche Lecks im Sicherheitsbehälter in die Umwelt entweichen. Die Auswahl und Qualitätskontrolle des hierfür verwendeten Stahls wurde einem Unterauftragnehmer übertragen, der den Stahlliner projektierte und an FANP [AREVA NP] zulieferte. Das Subunternehmen hatte keine Erfahrung im AKW-Bau, für ihn kamen die Anforderungen hinsichtlich Qualitätskontrolle und Bauüberwachung überraschend (…). [341]
Dies war nicht die letzte Episode in der langen Serie von Querelen um den Bau des “OL3” (siehe Chronologie im Anhang 4). Im May 2009 ordnete STUK die Einstellung von Schweißarbeiten am primären Rohrleitungssystem an, weil zum wiederholten Male Materialfehler entdeckt worden waren. STUK-Abteilungsleiter Martti Vilpas kommentierte: “So geht das nicht weiter.” [342]
Die fortwährenden Bauverzögerungen bei OL3 sind ein schwerer Schlag nicht nur für die Stromversorgungspläne des Auftraggebers TVO und der etwa 60 Großkunden, die sich in einem Projektkonsortium zusammengeschlossen haben, sondern auch für die finnische Regierung. Auf OL3 stützt sich u.a. die Klimaschutzstrategie der finnischen Regierung, deren Ziel ein Nullwachstum der 1990er Emissionen nach dem Kyoto-Protokoll ist. 2006 war man mit den Emissionen schon um 13 % über denen von 1990. Der Ausfall des OL3 könnte Finnland dazu zwingen, die teuren flexiblen Kyoto-Mechanismen als Ausgleich für vermehrte Emissionen Finnlands in Anspruch zu nehmen.
Der Ärger mit dem OL3 hat die TVO nicht daran gehindert, im April 2008 einen positiven Vorbescheid für den Bau eines OL4 zu beantragen, diesmal eines 1-1,8 GW-Reaktors, mit dessen Bau 2013 begonnen werden soll und dessen Betriebsaufnahme für die „späten 2010er Jahre“ vorgesehen ist. [343] Parallel dazu plant Fortum Power ein ähnliches Projekt am Standort Loviisa. Fennovoima Oy hat im Januar 2009 beim Wirtschaftsministerium einen Vorbescheid für ein neues Reaktorprojekt an einem der folgenden Standorte beantragt: Pyhäjoki, Ruotsinpyhtää, oder Simo. Die Umweltverträglichkeits.prüfungen für diese Projekte endeten im Februar 2009. Es sind aber für keines der Vorhaben bisher politische Entscheidungen gefallen, und es sind auch noch keine Ausschreibungen erfolgt. Es ist also zurzeit noch schwierig, die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung einzuschätzen.
Am Standort Olkiluoto plant Finnland auch ein Endlager für abgebrannte Brennelemente. Ein Betreiber Posiva Oy hat einen Vorbescheid für eine Kapazitätserhöhung von 6 000 Tonnen auf 12 000 Tonnen beantragt, um dort nicht nur die Abfälle von Olkiluoto-4, sondern auch die von Loviisa-3 einzulagern. [344]
Frankreich ist in der internationalen Atomenergiewirtschaft eine Ausnahmeerscheinung. Vor 35 Jahren lancierte die französische Regierung der Welt größtes staatliches Atomenergieprogramm als Reaktion auf die sogenannte Ölkrise von 1973. Damals wurden allerdings ganze 12 % des französischen Ölbedarfs für die Stromerzeugung eingesetzt. Dreißig Jahre später hat Frankreich seinen Verbrauch an fossiler Energie (Öl, Gas und Kohle) nur um 10 % senken können, der Mehrverbrauch an Öl im Verkehrssektor übersteigt bei weitem die im Stromsektor durch Atomenergie eingesparte fossile Energie. Der Pro-Kopf-Ölverbrauch Frankreichs ist heute höher als in Deutschland, Italien, dem Vereinigten Königreich oder als der Durchschnitt aller EU27-Länder. [345]
2008 lieferten 59 französischen Reaktoren [346] 76,2 % des französischen Netzstroms (2003: 77,7 %), obwohl lediglich 55 % der installierten Kraftwerkskapazität auf Atomenergie beruhen. Am 6. März 2009 ging der mit 36 Jahren älteste französische Reaktor, der Schnelle Brüter Phénix in Marcoule, definitiv vom Netz. Die Betreiber (EDF und CEA) enthielten sich, die Öffentlichkeit zu informieren. Dabei ist dies durchaus ein historischer Moment, der das Ende der einst vielversprechenden operationellen Brütertechnologie in Frankreich bedeutet. Es sollen noch einige Experimente durchgeführt werden, bevor er im November 2009 endgültig abgeschaltet wird.
Frankreich hat eine riesige Überkapazität mit der Folge, dass es seinen Stromüberschuss zu Dumpingpreisen in die benachbarten Märkte drückt und den Stromeinsatz für höchst ineffiziente thermische Anwendungen gefördert hat. Eine einsame Winterbedarfsspitze von 92 GW steht einer installierten Kapazität von knapp 120 GW gegenüber. Selbst bei Vorhaltung einer komfortablen Kapazitätsreserve von 20 % könnte man auf 20 der 34 900 MW-Blöcke eigentlich verzichten. Kein Wunder also, dass ein Äquivalent von etwa 10 Reaktoren für den Export arbeitet, und dass Frankreich weiterhin das einzige Land der Welt ist, das über 40 seiner Reaktoren nicht nur in der Grundlast fährt, sondern die Produktion der Lastkurve anpasst (load following).
Andererseits sind die saisonalen Lastspitzen seit Mitte der 80er Jahre wegen der Verwendung von Strom für Raumheizung und Warmwasser geradezu explodiert. Etwa ein Viertel aller französischen Haushalte heizen mit Strom – eine der verschwenderischsten Formen der Primärenergieverwendung, weil der größte Teil davon bei der Energieumwandlung und bei Transport und Verteilung von Strom verloren geht. Der Abstand vom tiefsten Lasttal im Sommer zur höchsten winterlichen Lastspitze beträgt jetzt 60 GW. Das ist ein sehr ineffizienter Verlauf einer Lastkurve, da erhebliche Kraftwerkskapazitäten für sehr kurze Bedarfsperioden im Winter vorgehalten werden müssen. Dieser Verbrauchssektor wird nicht nur mit Atomstrom bedient, sondern vor allem mit fossilen Kraftwerken oder mit teurem Spitzenlast-Importstrom. So musste Frankreich 2008 19 TWh Spitzenstrom zu einem wahrscheinlich sehr hohen Preis aus Deutschland zukaufen. Als Reaktion darauf hat der staatliche Stromversorger EDF zwei sehr alte Ölkraftwerke reaktiviert – das älteste ist 1968 erstmals ans Netz gegangen – und baut neue thermische Kraftwerke, um mit dem Spitzenlast-Phänomen fertigzuwerden. Heute liegt der pro-Kopf-Stromverbrauch Frankreichs 25 % höher als der Italiens (das nach dem Tschernobyl-Unglück 1986 aus der Atomenergie ausgestiegen ist) und 15 % höher als der Durchschnitt aller EU27-Staaten. Auch der pro-Kopf-Verbrauch an Primärenergie ist in Frankreich bedeutend höher als zum Beispiel in Deutschland.
Berücksichtigt man die bestehenden Überkapazitäten und das Durchschnittsalter von 25 Jahren der französischen Atomkraftwerke, dann benötigt Frankreich auf lange Zeit keine neuen Reaktoren. Weitere Einflussfaktoren zeigen in die gleiche Richtung: vFührende Vertreter der Energiewirtschaft Frankreichs gestehen privat seit langem ein, dass man mit dem Atomenergieanteil des nationalen Energiemixes zu weit gegangen ist, und dass der atomare Anteil künftig etwa 60 % nicht überschreiten sollte. • Es ist nicht plausibel, dass Frankreich AKW allein für den Export errichtet. Das wäre viel zu teuer, besonders in liberalisierten Energiemärkten. • EDF beabsichtigt, seine Reaktoren mindestens 40 Jahre lang zu betreiben. • AREVA schickt sich an, eine neue Zentrifugenanlage zur Urananreicherung am Standort Tricastin in Betrieb zu nehmen, um die alte Gasdiffusionsanlage zu ersetzen. Damit wird künftig der Stromoutput von drei 900 MW-Reaktoren eingespart. • Viele der künftig stillzulegenden Anlagen sollten nicht durch Neubauten, sondern durch Energieeinsparungen ersetzt werden.
Es wird deshalb viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, dauern, bis neue Grundlastkraftwerke in Frankreich gebaut werden müssen. Wenn die französische Regierung und EDF sich jetzt trotzdem zum Bau eines neuen Blockes entschlossen haben, dann deshalb, weil die Atomindustrie sich in Frankreich, wie in anderen Ländern, von einem ernsten Kompetenzverlust bedroht sieht (siehe Kapitel II).
Im Dezember 2007 begann Frankreich mit der Errichtung des Reaktors Flamanville-3. Der „FL3“ hatte bereits unter ähnlichen Problemen der Qualitätskontrolle bei sicherheitstechnisch wichtigen Beton-und Stahlkomponenten zu leiden wie das finnische OL3-Projekt, dessen Bau zweieinhalb Jahre früher begann. Nach wiederholten ähnlichen Vorfällen stoppte die französische Atomsicherheitsbehörde ASN im Mai 2008 für mehrere Wochen das Zementieren der Reaktorbodenplatte. Ende September 2008 betrachtete die ASN das Geschehen am Bauplatz immer noch als “verbesserbar“. ASN-Inspektoren hatten entdeckt, dass die Dokumentation der Schweißarbeiten “nicht ermöglicht, eine Übereinstimmung mit den Vorschriften” nachzuweisen. [347]
Ende Oktober 2008 stellten die Aufsichtsbehörden Probleme mit den Qualitätskontrollen beim Hersteller AREVA fest. Einer der Subunternehmer von AREVA, die italienische “Società delle Fucine”, hatte sich nicht an die vorgeschrieben Fabrikationsmethoden gehalten, sodass ASN im Mai 2009 zwei der drei von der Società gelieferten Druckerzeuger-Schmiedestücke zurückwies. Die beiden Komponenten müssen nochmals hergestellt werden. Aber die Probleme beschränken sich nicht auf die Reaktoren selbst. Das vorhandene Höchstspannungsnetz ist für die Fortleitung des zusätzlichen Stroms aus dem neuen Reaktor nicht ausreichend dimensioniert. Nun ist eine zusätzliche Trasse in der Planung und provoziert massiven Widerstand in der Bevölkerung.
Die beiden Unternehmen EDF und AREVA befinden sich in scharfer Konkurrenz um die Inbetriebnahme eines ersten EPR. EDF war nicht begeistert davon, dass AREVA ein schlüsselfertiges Angebot für Olkiluoto-3 gemacht hatte, denn bei allen vorherigen Reaktorprojekten war EDF für Projektmanagement bzw. Bauleitung verantwortlich, während AREVA lediglich als Komponentenhersteller fungierte. In bespielloser Manier dementierte EDF in einer Presseerklärung die Aussage der AREVA Chefin Anne Lauvergeon, FL3 habe ein Jahr Verspätung, und behauptete, das Projekt sei voll im Plan. [348] Gut unterrichtete Kreise bei der ASN gaben im Mai 2009 die Sprachregelung aus, OL3 und FL3 seien nur wenige Monate auseinander.
Frankreich betreibt eine große Zahl weiterer atomtechnischer Anlagen einschließlich Urankonversion und Urananreicherung, Brennelementeherstellung und Plutoniumverarbeitung. Frankreich und das Vereinigte Königreich sind die einzigen Länder der EU, die Plutonium aus bestrahltem Uranbrennstoff zurückgewinnen – ein als Wiederaufarbeitung bezeichnetes Verfahren. Die beiden hierfür zugelassenen Wiederaufarbeitungsanlagen bei La Hague haben die Zulassung, jährlich 1 700 Tonnen abgebrannten Brennstoff wiederaufzuarbeiten. Doch fast alle hierfür infrage kommenden ausländischen Kunden haben ihre Wiederaufarbeitungsverträge beendet und sind an der Wiederaufarbeitung nicht mehr interessiert. Ende 2008 war der Restbestand an ausländischem Brennstoff in La Hague auf unter eine Tonne geschrumpft. Der Betreiber von La Hague, AREVA NC, hängt deshalb vollkommen von der französischen EDF als einzigem zukünftigen Großkunden ab. Ende 2008 unterzeichneten die beiden Unternehmen eine langfristige Rahmenvereinbarung über Wiederaufarbeitung und Herstellung von plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen bis zum Jahr 2040.
In Deutschland sind 17 Reaktoren in Betrieb, die im Jahre 2008 nach IAEO-Angaben 28,3 % des Stroms ans Netz geliefert haben. Die IAEO berücksichtigt dabei offensichtlich nicht die industrielle oder private Eigenproduktion von Elektrizität. Die amtliche deutsche Statistik gibt als Wert für den Atomenergie-Anteil am gesamten Stromangebot 23,3 % für das Jahr 2008 an; 1997 waren es noch 30 %. [349]
2002 hat das deutsche Parlament ein Gesetz über den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergienutzung beschlossen, demzufolge die AKW nach umgerechnet durchschnittlich 32 Volllast-Betriebsjahren abgeschaltet werden müssen. Den AKW-Betreibern wurde allerdings ein “Gesamtbudget” für die noch erlaubte Produktion von Atomstrom in Höhe von 2 623 Mrd. kWh eingeräumt, ein Volumen, das dem der jährlichen globalen Produktion von Atomstrom entspricht. Außerdem dürfen die Betreiber Stromkontingente aus dem Budget zwischen ihren Reaktoren hin-und herschieben, sofern die Empfängeranlage nicht älter als die Geberanlage ist.
Zwei AKW sind aufgrund des Ausstiegsgesetzes bereits abgeschaltet worden, Stade und Obrigheim. Ein drittes AKW war seit 1988 „längerfristig außer Betrieb“ und wurde nach dem neuen Gesetz nun ebenfalls endgültig vom Netz genommen. Der Bau neuer Reaktoren und die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente (über die bis zum 30.6.2005 bereits an ausländische Wiederaufarbeiter gelieferte Mengen hinaus) sind nach dem Gesetz untersagt.
Im Juni 2007 kam es an den AKW Brunsbüttel und Krümmel zu technischen Störungen, die eine erneute Vertrauenskrise gegenüber dem Atomenergie-Sektor auslösten: Drei Spitzenmanager des Betreibers Vattenfall verloren ihre Jobs und die Reaktoren blieben für ausgedehnte Revisionen und Nachrüstungsmaßnahmen eineinhalb Jahre lang abgeschaltet. Während Brunsbüttel auch bis Juli 2009 nicht wieder angeschaltet wurde, scheiterte Anfang Juli 2009 der Versuch Krümmel wieder ans Netz zu schalten an einem neuen Störfall mit ähnlicher Ursache wie 2007.
Auch zwei weitere Reaktoren, die Blöcke A und B des AKW Biblis, wurden schon Anfang 2007 „für Wartungsarbeiten“ abgeschaltet. Biblis-B wurde am 1. Dezember 2007 wieder angefahren, doch Biblis-A war bis Februar 2008 außer Betrieb. Es gibt Spekulationen darüber, dass der Betreiber RWE die Abschaltzeiten künstlich verlängerte, um die geplante Endabschaltung dieses Reaktors über den festgelegten Termin im September 2009 hinauszuschieben, in der Hoffnung, die im Herbst neu zu wählende Regierung werde das Ausstiegsgesetz dann kippen.
Der oben genannte Störfall im Juli 2009 und weitere Zwischenfälle im AKW Krümmel bei Hamburg lösten in Bevölkerung und Politik nicht nur Sorgen bezüglich der Sicherheit sondern auch Verärgerung über den Betreiber Vattenfall aus. Während die technischen Probleme (Kurzschluß im Transformator, Brennelementschaden) die Beherrschbarkeit des Reaktors nicht direkt in Frage stellten, so verstärkte sich trotz Austauschs des Betriebsleiters der Eindruck, der Betreiber bekomme die Anlage einfach nicht in den Griff. Außerdem wurde die Kommunikationspolitik von Vattenfall heftig kritisiert. In einer Umfrage haben sich fast drei Viertel der Befragten für die sofortige Abschaltung der älteren deutschen AKW ausgesprochen [350] . Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Walter Steinmeier hat ebenfalls gefordert, den „Pannenreaktor“ umgehend vom Netz zu nehmen.
Die jetzige Große Koalition zwischen Christlichen Demokraten und Sozialdemokraten hat zum Ausstiegsgesetz gestanden. Die Sozialdemokraten haben sich wiederholt zum Atomausstieg bekannt, während die Christdemokraten zwar Neubauten ebenfalls ablehnen [351] , aber Laufzeitverlängerungen bei bestehenden Kraftwerken befürworten. Die Krümmel-Affäre macht die Atomkraft zum Wahlkampfthema. Das geltende Ausstiegsgesetz und die laufenden Planungen sehen die endgültige Abschaltung der noch laufenden Reaktoren in den Jahren von 2010 bis 2022 vor. In der kommenden Legislaturperiode bis 2013 müssen nach gegenwärtigem Stand sieben Reaktoren endgültig vom Netz genommen werden.
Die Atomindustrielobby hat die Hoffnung auf eine Zurücknahme des Ausstiegsgesetzes nicht aufgegeben. Doch wäre kein Stromversorgungsunternehmen bereit, einen neuen Reaktor bauen zu lassen. Allerdings haben deutsche Stromversorger Interesse daran, sich an Projekten im Ausland zu beteiligen – z.B. in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in Osteuropa. Die Atomenergienutzung hat in der mehrheitlich atomkritisch eingestellten deutschen Öffentlichkeit keine Zukunft. Eine vom Bundesumweltministerium im April 2009 beauftragte Umfrage ergab, dass 35 % der Befragten (+6 % gegenüber 2005) den Atomausstieg beschleunigen wollen, während 31 % den geltenden Ausstiegsplan unterstützen und nur 12 % den Ausstieg gern hinauszögern würden. Wie schon 2005 finden nur 18 %, dass Deutschland die Atomenergie beibehalten sollte. [352]
In den Niederlanden läuft nur ein einziger, schon 36 Jahre alter 480 MW-Reaktor bei Borssele, der 3,8 % des niederländischen Stroms liefert. Es gab zwar eine politische Entscheidung für die Abschaltung des AKW bis 2004, doch wurde diese aufgrund einer Gerichtsklage des Betreibers wieder aufgehoben. Im Juni 2006 kam es zu einer Vereinbarung des Betreibers mit der Regierung, die unter bestimmten Bedingungen einen Weiterbetrieb bis 2033 zulässt. “Der Weiterbetrieb müsse unter optimalen Sicherheitsbedingungen erfolgen, und die Betreiber, DELTA und Essent, müssen 250 Mio € für Projekte der Erneuerbaren Energien beitragen. Die Regierung gab ihrerseits 250 Mio € dazu und vermied so eine finanzielle Entschädigung der Betreiber, die diese bei verfrühter Abschaltung sonst hätten fordern können.“ [353]
Im Juni 2009 erklärte der regionale Stromversorger DELTA, zur Hälfte Anteilseigner von Borssele, bis 2011 einen Genehmigungsantrag für ein neues AKW mit bis zu 2 500 MW stellen zu wollen. Einzelheiten sind bisher nicht bekannt.
Anfang 2004 verlängerten die AKW-Betreiber (EPZ) ihren Wiederaufarbeitungsvertrag mit der AREVA NC. Eine merkwürdige Entscheidung, denn die Niederländer haben keine Verwendung für abgetrenntes Plutonium. Stattdessen bezahlt EPZ die französische EDF dafür, dass sie das Plutonium übernimmt.
Spanien hat acht Reaktoren in Betrieb, die 18,3 % des spanischen Stroms liefern (2003: 23,6 %). Abgesehen von einem bereits Jahre währenden faktischen Atomenergie-Moratorium ist für die jetzige Regierung Zapatero seit ihrem Regierungsantritt im April 2004 der “allmähliche Atomausstieg” einer der wichtigsten Programmpunkte. Gleichzeitig werden verstärkt Fördermittel für Erneuerbare Energien in Verfolgung der Ziele des Kyoto-Protokolls eingesetzt. Als erstes wurde Ende 2006 der Reaktor “José Cabrera” abgeschaltet. Zapatero hat nach seiner Wiederwahl 2008 das Ausstiegsziel bekräftigt, und sein Industrieminister Miguel Sebastian verkündete: “Es wird keine neuen Atomkraftwerke geben.” [354] Indessen beschäftigt sich der spanische Atomsicherheitsrat (CSM) mit der Möglichkeit, die Laufzeiten der verbliebenen Reaktoren auszudehnen. Die Betriebsgenehmigungen von sieben Blöcken laufen während der jetzigen Legislaturperiode aus. Am 5. Juli 2009 hat die spanische Regierung die Betriebsgenehmigung für das 38-Jahre alte AKW Garoña nur um vier Jahre bis 2013 verlängert, während die Atomsicherheitsbehörde sich für eine Verlängerung bis 2019 ausgesprochen hatte.
Die jetzige Regierung gibt der Energieeinsparung erste Priorität. „Einsparung von 20 % bringt soviel wie eine Verdoppelung unseres AKW-Bestandes“, sagt Industrieminister Miguel Sebastian. „Energieeinsparung ist billiger und außerdem auch schneller -während neue AKW 15 Jahre bis zur Betriebsaufnahme brauchen. Wir haben keine Auseinandersetzungen, keine Entsorgungs-oder Sicherheitsprobleme, gar nichts“. [355] Außerdem ist Spanien in den letzten Jahren zum wichtigsten Betreiber von solaren Energieanlagen geworden [356]. Bei der Windkraft steht Spanien weltweit an dritter Stelle.
In Schweden liefern 10 Reaktoren 42 % des Stroms (2003: 50 %). Schweden hat einen der höchsten Pro-Kopf-Energieverbräuche der Welt. Der wesentliche Grund dafür ist der energetisch ineffiziente Einsatz von Strom für die Raumheizung und Warmwasser, für die etwa ein Viertel der Elektrizität in Schweden verwendet wird.
Schweden hatte bei einer Volksabstimmung 1980 einen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2010 beschlossen. Dieses Referendum war eine paradoxe Geschichte, da erst 6 von insgesamt 12 geplanten Reaktoren in Betrieb waren – die übrigen 6 waren noch in Bau. Insofern war es mehr eine „Limitierung des Atomenergieprogramms“ als ein „Ausstieg“. Nach der Tschernobyl-Katastrophe beschloss Schweden die Abschaltung zweier Reaktoren bis 1995-6, doch wurde dieser Termin Anfang 1991 wieder gestrichen. Am Vollzugstermin 2010 für den Ausstieg wurde bis Mitte der 90er Jahre festgehalten. Doch die lebhafte Debatte über die Zukunft der Atomenergie hielt an und führte zu einem Allparteien-Konsens. Der Beginn des Ausstiegs soll nun vorverlegt werden, aber die Ziellinie 2010 ist aufgehoben. So kam es 1999 zur ersten Reaktorstilllegung, der Block 1 des AKW Barsebäck wurde abgeschaltet; Block 2 ging 2005 vom Netz.
Am 5. Februar 2009 vereinbarte die konservative Regierungskoalition eine Energie-und Klimaschutzpolitik mit hochgesteckten Zielen für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung. Diese Vereinbarung sieht außerdem die Streichung des Atomausstiegs und des Verbots neuer Reaktorprojekte vor. Doch trifft diese Vereinbarung auf einige erschwerende Begleitumstände [357]: • Die Regierungskoalition verfügt im Parlament nur über eine knappe Mehrheit von 178 zu 171. Für den Bau neuer Reaktoren sind Gesetzesänderungen erforderlich. Die Opposition aus Sozialdemokraten, Grünen und Linken lehnen Atomenergie eindeutig ab. Sie können die Pro.Atom-Politik der Regierung bei den kommenden Wahlen 2010 zu Makulatur machen. • Neue Reaktorblöcke sollen nur gebaut werden, wenn ein alter außer Betrieb geht. Die Zahl der betriebenen Reaktoren wird also nicht erhöht. • “Die Regierung wird die Atomenergie nicht subventionieren – weder direkt noch indirekt.” • Die Haftpflicht-Limits werden angehoben, so dass "AKW-Betreiber mehr Verantwortung für die Risiken der Atomenergie übernehmen müssen.” • Die ehrgeizigen Ziele für 2020 beinhalten einen 50 %-Beitrag der Erneuerbaren Energien zum Primärenergieaufkommen, Steigerungen der Energieeffizienz um 20 % und einen jährlichen Windstrom-Beitrag von 30 TWh. Das lässt wenig oder keinen Raum für zusätzlichen Atomstrom.
Im Vereinigten Königreich liefern 19 Reaktoren (2003: 23) 13.4 % des gesamten Stroms (2003: 22 %). Die erste AKW-Generation der Magnox-Reaktoren, von denen einmal 11 Blöcke in Betrieb waren, ist größtenteils stillgelegt und die letzten beiden Anlagen gehen in ein bis zwei Jahren vom Netz. Die sieben Reaktoren der zweiten Generation, sog. „Fortgeschrittene Gasgekühlte Reaktoren (AGR)“ nähern sich ebenfalls der Altersgrenze; die Betreiber hoffen auf eine Laufzeitverlängerung bis auf 40 Jahre, dann müssten die Blöcke im Zeitraum 2016-2029 endgültig abgeschaltet werden. Die Laufzeitverlängerung ist noch nicht entschieden. Die AGR-Technik war zu keiner Zeit sehr verlässlich, und ihre Betriebskosten sind jetzt dermaßen hoch, dass der Weiterbetrieb wohl unwirtschaftlich wäre, auch wenn es keine Sicherheitsprobleme gäbe. Der neueste Reaktor ist ein Druckwasserreaktor von Westinghouse, Jahrgang 1995.
Die britische Atomindustrie hat schwere Jahrzehnte hinter sich. Seit Margaret Thatcher in den späten achtziger Jahren mit ihren Privatisierungsversuchen scheiterte, als sich herausstellte, dass die Herstellung einer Kilowattstunde Atomstrom doppelt so viel kostete wie die Kilowattstunde von konkurrierenden Energieträgern, werden AKW-Betreiber und Atomindustrie zwischen Skandalen und faktischer Insolvenz hin-und hergeschüttelt. Im September 2004 nahm die EU-Kommission zur Kenntnis, dass die britische Regierung mit einer 11 Mrd. € teueren Umstrukturierung (sie übernahm u.a. die Last der atomaren Entsorgung bzw. die Stilllegungskosten) zwecks Abwendung einer Insolvenz des privatisierten AKW-Betreibers British Energy zwar eine staatliche Subvention gewährte, aber keine Verzerrung des Strommarktes verursache. Die staatliche Brennstoff-und Technologiefirma BNFL (British Nuclear Fuels), die ebenfalls so gut wie bankrott war, wurde von der Regierung geteilt: einerseits in Vermögensanteile, die einer neugeschaffenen staatlichen Abwicklungsbehörde (Nuclear Decommissioning Authority -NDA), übertragen wurden, andererseits in wertschöpfende Teilbereiche wie z.B. Reaktorbau und Brennelementefertigung auf Basis der 1998 von Westinghouse übernommenen Atomtechnik, die nun an Toshiba weiterverkauft wurden. Auch dies akzeptierte die EU-Kommission als staatliche Subvention ohne marktverzerrende Auswirkungen. Die NDA ist nun für den Abbau und die Entsorgung aller zivilen Atomanlagen verantwortlich, bis auf jene, die bei British Energy verblieben sind. Damit hat die britische Regierung nach einer Schätzung aus 2007/08 eine finanzielle Last von mindestens 63 Mrd. £ übernommen (ein Jahr zuvor waren es noch 51 Mrd. £). [358] Die NDA hat für ihre Aufgabe nur unbedeutende Geldmittel “geerbt” und hängt teilweise bzw. zunehmend von staatlichen Zuschüssen ab, teilweise von den Einnahmen aus dem Betrieb vorhandener Anlagen wie der zwei Magnox-Reaktoren, der Wiederaufarbeitungsanlage (THORP) und der Plutonium-Brennelementefabrik (SMP). Die beiden letzteren Anlagen sind allerdings von einer Reihe schwerer technischer Probleme betroffen, sodass die Betriebsergebnisse weit unter den Erwartungen liegen. Ein Leck, das im April 2005 erst mit acht Monaten Verspätung in einem der Messbehälter der Wiederaufarbeitungsanlage entdeckt wurde, verursachte eine Leckage von über 80 Kubikmetern einer hochradioaktiven Brennstofflösung auf den Boden eines THORP-Fabrikgebäudes, die gelöste 22 Tonnen Uran und 200 kg Plutonium enthielt. Seither hat die Wiederaufarbeitungsanlage in zweieinhalb Jahren lediglich einen Testlauf mit 33 Tonnen abgebrannter Brennelemente absolviert, während ein beträchtlicher Teil der Fabrikanlage gesperrt bleibt. Ein weiteres Leck, das man im Mai 2009 an einem der Verdampfer entdeckte, kann eine langfristige oder nun auch endgültige Stilllegung der Fabrik zur Folge haben. [359]
Die MOX-Brennelementefabrik bei Sellafield (SMP) hat eine noch schlechtere Betriebsbilanz. Seit ihrer Eröffnung 2002 hat die Anlage mit einer Nominalkapazität von 120 Tonnen pro Jahr insgesamt nur 6,3 Tonnen MOX-Brennelemente herstellen können. [360]
Trotz allem, 2004 erzielte die britische Atomlobby ein breites Medienecho mit einer Kampagne zugunsten der Beibehaltung der “Atomaren Option”. Kabinettsmitglieder einiger Schlüsselressorts distanzierten sich dennoch mit ungewohnter Deutlichkeit davon: “Der Bau von Atomkraftwerken birgt das Risiko eines schweren Erbes für künftige Generationen“, ließ sich z.B. die damalige Umweltministerin Margaret Beckett vernehmen. [361]
Doch Tony Blair verkündete 2006: „Die Atomenergie ist zurück auf der Tagesordnung, und das mit Macht!“ [362], und die zurzeit amtierende Regierung Brown scheint willens, die „atomare Option“ zu unterstützen. Ein erstes „öffentliches Beratungsverfahren“ (public consultation) über die Zukunft der Atomenergie im Vereinigten Königreich wurde von Greenpeace mit einer Klage zu Fall gebracht. Ein zweites Verfahren lief bis zum 10. Oktober 2007. Doch auch dieses zweite Verfahren wurde von einer Reihe von Verbraucher-und Umweltschutzverbänden als inkorrekt beanstandet. Greenpeace beschwerte sich in aller Form bei der Kammer für Marktforschungsnormen (Market Research Standards Board .MRSB) über die Verfahrensleitung, nachdem die Umweltschützer und andere Nichtregierungsorganisationen vorsorglich vom Verfahren zurückgezogen hatten. [363] Der Regierung warfen sie vor allem vor, mit vorgefaßter Meinung in den Beratungsprozess gegangen zu sein und das Verfahren so zur Farce gemacht zu haben, und außerdem mit falschen Informationen gearbeitet zu haben. Eine vertrauliche interne Aufzeichnung für den Premierminister aus der Feder des Staatssekretärs für Handel, Unternehmen und Regulierung warnte vor den Erneuerbaren Energien als einer Gefahr für die Atomenergie, weil sie das europäische Emissionshandelssystem schwächten: “Die Zielsetzung ’20 % Erneuerbare’ unterminiert die Glaubwürdigkeit des Systems… und schwächt den Anreiz, in andere nicht-fossile Energien wie z.B. die Atomenergie zu investieren“, monierte er. [364]
Im März 2006 brachte die Regierungskommission für Nachhaltige Entwicklung ihren Bericht über die Atomenergie heraus -mit folgender Schlussfolgerung: [365] Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder ist der Auffassung, dass bei ausreichender Dynamik und Unterstützung eine nicht-nukleare Strategie die bis 2050 und danach notwendigen Emissionsminderungen ermöglicht und einen sicheren Zugang zu verlässlichen Energiequellen gewährleistet.
Ein neues Atomenergieprogramm könnte nur einen relativ geringen Beitrag zur Erreichung des Klimaziels leisten (selbst, wenn wir die bestehende Reaktorkapazität verdoppeln würden). Bis 2035 würde es eine achtprozentige Emissionsminderung bewirken, und vor 2020 praktisch überhaupt keine Emissionsminderung ermöglichen. Dies rechtfertigt keinesfalls die erheblichen Nachteile und Kosten eines solchen Programms.
Zwei Jahre später begann dennoch die Regierung Brown, ein atomares Neubauprogramm ins Werk zu setzen. Im April 2009 kamen die ersten Bauplätze für neue Reaktoren zur Versteigerung. Die französische EDF [366] und die deutschen Stromkonzerne E.ON und RWE waren unter den Erwerbern. Bis Mai 2009 hatte EDF [367] bereits Fragebögen zur Vorauswahl einschlägig qualifizierter Firmen für Unteraufträge bei Vorbereitungs-und Bauarbeiten ausgegeben. [368] EDF will das EPR-Modell vorschlagen, RWE verhandelt mit Westinghouse über den Bau von bis zu drei AP1000-Blöcken in Nord-Wales mit Baubeginn 2013. Westinghouse schätzt, dass zwischen 70 % und 80 % der Bau-und Dienstleistungsaufträge an britische Firmen vergeben werden können. [369] Angesichts des dramatischen Kompetenzdefizits durch den Niedergang des atomtechnischen Ausbildungswesens im Vereinigten Königreich (siehe Kapitel II) erscheint das sehr optimistisch.
Von Mitte April bis Mitte Mai 2009 ist die britische Bevölkerung eingeladen, ihre Meinung zu der vorläufigen Auswahl der geplanten neuen Reaktorstandorte zu äußern, von denen fünf bereits dem Unternehmen EDF Energy gehören. [370] Für den Herbst 2009 ist eine Regierungserklärung (National Policy Statement – NPS) zu den vorgesehenen Standorten angekündigt.
Die Öffentliche Meinung zur Atomenergie im Vereinigten Königreich ist nach wie vor gespalten. 2007 ergab eine Meinungsumfrage der EU-Kommission, dass 36 % der Briten für eine Ausweitung des Atomenergieanteils sind, während 57 % diesen Anteil reduziert sehen wollen. [371] Gegen das für den Standort Layriggs Farm in Kirksanton geplante AKW hat sich eine Widerstandsgruppe gebildet. Eine Umfrage durch Mitglieder der Gruppe ergab, dass 90 % der örtlichen Bevölkerung Kirksanton verlassen wollen, wenn das Kraftwerk dort gebaut werden sollte. [372]
Ein tragendes Element der regierungsamtlichen Atomenergiepolitik war die Überzeugung, dass neue AKW ohne Subventionen auskommen könnten, eine Behauptung, die auch die AKW-Betreiber nicht öffentlich anzweifelten. Angesichts eskalierender Kosten ist EDF nun aber aus dieser Glaubensgemeinde ausgeschert mit der Forderung, für die konkurrierende Kohle müsse ein Mindestpreis festgesetzt werden und das Ausbauziel für Erneuerbare Energien müsse reduziert werden, damit der Markt für Grundlaststrom der Atomenergie vorbehalten bleibe. [373]
Das einzige westeuropäische Land mit einem Atomprogramm außerhalb der EU ist die Schweiz. Fünf Reaktoren liefern 39,2 % des Stroms. 2001 haben 75 % der Schweizer die Frage „Ist Atomenergie akzeptabel?” mit “Nein” beantwortet – die höchste bisher gemessene Ablehnung im Land. [374] Andererseits hatte 2003 eine Mehrheit zwei sehr weitgehende Beschlussvorlagen gegen den Weiterbetrieb der Atomanlagen abgelehnt. Die Schweiz ist das einzige Land, das regelmäßig Volksabstimmungen über die Zukunft der Atomenergie durchführt. Obwohl die Ausstiegsoption nie eine ausreichende Mehrheit erreichte, haben diese Referenden ein auf lange Sicht wirksames Atommoratorium erreicht. Zurzeit läuft eine von den Betreibern initiierte Debatte über den eventuellen Ersatz der alternden Reaktoren. Doch in näherer Zukunft haben in der Schweiz neue AKW keine Chance. Ein erfahrender Beobachter der Szene, Conrad Brunner, kommentiert, dass Stromversorger, die im Frühjahr 2008 Vorschläge für neue Reaktoren einbrachten, „einen langen Kampf vor sich haben, denn erstens sind die Standortfragen ungeklärt (…) und zweitens ist in Anbetracht der Vorgänge um Olkiluoto auch die Wirtschaftlichkeitsfrage offen”. [375]
In Bulgarien lieferten 2008 Reaktoren 32.9 % des verbrauchten Stroms. Das waren 10 % weniger als 2006, weil Ende des Jahres das zweite Reaktorpaar des AKW Kosloduy vom Netz genommen wurde, um eine der Bedingungen für den EU-Beitritt zu erfüllen; ein erstes Paar war schon Ende 2002 endgültig abgeschaltet worden. Die Vereinbarung, diese vier VVER 440-230-Reaktoren vom Netz zu nehmen, ähnlich den vergleichbaren Abkommen mit Litauen und der Slowakei, stammt aus dem Jahr 1999. Bulgarien erhielt 550 Mio. € als Schadensersatz für die Schließungen. Zwei VVER-1000.Reaktoren sind im AKW Kozloduy noch in Betrieb. 2003 kündigte die Regierung an, sie wolle am Standort Belene in Nordbulgarien den Bau eines Reaktors fortsetzen, mit dessen Errichtung 1985 begonnen worden war. Nach der Wende 1989 waren die Bauarbeiten unterbrochen und 1992 endgültig eingestellt worden, u.a. wegen der Erdbebengefährdung des Standorts. 2004 wurde aber die Fertigstellung von 2000 MW Reaktorkapazität am Bauplatz Belene erneut ausgeschrieben, und sieben Reaktorhersteller zeigten anfänglich Interesse. Am Ende zogen sich alle bis auf zwei Anbieter zurück; übrig blieben ein von Skoda angeführtes Konsortium und eine Gruppe unter Führung der russischen Atomstroyexport (ASE); beide machten ein Angebot auf der Grundlage des russischen VVER-Reaktortyps. Im Oktober 2006 aber erhielt ein ASE-Konsortium, unter Einbeziehung der französischen AREVA und bulgarischer Firmen, den 4 Mrd. €-Auftrag.
Über die Anfertigung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gibt es nach wie vor Streit, weil sie angeblich keine ausreichenden Informationen über die seismischen Verhältnisse am Standort enthält, die Möglichkeit von Unfallszenarien jenseits der Auslegung nicht berücksichtigt und Aspekte des Rückbaus nach der späteren Stilllegung nicht erörtert. [376] In einem von Umweltgruppen angestrengten Gerichtsverfahren räumten die Autoren der ursprünglichen Umweltverträglichkeitsprüfung ein, ihr Gutachten habe Schwächen und erfordere eine erneute Prüfung, sobald der Reaktortyp und die AKW-Auftragnehmer feststünden. [377] Im Februar 2007 endlich legten die bulgarischen Behörden entsprechend den Verpflichtungen unter dem Euratom-Vetrag die Konstruktionszeichnungen vor.
Ein Konsortium der beteiligten Reaktorfirmen unter Federführung des staatlichen Stromversorgers Natsionalna Elektricheska Kompania (NEK) ist nun für Belene gebildet worden, an dem mit 51 % der Anteile NEK die Federführung hat, während die übrigen Anteile zum Verkauf ausgeschrieben wurden. Im Spätherbst wurde der deutsche Stromkonzern RWE mit einem Kapitalanteil von 1,275 Mrd. € als strategischer Investor benannt, der vorab auch noch einen Kredit von 300 Mio. € einbringen wolle. So kam es denn im Dezember 2008 zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, der “Belene Power Company“. Doch schon Anfang August 2009 berichtete die Financial Times Deutschland das Projekt Belene stehe „vor dem Aus“, weil die Finanzierung gescheitert sei. [378]
Die Tschechische Republik betreibt an den beiden Standorten Dukovany and Temelin insgesamt sechs Reaktoren russischer Herkunft. Im AKW Dukovany arbeiten vier Reaktoren des Typs VVER 440-213, in Temelin sind es zwei Blöcke des Typs VVER-1000-320. Zusammen liefern sie 32,5 % des tschechischen Stroms. Der staatliche Stromversorger CEZ ist ein wichtiger Im-und Exporteur von Strom und hat 2007 einen Exportüberschuss von 16 TWh (physischer Handel) erzielt, vor allem durch Lieferungen an Österreich, Deutschland und die Slowakei. [379] Der Überschuss entsprach zwei Dritteln des erzeugten Atomstroms.
Das AKW Temelin ist Brennpunkt einer lebhaften Kontroverse, seit Mitte der neunziger Jahre die Entscheidung fiel, nach einer Bauunterbrechung 1989 den Bau fertigzustellen. Die beiden Blöcke wurden schließlich 2000 bzw. 2002 in Betrieb genommen. Finanzierungshilfe kam von der US-Export-Import Bank. Die Instrumentierung und das Steuersystem wurden von Westinghouse geliefert. Die Integration der Westinghouse-Technologie im fortgeschrittenen Baustadium verursachte zusätzliche technische Probleme, und es gab Verzögerungen und Kostenüberschreitungen. Die Internationale Energie-Agentur kommentierte, “trotz niedriger Betriebskosten bedeutet der Kapitaldienst eine erhebliche finanzielle Last für (den Betreiber) CEZ.“ Es handelt sich um die Bausumme von 99 Mrd. CZK (3,1 Mrd. €2001) zzgl. 10 Mrd. CZK (313 Mio €2001) nichtamortisierter Zinsen. [380]
Auch mit dem Betriebsbeginn waren die Kontroversen um das AKW Temelin nicht beendet. Technische Probleme, vor allem mit überdimensionierten Turbinen, haben mehrfach zu ungeplanten Abschaltungen geführt. Diese Probleme, wie auch zusätzliche Komplikationen durch Verformungen an Brennelementen minderten die Verfügbarkeit des AKW. Temelin hatte 2007 Auslastungsfaktoren von nur 64 % bzw. 74 % im Vergleich zum globalen Durchschnitt von 82 %.
Im Juli 2008 kündigte CEZ an, man wolle bei Temelin zwei weitere Reaktoren errichten, Baubeginn solle 2013 sein. Die Bauabnahme bzw. Betriebszulassung des ersten der beiden Blöcke sei für 2020 vorgesehen. Doch man befindet sich noch in einem vagen Vorstadium. Die tschechische Koalitionsregierung ist sich über die Atomenergie nicht einig: der Industrieminister ist pro und der grüne Umweltminister kontra.
Das AKW Dukovany ist seit den frühen 80ern in Betrieb und erfuhr eine technische Nachrüstung, um sowohl die Laufzeit zu verlängern als auch die Reaktorleistung um ca. 15 % zu steigern. Das AKW soll bis 2025 weiterlaufen.
In Ungarn, am Standort Paks, laufen vier Reaktoren des Typs VVER 440-213 und liefern 37,2 % des ungarischen Stroms. Die Reaktoren gingen Anfang der 80er Jahr in Betrieb und sind technischen Nachrüstungen unterzogen worden, um sowohl eine Laufzeitverlängerung bis 2050 als auch eine Kapazitätserhöhung um 20 % zu ermöglichen. Im April 2003 erlebte der zweite Block den schlimmsten Unfall der ungarischen Atomgeschichte – auf der internationalen Skala INES (International Nuclear Event Scale) als “ernster Zwischenfall” eingestuft. Das Reaktorgebäude musste evakuiert werden und Radioaktivität wurde in die Umgebung abgegeben. Im Nachhinein wurde bekannt, Brennelemente seien bei Reinigungsarbeiten in einem Spezialcontainer ungenügend gekühlt worden und hätten sich überhitzt, sodass die meisten der dreißig Brennelemente beschädigt wurden. Der Reaktor war 18 Monate außer Betrieb.
1998 schlug der Betreiber des AKW Paks die Errichtung zusätzlicher AKW vor. Der staatliche Stromversorger lehnte dies ab. Doch stimmte das Parlament im März 2009 einem Regierungsantrag zu, die Kapazität des AKW Paks durch den Bau zusätzlicher Reaktorblöcke zu verdoppeln. Einzelheiten über industrielle Planungen oder Prognosen liegen bisher nicht vor. Die Finanzierung bleibt ein wesentliches Problem.
Ignalina in Litauen ist heute das einzige AKW mit Reaktoren des (von Tschernobyl bekannten) Typs RBMK außerhalb Russlands. Eingedenk der Auswirkungen des Tschernobyl-Unglücks auch in Westeuropa ist es bemerkenswert, dass ein solches AKW in einem EU-Mitgliedsland weiterbetrieben werden darf. Aber im Beitrittsvertrag wurde bestimmt, dass Ignalina spätestens Ende 2009 abgeschaltet werden muss, und der erste Block ging bereits 2004 außer Betrieb. Der lange Zeitverzug beim Atomausstieg wurde mit der Abhängigkeit der Stromversorgung von diesem Kraftwerk begründet: sogar nach Abschaltung des ersten Blocks liefert Ignalina noch immer 72,9 % des 2008 in Litauen verbrauchten Stroms. Das liegt an der übergroßen Dimension dieses AKW für ein so kleines Land mit relativ geringem Bedarf; aber vor der Wende 1992 wurde der Atomstrom hauptsächlich ins benachbarte Russland geliefert. Eine so hohe Abhängigkeit des kleinen Landes von einer einzigen Stromquelle würde ein hohes Risiko für die Versorgungssicherheit bedeuten, aber in Wirklichkeit hatte Litauen immer eine große, bis zu 250 %ige Überkapazität. Ein Ersatz für Ignalina ist deshalb stets mehr eine politische als eine technische Frage gewesen.
Im Februar 2007 haben sich die Regierungen der drei Baltischen Staaten und Polen prinzipiell darauf verständigt, bei Ignalina gemeinsam ein neues AKW zu bauen. Im litauischen Parlament wurde im Juli 2007 ein Gesetz verabschiedet, das für 2015 die Inbetriebnahme eines neuen AKW vorsieht. In den darauf folgenden zwei Jahren gab es wechselnde Vorschläge hinsichtlich der Eigentümerstruktur und der Kraftwerksgröße. Zuletzt war im Januar 2009 die Rede vom Bau eines einzelnen Reaktors unter Federführung der litauischen Staatsfirma LEO Ltd.. Im März 2009 erklärte Präsident Valdas Adamkus, die Bauarbeiten würden noch vor Jahresende, vielleicht schon im Herbst 2009 beginnen. „Bis Mai haben wir einen Businessplan, und im Herbst ist wahrscheinlich der erste Spatenstich.“, sagte Adamkus. [381] Das staatliche Unternehmen LEO Ltd. war 2007 zur gemeinsamen Projektfinanzierung mit den übrigen Baltikumstaaten und Polen gegründet worden. Doch Energieminister Arvydas Sekmokas erklärte: “Ich bezweifle, dass LEO Ltd. das Kraftwerk bauen kann. Keines unserer vier Länder hat genug Fachwissen, deshalb brauchen wir einen Strategischen Investor. [382] Bis Juli 2009 hatte sich der Strategische Investor offensichtlich noch nicht gefunden. Da bisher auch keine Ausschreibung vorliegt und auch keine Informationen zur Finanzierungsfrage bekanntgeworden sind, wird aus dem so kurzfristigen Projektstart wohl nichts werden.
In Cernavoda in Rumänien läuft das einzige AKW des Landes, mit Reaktoren des kanadischen Typs „CANDU“. 2008 hat es 17,5 % des rumänischen Stroms geliefert. Das Kraftwerk sollte ursprünglich, noch zu Zeiten des Regimes von Nicolae Ceausescu, aus fünf Reaktoren bestehen. Die Bauarbeiten an allen Reaktoren begannen 1980 mit Finanzierungshilfen durch die kanadische Export Development Corporation, doch Anfang der neunziger Jahre wurde Das Projekt zunächst auf Reaktor-1 reduziert. Dieser wurde 1996 zu Baukosten von 2,2 Mrd. US$ und mit etwa zehn Jahren Verspätung fertiggestellt. Der zweite Block wurde nach 27 Jahren Bauzeit im August 2007 ans Netz angeschlossen, ebenfalls mit kanadischer Finanzierungshilfe, einem kanadischen Kredit über 140 Mio. CAD und einem EURATOM-Kredit über 223 Mio. €. Jetzt werden aktiv Pläne zum Bau zweier weiterer Reaktoren bei Cernavoda ventiliert. Es wurden Angebote zur Bildung einer unabhängigen AKW-Betreiberfirma aus dem staatlichen Stromversorger SNN und einem Privatinvestor angefordert. SNN soll den Bau fertigstellen lassen und Betrieb und Wartung übernehmen. Nach sich lange hinziehenden Verhandlungen entschied die Regierung 2008, dass SNN 51 % der Anteile übernehmen und einen Finanzierungsbeitrag in Höhe von 1 Mrd. € an Krediten und Bürgschaften beisteuern solle. Weitere Beiträge sollten intern und durch eine teilweise Privatisierung aufgebracht werden. Schließlich wurde im November 2008 eine Finanzierungsvereinbarung von folgenden Partnern unterzeichnet: SNN, ENEL (Italien), CEZ (Tschechien), GDF Suez (Frankreich) und RWE Power (Deutschland). Jeder der ausländischen Partner übernimmt einen Anteil von 9,15 %, außerdem sollen Iberdrola (Spanien) und ArcelorMittal Galati (Romania) jeweils 6.2% halten. Zunächst war geplant, den Block 3 im Oktober 2014 und Block 4 Mitte 2015 in Betrieb gehen zu lassen, doch diese Termine wurden revidiert. Mit der Fertigstellung des ersten Blocks wird nun frühestens 2016 gerechnet.
In der Slowakei betreibt die staatliche “Slovenske Elektrarne (SE)” an zwei Standorten vier Reaktoren: zwei in Bohunice und zwei in Mochovce, sämtlich vom Typ VVER-440. Im AKW Bohunice hatte es noch zwei weitere Reaktorblöcke gegeben, doch diese waren vom älteren Typ VVER-440-230 und mussten als Bedingung für den Beitritt zur EU abgeschaltet werden. Die verbliebenen vier Blöcke sind für eine Laufzeitverlängerung auf 40 Jahre nachgerüstet worden und können somit im Prinzip bis 2025 betrieben werden.
Die Blöcke im AKW Mochovce waren 1998 and 1999 ans Netz gegangen. Sie sollten ursprünglich die ersten Reaktoren sein, für die eine Finanzierung durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) vorbereitet wurde. Allerdings zog die slowakische Regierung 1995 ihre Kreditanträge eine Woche vor der erwarteten positiven Entscheidung der Bank zurück. Begründet wurde dies mit den Kreditkonditionen und der Investitionssumme von 1,2 Mrd. €. Die Regierung ließ verlauten, das Projekt solle dadurch verbilligt werden, dass ausschließlich russische und slowakische Ingenieure eingesetzt würden. Die beiden Blöcke waren offiziell zu 90 % bzw. 75 % fertiggestellt, und die Kosten der endgültigen Fertigstellung wurden nun mit 800 Mio. € veranschlagt. Allerdings hatten die Kosten sich bis zur Fertigstellung verdoppelt.
Im Oktober 2004 erwarb der italienische Stromkonzern ENEL 66 % der Anteile an SN. Als Teil ihres Finanzierungsangebots schlug ENEL vor, fast 2 Mrd. € in neue Reaktorkapazitäten zu investieren, einschließlich der Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 von Mochovce. Im Februar 2007 kündigte SE an, man nehme den ursprünglich im Januar 1985 begonnenen Bau der beiden Reaktoren wieder auf und ENEL habe die Investition von 1,8 Mrd. € zugesagt. Zwar hatte die EU-Kommission für einen erneuten Baubeginn für Juli 2008 bereits grünes Licht signalisiert, doch monierte sie, für die Reaktoren sei kein vollständiger Sicherheitsbehälter (full containment) vorgesehen, wie er bei den aktuellen europäischen Reaktorprojekten Standard ist. Nun bat die Kommission Investoren und die nationale Aufsichtsbehörde um zusätzliche Vorkehrungen, sodass die Strukturen dem Aufprall eines kleinen Flugzeugs standhalten können und das Schutzniveau einem vollwertigen Sicherheitsbehälter entspricht. [383] Umweltschützer und Abgeordnete des Europäischen Parlaments beklagen, dass das Reaktorkonzept nicht dem Stand der Technik entspricht and dass die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nach EU-Standards durchgeführt worden sei.
Die Bauarbeiten wurden trotzdem im Juni 2009 offiziell wiederaufgenommen. Die Fertigstellung der beiden Blöcke soll nun 2,7 Mrd. € kosten. Sie sollen 2012 bzw. 2013 in Betrieb gehen.
Im AKW von Krsko in Slowenien arbeitet der erste Reaktor der Welt, der zwei benachbarten Ländern gehört: Kroatien und Slowenien. Der Reaktor ist ein 700 MW-Druckwasserreaktor von Westinghouse und war noch von der Regierung des ehemaligen Jugoslawien geordert worden. 2008 entsprach seine Stromproduktion 41,7 % des slowenischen Stromverbrauchs. Er läuft seit 1981 und soll bis 2021 weiterbetrieben werden. Der Atomstrom wird zwischen den beiden Ländern aufgeteilt. Es gibt Gespräche über einen eventuellen weiteren Reaktor am selben Standort, jedoch bisher ohne konkrete technische oder zeitliche Vorgaben.
In Armenien liefert ein Reaktor (Armenia-2) des AKW Medzamor Strom ins armenische Netz. Der Standort liegt nur 30 km von der Hauptstadt Jeriwan entfernt. 2008 hat dieser Reaktor 39,4 % des im Land verbrauchten Stroms geliefert. Es handelt sich um ein frühes Modell des sowjetischen Typs VVER-440-230, der schon zahlreiche Sicherheitsprobleme aufgeworfen hat. 1995 hieß es in einem Dokument des US-Energieministeriums: “Bei einem ernsten Unfall könnte das Fehlen eines Berstschutzes und die Nähe zur Hauptstadt das Leben von Millionen Menschen gefährden.“ [384]. Wegen der Nähe zur Hauptstadt wurde 1988 ein Referendum durchgeführt, das die Abschaltung der zwei VVER-440-230-Reaktoren forderte. Im Dezember 1988 wurden durch ein schweres Erdbeben in Armenien etwa 25 000 Menschen getötet. Das war auch der Anlass für die vorgezogene Stilllegung der Reaktoren im März 1989. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es Anfang der 90er Jahre zwischen Armenien und Aserbeijan einen Grenzstreit mit der Folge einer Energieblockade gegen Armenien. Es kam zu Stromabschaltungen. Die Regierung beschloss 1993, Block 2, den jüngeren der beiden Reaktoren, wieder anfahren zu lassen. Erst 2016 soll dieser Reaktor nun endgültig abgeschaltet werden. Im September 2007 forderte der Energieminister den Bau eines neuen Reaktors am Standort Medzamor. Die Kosten wurden mit 2 Mrd. US$ und die Bauzeit mit viereinhalb Jahren angegeben. Im Februar 2009 kündigte die Regierung eine Ausschreibung für einen 1000 MW-Block an, dessen voraussichtliche Kosten nun etwa 5 Mrd. US$ betragen sollen.
Kasachstan hatte bei Aktau einen Schnellen Brüter in Betrieb, den „BN-350“, der 1973 als erster kommerzieller Brutreaktor der Welt in Betrieb gegangen war. Er war zur Erzeugung von Strom und Wärme und zur Wasserentsalzung eingesetzt und wurde 1999 stillgelegt. Es gibt viele Ideen für weitere Atomenergieprojekte einschließlich neuer Brutreaktoren, größerer Leichtwasserreaktoren (LWR) bis hin zu einer ganzen Population von 20 kleinen LWR an innerstädtischen Standorten überall im Land. Solche Vorstellungen schienen vor allem von russischer und japanischer Technologie inspiriert, wurden aber bisher nirgendwo realisiert.
Kasachstans Hauptbeitrag zur globalen Atomenergiewirtschaft sind seine Uranminen, in denen 15 % der Weltreserven lagern. Die Uranproduktion wurde im letzten Jahrzehnt rapide gesteigert, von 795 t (1997) auf 6 637t (2007); nun ist geplant, die Produktion bis 2018 auf 30 000 Jahrestonnen zu erhöhen. Um das zu erreichen, wurden diverse Kooperationsabkommen geschlossen, sowohl mit Firmen als auch mit Regierungen, u.a. Kanada, China, Frankreich, Japan und Russland. Diese Abkommen beziehen sich nicht nur auf Uranlieferungen, sondern auch auf Urananreicherung und die Fabrikation von Brennelementen.
In Russland laufen zurzeit 31 Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von 21,7 GW. 2008 lieferten sie 152 TWh Atomstrom ins Netz, das waren 16,9 % des gesamten Stromverbrauchs. Von den aktiven Reaktoren gehören 15 zu den frühen Modellen, vier zur ersten Generation des Typs VVER 440-230, elf zum Typ RBMK; vier kleine Siederwasserreaktoren von je 11 MW Kapazität sind in Sibirien in kraftwärmegekoppelten Anlagen eingesetzt, einer ist ein Brutreaktor und elf sind LWR der 2. Generation des Typs VVER (2 VVER 440-213 und 9 VVER 1000). Das durchschnittliche Alter der noch aktiven Reaktoren ist 27 Jahre, nur 2 Blöcke sind innerhalb der letzten 10 Jahre noch hinzugekommen – der jüngste ging 2004 im Kraftwerk Kalinin in Betrieb.
Offiziell sind noch neun Reaktoren „in Bau“, drei von ihnen schon seit über 20 Jahren: Volgodonsk-2 seit 1983; Kursk-5 seit1985; Kalinin-4 seit 1986. Die übrigen: ein Schneller Brüter bei Belojarsk, zwei kleine Druckwasserreaktoren von je 32 MW, ursprünglich für die Gegend bei Arkhangelsk, jetzt für Lomonosov geplant (sie sollen auf Lastkähnen stationiert werden); zwei Blöcke des aktuellen VVER1200-Typs („AEA 2006“) werden bei Nowoworonesch und einer bei St.Petersburg errichtet.
Immer wieder hat die Regierung Pläne für eine Expansion des Atomenergiesektors angekündigt, z.B. plante man im Jahr 2000, spätestens ab 2010 jährlich mindestens 200 TWh Atomstrom zu erzeugen. Im Oktober 2006 wurde ein umgerechnet 55 Mrd. US$ schweres Programm zur Weiterentwicklung der Atomenergie beschlossen. Fast die Hälfte des Budgets sollte von der Zentralregierung kommen, der andere Teil von der Industrie. Im September 2007 verkündete die Regierung Pläne zum Bau von zusätzlichen acht VVER-1200 bis zum Jahr 2016, mit Folgeprojekten, um die installierte Reaktorkapazität bis 2020 zu verdoppeln. Die globale Wirtschaftsrezession trifft aber die russische Wirtschaft besonders hart wegen der niedrigen Öl-und Gaspreise. Das führt wahrscheinlich zu weiteren Verzögerungen und auch zur Streichung einiger Projekte.
Neben den erwähnten Expansionsplänen wird auch in der russischen Atomindustrie über Laufzeit.verlängerungen für die noch in Betrieb befindlichen Reaktoren gesprochen. Insbesondere die RBMK-Flotte soll für eine Gesamtzeit von insgesamt 45 Jahren weiterbetrieben werden.
Russland baut mehr Reaktoren für den Export als für den heimischen Markt; Exemplare der neuesten VVER 1000, der AES 91 und der AES 92, wurden an Bulgarien, China und Indien verkauft. Auch wird an der Entwicklung weiterer Reaktortypen gearbeitet, einschließlich kleinerer (300 MW) Siedewasserreaktoren.
Russland hat die gesamte atomare Brennstoffkette entwickelt. Die russischen Uranvorkommen betragen nach Aussage “Nuclear Energy Agency” der OECD etwa 10 % der globalen verlässlich nachgewiesenen Reserven; die größten Vorkommen befinden sich nahe der Grenze zu China und zur Mongolei. Die Investitionen in Uranprospektion sind in den letzten zwei Jahren auf fast 52 Mio. US$ für 2008 verdoppelt worden. Es gibt auch Pläne zur Erschließung von Uranreserven in einigen anderen Ländern, hierzu wurde gemeinsam mit Kasachstan, Usbekistan and der Mongolei die „Uranium Mining Company (UGRK)“ gegründet. Im September 2007 wurde ein Vertrag mit Australien unterzeichnet, der den Import von Uran im Wert von 1 Mrd. US$ pro Jahr vorsieht. Ähnliche Gemeinschaftsunternehmen sind auch in Russland selbst aktiv, so mit der japanischen Mitsui Co; im Februar veröffentlichte das russische Unternehmen Rosnedra eine Liste von Uran-Claims für eine internationale Ausschreibung noch im Jahr 2009.
Seit Jahrzehnten war Russland als Lieferant frischen Uranbrennstoffs und Entsorger verbrauchter Uranbrennelemente mit den Staaten Mittel-und Osteuropas im Geschäft. Diese Beziehungen sind weitgehend zum Erliegen gekommen. Obwohl Russland die Wiederaufarbeitung verbrauchter Reaktorbrennelemente ausweiten wollte, werden nach wie vor nur die Brennelemente aus den VVER.440 wiederaufgearbeitet, während der verbrauchte Brennstoff aus den VVER-1000 und den RBMK lediglich zwischengelagert wird. Der Bau der RT-2-Wiederaufarbeitungsanlage bei Krasnojarsk, in der die Brennelemente aus den VVER-1000 wiederaufgearbeitet werden sollten, ist eingestellt worden. Die RT-1 bei Mayak für Brennelemente aus VVER-440-Reaktoren läuft nur mit einem Drittel der Kapazität, weil keine Aufträge aus dem Ausland mehr kommen.
Die 15 Reaktoren der Ukraine lieferten 2008 47,4 % des verbrauchten Stroms. Das Tschernobyl-Unglück von 1986 hat nicht nur der Wirtschaft des Landes, der Umwelt und der Gesundheit der Menschen immens geschadet, es brachte auch die Entwicklung der Atomenergie zum Stillstand. Ein weiterer Unfall mit Block 2 des AKW Tschernobyl verschärfte die Lage noch zusätzlich. Seither sind auch die letzten beiden Blöcke abgeschaltet. Das AKW wartet nun auf den Rückbau.
Seit 1986 sind drei Reaktorblöcke in anderen Kraftwerken fertiggebaut worden: Zaporoshe-6, Khmelnitsky-2 und Rowno-4. Die letzteren beiden Blöcke sollten ursprünglich mit Finanzierungshilfen der EBRD und Euratom fertiggestellt werden, doch die Kreditanträge wurden im letzten Moment mit der Begründung zurückgezogen, die Projekt-und Finanzierungskosten seien zu hoch. Die Reaktoren wurden daraufhin von der Ukraine und von Russland mit eigenen Mitteln fertiggestellt, doch erhielten beide Projekte später doch noch kleinere EBRD-und Euratomkredite für Nachrüstungen.
2006 genehmigte die Regierung einen strategischen Plan mit dem Ziel einer Verdoppelung der installierten Reaktorkapazität bis 2030. Der Plan sah den Ersatz von neun bis elf alter Reaktoren mit 10,5 GW und den Neubau weiterer elf Reaktoren zur Kapazitätserweiterung vor. Zunächst sollen die Blöcke 3 und 4 des AKW Khmelnitsky ab 2010 fertiggestellt werden. Trotz des erreichten Baufortschritts von 75 % bzw. 28 % sollen die beiden Blöcke nicht vor 2016 bzw. 2017 fertiggestellt sein. 85 % der Finanzierung erfolgt über einen russischen Kredit, das Projekt wurde international ausgeschrieben. Angebote kamen von Atomstroyexport und der südkoreanischen „Korea HNP“. Der Zuschlag soll noch 2009 erfolgen. Über die übrigen Einzelprojekte des Programms und ihre Reihenfolge soll erst 2010 entschieden werden.
Die Ukraine verfügt über Uranvorkommen und fördert auch Uran, vor allem bei Zholtye Wody in der Region Dnepropetrowsk. So stammt ein Drittel des Uranbedarfs aus Eigenförderung, zu Kosten von weniger als 40 US$/kg. Es wird mit eigenen Mitteln auch an anderen Standorten exploriert und erschlossen, doch ist geplant, mit Hilfe ausländischer Investoren die Uranproduktion bis 2013 auf 1500 t/Jahr zu verdoppeln.
Staaten | AKW [385] | Strom [386] | Primärenergie [387] | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Blöcke in Betrieb | Durchschnitts- Alter [388] | “In Bau” [389] | Geplant [390] | Anteil am Gesamtstrom-verbrauch [391] | Anteil am gesamten kommerziellen Primärenergie-verbrauch | |
Argentinien | 2 | 31 | 1 | 1 | 6 %(=) | 2% |
Armenien | 1 | 30 | 0 | 0 | 39 %(_) | ?% |
Belgien | 7 | 29 | 0 | 0 | 54 %(=) | 14% |
Brasilien | 2 | 18 | 0 | 1 | 3 %(=) | 1% |
Bulgarien | 2 | 20 | 2 | 0 | 33 %(=) | 18% |
China | 11 | 8 | 16 | 29 | 2 %(=) | 6% |
Deutschland | 17 | 28 | 0 | 0 | 28 %(=) [392] | <1% |
Finnland | 4 | 30 | 1 | 0 | 30 %(=) | 14% |
Frankreich | 58 | 24 | 1 | 1 | 76 %(=) | 20% |
Indien | 17 | 18 | 6 | 10 | 2 %(=) | 39% |
Iran | 0 | 0 | 1 | 2 | 0 %(=) | 11% |
Japan | 53 | 24 | 2 | 13 | 25 %(_) | 14% |
Kanada | 18 | 26 | 0 | 3 | 15 %(=) | <1% |
Litauen | 1 | 22 | 0 | 0 | 73 %(+) | 0% |
Mexiko | 2 | 18 | 0 | 0 | 4 %(=) | 11% |
Niederlande | 1 | 36 | 0 | 0 | 4 %(=) | 26% |
Pakistan | 2 | 24 | 1 | 2 | 2 %(=) | 1% |
Rumänien | 2 | 8 | 0 | 2 | 18 %(+) | 1% |
Russland | 31 | 27 | 9 | 7 | 17 %(=) | <1% |
Schweden | 10 | 31 | 0 | 0 | 42 %(_) | 7% |
Schweiz | 5 | 34 | 0 | 0 | 39 %(=) | 5% |
Slowakei | 4 | 19 | 2 | 0 | 56 %(+) | 21% |
Slowenien | 1 | 28 | 0 | 0 | 42 %(=) | ?% |
Spanien | 8 | 26 | 0 | 0 | 18 %(=) | 2% |
Südafrika | 2 | 25 | 0 | 3 | 5 %(=) | 14% |
Südkorea | 20 | 17 | 5 | 7 | 36 %(=) | 9% |
Taiwan | 6 | 28 | 2 | 0 | 19 %(=) | 31% |
Tschechien | 6 | 18 | 0 | 0 | 32 %(+) | 21% |
Ukraine | 15 | 21 | 2 | 0 | 47 %(=) | 8% |
Ungarn | 4 | 24 | 0 | 0 | 37 %(=) | 16% |
USA | 104 | 30 | 1 | 11 | 20 %(=) | 6% |
Vereinigtes | ||||||
Königreich | 19 | 28 | 0 | 0 | 13 %(_) | 8% |
EU27 | 144 | 25 | 6 | 3 | 28 %(=) | 12% |
Total | 435 | 25 | 52 | 93 | ca. 14 % | 5.5% |
Staat | Blöcke | Kapazität MWe (netto) | Baubeginn | Geplante Inbetriebnahme |
---|---|---|---|---|
Argentinien | 1 | 692 | 14/07/81 | 2010/10/01 [394] |
Bulgarien | 1 906 | |||
Belene-1 | 2 | 953 | 01/01/87 | 2014 [395] |
Belene-2 | 953 | 31/03/87 | 2015 [396] | |
China | 16 | 15 220 | ||
Fangjiashan-1 | 1000 | 26/12/08 | 2013 [397] | |
Fangjiashan-2 | 1000 | 17/07/09 | 2014 [398] | |
Fuqing-1 | 1000 | 21/11/08 | 2013/10 [399] | |
Fuqing-2 | 1000 | 17/06/09 | 2014/08 [400] | |
Hongyanhe-1 | 1000 | 18/08/07 | 2012/10 [401] | |
Hongyanhe-2 | 1000 | 28/03/08 | 2013 [402] | |
Hongyanhe-3 | 1000 | 07/03/09 | 2014 [403] | |
Lingao-3 | 1000 | 15/12/05 | 2016 [404] | |
Lingao-4 | 1000 | 15/06/06 | 31/08/10 | |
Ningde-1 | 1000 | 18/02/08 | 2012 [405] | |
Ningde-2 | 1000 | 12/11/08 | 2013 [406] | |
Qinshan-II-3 | 610 | 28/03/06 | 28/12/10 | |
Qinshan-II-4 | 610 | 28/01/07 | 28/09/11 | |
Sanmen-1 | 1000 | 19/04/09 | 2013 [407] | |
Yangjiang-1 | 1000 | 16/12/08 | 2013 [408] | |
Yangjiang-2 | 1000 | 04/06/09 | 2014 [409] | |
Finnland | 1 | 1 600 | 12/08/05 | 2012/06 [410] (completion) |
Frankreich | 1 | 1 600 | 03/12/07 | 2012/05/01 [411] |
Indien | 6 | 2 910 | ||
Kaiga-4 | 202 | 10/05/02 | 2009/11/30 [412] | |
Kudankulam-1 | 917 | 31/03/02 | 2009/07/31 [413] | |
Kudankulam-2 | 917 | 04/07/02 | 2010/04/30 [414] | |
PFBR | 470 | 23/10/04 | 2011 [415] | |
Rajasthan-5 | 202 | 18/09/02 | 2009/07 [416](kommerz. Betrieb) | |
Rajasthan-6 | 202 | 20/01/03 | 2009/10 [417](kommerz. Betrieb) | |
Iran | 1 | 915 | 01/05/75 | 2009/09/01 [418] |
Japan | 2 | 2 191 | ||
Shimane-3 | 1 325 | 2007/10/12 [419] | 2011/12/15 [420] | |
Tomari-3 | 866 | 18/11/04 | 2009/12/10 [421] | |
Pakistan | 1 | 300 | 28/12/05 | 31/05/11 |
Russland | 9 | 6 894 | ||
BN-800 | 750 | 1985 [422] | 2010 [423] | |
Kalinin-4 | 950 | 01/08/86 | 2011 [424] | |
Kursk-5 | 925 | 01/12/85 | ? [425] | |
Leningrad-2-1 | 1 085 | 25/10/08 | 2013/10 [426] | |
Novovoronezh-2-1 | 1 085 | 24/06/08 | 2012/12/31 (kommerz. Betrieb) [427] | |
Novovoronezh-2-2 | 1 085 | 12/07/08 | 2014 (kommerz. Betrieb) [428] | |
Lomonosov-1 | 32 | 15/04/07 | 2012/12/31 (kommerz. Betrieb) [429] | |
Lomonosov-2 | 32 | 15/04/07 | 2012/12/31 (kommerz. Betrieb) [430] | |
Volgodonsk | 950 | 01/05/83 | 2010 [431] | |
Slowakei | 2 | 810 | ||
Mochovce-3 | 405 | 1985/01/01 [432] | 2012/09 [434] | |
Mochovce-4 | 405 | 1985/01/01 [433] | 2013 [435] | |
Südkorea | 5 | 5 180 | ||
Shin-Kori-1 | 960 | 16/06/06 | 01/08/10 | |
Shin-Kori-2 | 960 | 05/06/07 | 01/08/11 | |
Shin-Kori-3 | 1 340 | 31/10/08 | 2013/09/30 (kommerzieller Betrieb) [436] | |
Shin-Wolsong-1 | 960 | 20/11/07 | 28/05/11 | |
Shin-Wolsong-2 | 960 | 23/09/08 | 28/05/12 | |
Taiwan [437] | 2 | 2 600 | ||
Lungmen-1 | 1 300 | 1999 | 2010 [438] | |
Lungmen-2 | 1 300 | 1999 | 2010 [439] | |
Ukraine | 2 | 1 900 | ||
Khmelnitski-3 | 950 | 01/03/86 | 01/01/15 | |
Khmelnitski-4 | 950 | 01/02/87 | 01/01/16 | |
USA | 1 | 1 165 | 01/12/72 | 2013/09/30 [440] |
Welt | 52 | 45 883 |
Staat | Forschungs- | Netzgrösse |
---|---|---|
reaktor * | (in MW)** | |
Ägypten | Ja | 20 500 |
Albanien | Nein | 1 700 |
Algerien | Ja | 6 500 |
Aserbaijan | Nein | 5 200 |
Australien | Ja | 50 000 |
Bangladesh | Ja | 4 700 |
Bosnien | Nein | 4 300 |
Chile | Ja | 13 500 |
Estland | Nein | 2 300 |
Georgien | Ja | 4 400 |
Ghana | Ja | 1 500 |
Indonesien | Ja | 24 300 |
Irland | Nein | 6 200 |
Israel | Ja | 10 000 |
Italien | Ja | 82 000 |
Jordanien | Nein | 2 100 |
Kroatien | Nein | 3 900 |
Kuwait | Nein | 11 000 |
Lettland | Ja | 2 200 |
Libyen | Ja | 5 400 |
Malaysia | Ja | 23 300 |
Mongolei | Nein | 800 |
Morocco | Ja | 5 000 |
Namibia | Nein | 300 |
Neuseeland | Nein | 8 900 |
Nigeria | Nein | 6 000 |
Norwegen | Ja | 28 000 |
Philippinen | Ja | 15 600 |
Polen | Ja | 31 000 |
Portugal | Ja | 14 000 |
Thailand | Ja | 26 000 |
Tunesien | Nein | 3 300 |
Turkei | Ja | 41 000 |
Uganda | Nein | 300 |
Venezuela | Ja | 22 200 |
Vereinigte Arabische Emirate | Nein | 15 700 |
Vietnam | Ja | 12 400 |
Weißrussland | Jsa | 8 000 |
Datum | Anlass |
---|---|
12-mars | Vertrag über “schlüsselfertige Lieferung”, Preis 3 Mrd. €, unterzeichnet von TVO und AREVA NP & Siemens. Vereinbarte Bauzeit 4 Jahre. Der Vertrag deckt die Kosten der wichtigsten atomtechnischen und der übrigen Komponenten ab sowie Finanzierungskosten, den Erstkern und einen Entsorgungsbeitrag. [441] |
04-avr | STUK: „Wir erhalten die Unterlagen zu spät. Sie [AREVA] lassen uns zu wenig Zeit zur“ Prüfung, und sie verfügen nicht über die von unserem Regelwerk verlangten „Informationen“ [442]" |
01-mai | STUK erteilt die Baugenehmigung für Olkiluoto-3. [443] |
02-mai | Die finnische Regierung bestätigt die Baugenehmigung. [444] |
09-mai | Grundsteinlegung [445] |
10-mai | Zementierung der Grundplatte wegen Streit über deren Qualität verzögert. Herstellung des Reaktordruckbehälters und des Dampferzeugers “einige Wochen” verspätet. [446] |
02-juin | Probleme mit der Zertifizierung von RDB-Schweißnähten und mit Detailzeichnungen des Bauplans verursacht mehr als 6 Monate weitere Verspätung [447] |
03-juin | STUK startet Ermittlungen wegen Unklarheiten bei Konstruktion und Bau [448] |
05-juin | Fast 9 Monate Verspätung, obwohl auf der Baustelle zwei Schichten und im AREVA- Komponentenwerk drei Schichten gefahren werden. [449] |
07-juin | TVO gibt nun einjährige Verspätung zu. STUK ermittelt: ein äußerst enges Finanz- und Zeitbudget, unerfahrene Zulieferer, mangelhafte Überwachung der Subunternehmen und ungenügender Informationsstand der Genehmigungsbehörde stiften Verwirrung und erschweren die Qualitätskontrollen mit dem Ergebnis fortdauernder Projektverzögerungen bei Olkiluoto-3 [450] |
10-juin | AREVA stellt ca. 300 Mio. € Verlust für Olkiluoto-3 wegen fehlerhafter Komponentenfertigung ein, [451] [452] tauscht Projektleiter aus [453] |
12-juin | Verzögerung beträgt nun schätzungsweise 18 Monate [454] |
01-juil | AREVA NP: „AREVA-Siemens kann keine 100%-Verantwortung für Schadenersatz“ "übernehmen, weil das Projekt auf weitreichender Kooperation beruht. Das ist eine gemeinsame Baustelle, deshalb lehnen wir das 100% Schadenersatzprinzip absolut ab. TVO: ”Ich glaube nicht, dass AREVA das gesagt hat. Die Baustelle ist in ihrer Hand. Letzten Endes ist TVO natürlich hier für alles verantwortlich, aber die Projektleistungen sind 100 % AREVAs Verantwortung.“ [455] |
05-juil | TVO und AREVA stimmen überein: Bauplan war bei Auftragserteilung nicht vollständig genug. STUK: “Ein vollständiger Bauplan ist das Ideal. Aber kein Anbieter macht so etwas, bevor der Auftrag nicht feststeht. So ist das Leben.“ [456] |
08-juil | Probleme Aufprallschutz gegen Flugzeugabsturz zu garantieren bedeutet 2 Jahre Verzug. [457] |
09-juil | Stahlauskleidung des Sicherheitsbehälters an 12 Stellen wegen Verformungen und Schweißfehlern ausgebessert. [458] AREVA gesteht Schadenersatzprobleme ein, nennt keine Summen. Unabhängige Schätzungen sprechen von 500-700 Mio. € [459] |
06-août | TVO Baustellenleiter wird ausgetauscht. [460] |
10-août | Zeitverzug jetzt auf 3 Jahre geschätzt. [461] Hersteller der Stahlauskleidung kommt Aufforderung nach Unterbrechung der Schweißarbeiten nicht nach, nachdem eine STUK- TVO Inspektion entdeckt hatte, dass das falsche Schweißverfahren angewandt worden war. [462] AREVA strengt Schlichtungsverfahren bei der Handelskammer Stockholm an – wegen einer „technischen Streitfrage“. [463] |
12-août | AREVA erklärt weitere Rückstellungen für Verluste. Unabhängige Schätzung 1,3 Mrd. € [464] |
12-août | Schreiben von STUK-Generaldirektor an AREVA-Chefin: „Ich sehe keine Forschritte bei der Entwicklung der Steuerungs- und Sicherheitssystemen. (…) Das kann einen Baustop bedeuten und Aufschub der Abnahmetests.(…) Die Einstellung und mangelhafte Professionalität einiger Personen, die in Experten Meetings für diese Organisation [AREVA] sprechen verhindern jeden Fortschritt bei der Beseitigung der Bedenken.” [465] |
01-sept | Zeitverzug von 3,5 Jahren eingestanden. [466] Siemens will sich aus AREVA NP zurückziehen. [467] AREVA-Siemens strengen ein zweites Schiedsverfahren gegen TVO an. [468] AREVA fordert 1 Mrd. € Schadenersatz. TVO ihrerseits fordert 2,4 Mrd. € wegen “gravierender Versäumnisse“ [469] TVO spricht von mehrjährigen Schlichtungsverhandlungen. [470] |
03-sept | AREVA gesteht 1,7 Mrd. € Kostenüberschreitungen ein. [471] |
05-sept | STUK ordnet Unterbrechung der Schweißarbeiten am primären Reaktorkühlsystem durch AREVA an. |
Im Reaktorpark Großbritanniens unterscheidet man drei Kategorien: die erste Generation aus britischer Entwicklung, genannt Magnox, die Nachfolge-Generation der fortgeschrittenen gasgekühlten Reaktoren (AGR) und drittens ein Unikat aus dem Hause Westinghouse vom Typ Druckwasserreaktor (PWR). Die Magnox-Kraftwerke wurden in den Jahren 1956-71 errichtet, und nur die beiden letzten Reaktoren aus dieser Baulinie waren im März 2009 noch am Netz. Acht der elf Magnox-Kraftwerke wurden vom Investor, dem staatlichen Strommonopol CEGB (Central Electricity Generating Board), das auch das nationale Stromnetz in England und Wales kontrollierte, seinerzeit mit je zwei Reaktoren bestückt. Eins der Doppel-Kraftwerke wurde vom integrierten südschottischen Strommonopol SSEB errichtet. Zwei der übrigen Kraftwerke bestanden sogar aus je vier Reaktoren, die dem doppelten Zweck dienten, sowohl Strom als auch Waffenplutonium zu erzeugen; diese wurden von BNFL (British Nuclear Fuels Ltd.) betrieben, einem staatlichen Atom-und Technologie-Unternehmen.
Die sieben AGR-Kraftwerke bestehen aus je zwei Reaktoren mit einer Stromkapazität von je 600 MW und wurden in zwei Chargen geordert, fünf in 1965-69, von denen eins zum SSEB gehörte, und zwei erst 1979, eins von diesen vom SSEB. Die Reaktoren waren ursprünglich für eine Laufzeit von 30 Jahren ausgelegt, es wurde ihnen aber eine Laufzeitverlängerung gewährt: Die beiden ersten Kraftwerke dieser Baulinie erhielten eine typenbezogene Betriebsgenehmigung für weitere zehn Jahre. Auch die übrigen Reaktoren dieser Linie sollen zehn Jahre länger laufen dürfen, aber die Betreiber werden erst drei Jahre vor Auslaufen der jetzigen Betriebsgenehmigungen eine offizielle Genehmigung zum Weiterbetrieb beantragen. Nur die beiden ältesten AGR-Kraftwerke besitzen deshalb bisher eine offizielle Laufzeitgenehmigung für insgesamt 40 Betriebsjahre.
Der Druckwasserreaktor (PWR) hatte seinen Baustart 1987. Als der Auftraggeber CEGB aber 1990 zerschlagen und privatisiert wurde, ging das Kraftwerk an Nuclear Electric, ein neugegründetes Staatsunternehmen, das den Reaktor bis 1995 fertigstellen ließ.
Es ist offensichtlich geworden, dass keines dieser Kraftwerke bei Berücksichtigung aller Kosten je eine kostengünstige Stromquelle gewesen ist. Bis 1990 dachte man üblicherweise im Vertrauen auf die Aussagen der Betreiber noch Atomenergie sei billig. Das CEGB veröffentlichte entsprechende Studien [473] , aber diese waren mit methodischen Fehlern behaftet. [474] Das Scheitern eines Privatisierungsversuchs im Jahre 1990 schließlich machte die CEGB-Wirtschaftlichkeitsanalysen zu Makulatur.
Als das Stromnetz noch von integrierten staatlichen Monopolen ohne ausdrückliche aufsichtsbehördliche Jurisdiktion gemanagt wurde, da war es schier unmöglich, die tatsächlichen nuklearen Stromerzeugungskosten von den übrigen Kosten der Stromwirtschaft zu unterscheiden. Während heute nachweisbar ist, dass Atomenergie unwirtschaftlich ist, war es bis 1990 nicht möglich, die Höhe der gewährten Subventionen zu ermitteln.
1987 erklärte die Regierung ihre Privatisierungsabsicht. Das staatliche Strommonopol sollte zerschlagen und der Strommarkt für den Wettbewerb geöffnet werden. Die Regierung nahm an, man könne die AKW verkaufen, obwohl die Magnox-Reaktoren schon fast das Ende ihrer Auslegungs-Laufzeiten von 25 Jahren erreicht hatten. Ein Entwicklungsprogramm noch aus der Ära Thatcher, das 1979 die Errichtung von zehn Druckwasserreaktoren vorgesehen hatte (einen pro Jahr ab 1981), war auf vier Einheiten zusammengeschrumpft, nur einer hatte Antragsreife erreicht. Unausgesprochen ging man seitens der Interessenten von der Annahme aus, man könne die AKW zum Verkehrswert bekommen, müsse demnach auch nicht mehr anteilig für deren Amortisation aufkommen. Man gestand somit durchaus ein, dass AKW, die ihre Baukosten wieder einspielen müssen, unwirtschaftlich sind. Aber die Regierung konnte ja den Stromhandel dazu verpflichten, einen vorgeschriebenen Stromanteil aus AKW zu beziehen, die sogenannte NFFO-Verpflichtung (Non-Fossil Fuel Obligation). Nach Stilllegung der Altanlagen müssten die Stromhandelsunternehmen dann neue AKW-Kapazitäten errichten lassen, um ihrer NFFO-Verpflichtung nachzukommen. Dieser Hebel sollte sicherstellen, dass der nunmehrige Bau der vier geplanten neuen Reaktoren für die Investoren kein inakzeptables finanzielles Risiko darstellte. Auch die Vorstellung, die Regierung könnte den Stromverbrauchern ja eine Abgabe zur Unterstützung der Atomenergie auferlegen, eine sogenannte Fossile-Brennstoff-Abgabe (Fossil Fuel Levy – FFL), spukte bereits in den Köpfen, wenn auch niemand Angaben über die Größenordnung und das Verfahren einer solchen Subvention machte.
Die Stromversorgungsunternehmen taten 1987/88 nichts, um der Regierung den Glauben daran zu nehmen, dass ein solches Subventionssystem funktionieren würde. Das erklärt vielleicht, wieso die damalige Regierung bzw. das Energieministerium sich nicht klar darüber war, wie unwirtschaftlich die Atomkraftwerke waren, und auch, dass selbst Angehörige von CEGB und SSEB sich keine Rechenschaft darüber ablegten, als wie teuer die Produktion von Atomstrom sich herausstellen würde, sobald man dessen spezifische Produktionskosten von anderen Kosten getrennt erfasste. Im Sommer 1989 war es dann so weit: allmählich kam die Größenordnung der zusätzlichen Kosten zum Vorschein. Auch wurde klar, dass eine “NFFO” die Lösung nicht bringen würde. Tatsächlich war es das als Betreiber vorgesehene Unternehmen National Power, das die Regierung nachdrücklichst darauf hinwies, dass ihre Verkaufsabsicht unrealistisch war.
In einer Abfolge hastiger und ungeschickter Umsteuerungen wurden die AKW aus dem Privatisierungsprojekt herausgenommen. Die Magnox-und die AGR-Reaktoren des CEGB wurden einem neuen Staatsunternehmen, Nuclear Electric, übertragen, während die SSEB-Reaktoren einer weiteren neuen Staatsfirma, Scottish Nuclear, zufielen. Der „FFL”-Stromtarifzuschlag wurde im Bereich von Nuclear Electric eingeführt und sehr hoch angesetzt, um Nuclear Electric liquide zu halten, sodass ihm keine Insolvenzverzögerung vorzuwerfen war. Diese Abgabe wurde in Höhe von etwa 10 % aller Stromrechnungen erhoben, sodass sie etwa 1 Mrd. € pro Jahr erbrachte. Die Abgabe wurde so eingerichtet, dass für Nuclear Electric das Einkommen für die nächsten acht Betriebsjahre gesichert war. Für den Fall, dass der Marktpreis für Strom fiele, würde die Abgabenhöhe heraufgesetzt, und umgekehrt. Für Schottland fand man eine andere Regelung, die die privatisierten Elektrizitätsversorger verpflichtete, den gesamten Atomstrom von Scottish Nuclear abzunehmen, und zwar zum Festpreis. Im gesamten Vereinigten Königreich war geplant, das Stromversorgungsmonopol für die normalen Stromverbraucher bis 1998 aufrechtzuerhalten – bei diesen blieben etwaige zusätzliche Kosten für den Atomstrom also hängen. Wettbewerb war ausgeklammert, ein nichtnuklearer Stromversorger wurde garnicht an die Verbraucher herangelassen und konnte die hohen Stromtarife folglich nicht unterbieten.
Die Brüsseler EU-Kommission hat die FFL-Abgabe als Staatssubvention eingestuft, die eigentlich gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstösst; gleichwohl wurde die FFL befristet bis 1998 zugelassen. Eine Überprüfung des Sizewell-B-Projekts eines PWR-Reaktors, mit dessen Bau bereits 1987 begonnen worden war, wurde nun anberaumt, um über den Weiterbau zu entscheiden, und eine weitere Überprüfung der Atomenergie-Politik der Regierung wurde angekündigt. Diese Überprüfung sollte bis 1994 fertig sein, dem ursprünglich geplanten Jahr der Fertigstellung von Sizewell-B. Die Sizewell-Überprüfung wurde 1991 fertig und kam zum Ergebnis, dass die bereits entstandenen Kosten so hoch waren, dass ein Baustop keine Ersparnis mehr bringen würde.
Die Rückstellungen der früheren Betreiber im Wert von 3,8 Mrd. £, die diese vor Beginn der Umstrukturierung für die späteren Stilllegungskosten ihrer AKW hatten bilden müssen, waren in den Konten der Betreiber nicht auf Sonderkonten ausgewiesen, sondern als Teil des übrigen Vermögens gebucht. Folglich wurden sie nicht an die Nachfolgeunternehmen Nuclear Electric und Scottish Nuclear übergeben und sind im Endeffekt verloren. [475]
Im Ganzen gesehen ist nun klar, dass Atomstrom in der ganzen Zeit bis 1990 nie wirtschaftlich gewesen ist. Es gab aber keine als solche gekennzeichneten Subventionen. Die Zusatzkosten wurden einfach an die Stromkunden weitergereicht.
Die Jahre 1990-1996
Die Hast, mit der die Privatisierungspläne geändert wurden und Tarifzuschläge wie FFL eingeführt wurden, zeigt, dass sie unüberlegt waren. Von 1990 bis 1996 wurden ca. 6 Mrd. £ allein über die FFL-Zuschläge eingesammelt – selbstverständlich war es eine staatliche Subvention. Theoretisch war der Zuschlag für alle Energien gedacht, die nicht fossilen Ursprungs waren, doch in der Praxis gingen 97 % der Gelder an Nuclear Electric. Michael Heseltine, der federführende Minister, erklärte im Unterhaus, diese Mittel seien gedacht “für die Stilllegung alter und nicht mehr sicherer Kraftwerke.“ [476]. Das entsprach nicht den Tatsachen. Es gab keine verbindlichen Bedingungen für die Verwendung dieser Zusatzeinnahme, also wurden sie als zusätzliche Bareinkünfte integriert. Ein kleiner Anteil ging in die Stilllegungsausgaben ein, eine Hälfte wurde nicht verwendet, und der Rest wurde für die Bezahlung laufender Rechnungen eingesetzt. Extra-Ausgaben hatten mit dem Bau von Sizewell-B zu tun, der ohne Zugang zu Bankkrediten finanziert werden musste, obwohl oder weil das Unternehmen eigentlich pleite war, woraus zu schließen ist, dass ein großer Teil der FFL-Einkünfte als Subvention vom Stromzahler in das Projekt geflossen ist.
Sizewell B wurde 1995 fertiggestellt, zu Kosten von über 3 Mrd. £ (in 1995er Währung) [477]. Zu jener Zeit war dies ein ungeheurer Preis [478], obwohl Nuclear Electric damit argumentierte, dies sei schließlich ein “FOAK”-Preis (First Of A Kind = Erstling einer Baulinie). Der nicht verwendete Rest der vereinnahmten FFL (227 Mio. £) sei immerhin an das 1996 gegründete Nachfolgeunternehmen British Energy weitergereicht worden (siehe unten).
Die bessere Verfügbarkeit der AGR-Reaktoren führte dazu, dass Nuclear Energy ab 1995 seine Betriebskosten aus dem Stromverkauf decken konnte. In der Überprüfung ihrer Atomenergiepolitik kam die Regierung deshalb zu der Empfehlung, die AGR-und PWR-Kraftwerke nun zu privatisieren und den FFL-Tarifzuschlag abzuschaffen. So geschehen im Jahr 1996 durch die Gründung von British Energy als Eigner dieses Kraftwerksparks. Die Magnox-Reaktoren mussten offensichtlich in Regierungshand verbleiben und wurden einem neuen Unternehmen unterstellt, Magnox Electric, das 1998 in die ebenfalls staatliche BNFL integriert wurde. Zugleich wurde die FFL gestrichen, was eine Senkung der Stromtarife um zehn Prozent zur Folge hatte.
British Energy wurde verkauft, für ca. 1,7 Mrd. £ für acht Kraftwerke – die Hälfte der Baukosten für Sizewell-B allein. Wieviel der Bau der sieben AGR-Kraftwerke einmal gekostet hat, ist bisher nirgend verlässlich nachzulesen. Doch die vielen Probleme während der Bautätigkeit – allein Dungeness-B brauchte 18-20 Jahre Bauzeit bis zum Netzanschluss und dann noch einmal 4-6 Jahre für den Probebetrieb, bevor es für den kommerzellen Betrieb freigegeben werden konnte – deuten darauf hin, dass diese Anlagen sehr hohe Bausummen verschlungen haben müssen. Nehmen wir an, ihre Baukosten in 1995er Währung hätten je 2 Mrd. £ betragen, also nur zwei Drittel der Kosten für den Bau von Sizewell-B, dann würde das bedeuten, dass Vermögenswerte, die die Verbraucher 17 Mrd. £ gekostet haben, für ganze 10 % ihres Wertes veräussert worden sind.
In Wirklichkeit aber waren der einzige Grund, weshalb diese Kraftwerke überhaupt für einen Kaufpreis über Null verkauft werden konnten, Manipulationen an der Haftung für die Stilllegungskosten zu tun hat. Stilllegungsrücklagen sind für drei Stilllegungs-Schritte erforderlich: Erstens die Entnahme des Reaktorkerns, zweitens den Rückbau unverstrahlter oder nur leicht kontaminierter Gebäude, und drittens die Entsorgung alles übrigen Materials. In nicht abgezinsten Beträgen entfallen auf Schritt 1 vielleicht 10 % der Rückstellungen, aber wenn wir für die Schritte 2 und 3 die sehr langen Zeiträume bis zu deren Realisierung (70 Jahre und länger bis zu Schritt 3) zugrundelegen, dann verursacht Schritt 1 fast 50 % der erwarteten abgezinsten Stilllegungskosten. Kaum waren die Kraftwerke privatisiert und ein Fonds für Stilllegungskosten gebildet, wurde dieser für die Schritte 2 und 3 reserviert, während Schritt 1 aus den laufenden Umsätzen entnommen werden sollte. Sehr schnell stellte sich heraus, dass diese Vorstellung geradezu skrupellos zu nennen war: wie konnte nur irgendjemand auf die Idee kommen, British Energy würde über irgendwelche Einnahmeüberschüsse verfügen können?!
Nun fiel der Regierung ebenfalls kein Argument mehr ein, um die erforderlichen Steuersubventionen für den Bau von drei weiteren Druckwasserreaktoren in der Nachfolge von Sizewell-B zu rechtfertigen. Die inzwischen verbesserte Produktivität der AGR-Kraftwerke und die Laufzeitverlängerung der Magnox-Reaktoren machte einen weiteren Zubau atomarer Kapazitäten zur Aufrechterhaltung des jetzigen Atomstromanteils an der Elektrizitätsversorgung verzichtbar.
Über den Zeitraum 1990-96 haben die Verbraucher 6 Mrd. £ an Subventionen für die Atomenergie aufgebracht, offiziell als Vorsorge für Stilllegungen und Abfallentsorgung. De facto aber wurden nur etwa 250 Mio. £ für diesen Zweck rückgestellt. Die Hälfte der übrigen Vorsorgemittel wurde an BNFL und British Energy für deren Stilllegungskosten weitergegeben, während der verbleibende Betrag für den Bau eines neuen AKW Verwendung fand, das – nur ein Jahr nach seiner Fertigstellung – dann praktisch verschenkt wurde.
Seit etwa 1998 schien es British Energy richtig gutzugehen, der Aktienkurs stieg auf das Doppelte. In den USA gründete man gemeinsam mit dem Privatunternehmen PECO (später Exelon) eine Tochterfirma namens Amergen und begann damit, existierende AKW aufzukaufen. Es folgte ein großer Deal zwecks Übernahme acht laufender Reaktoren im Bundesstaat Ontario (Bruce Power). Doch dann, im Jahr 2000, brachte sich die Tatsache in Erinnerung, dass der scheinbare anfängliche Erfolg des Unternehmens British Energy auf einem überhöhten Großhandelspreis beruhte, noch dazu in Verbindung mit einer unwirtschaftlichen Produktionsstruktur. Der kleine Produktivitätsfortschritt war nun aufgebraucht und für Kosteneinsparungen keine Luft mehr. Die „eingebaute“ Unwirtschaftlichkeit der AGR-Reaktoren war auch bei British Energy nicht mehr zu übersehen.
2002 musste British Energy die Regierung zu Hilfe rufen, die am 5. September ein Akkreditiv von bis zu 410 Mio. £ einrichtete, gefolgt von einem weiteren am 26. September von bis zu 650 Mio. £. British Energy hatte gerade erfolgreich seine Betriebskosten auf einen historischen Tiefststand gedrückt, da trat die Zahlungsunfähigkeit ein. Der zuvor beobachtete Erfolg war von künstlich hochgehaltenen Großhandels-Strompreisen am hochzentralisierten Strommarkt abhängig. Als die Preise ab 2000 zu fallen begannen, war der Ärger vorprogrammiert. Am 28. November 2002 wurde ein Rettungsplan mit der Regierung ausgehandelt, der aus folgenden Hauptelementen bestand: • Neuverhandlung der Verträge mit BNFL für neue Brennstofflieferungen und die Wiederaufarbeitung von bestrahltem Uranbrennstoff; • Eine Reduzierung der Beiträge zum Stilllegungsfonds; • Der Verkauf von Beteiligungen von British Energy in USA: Bruce Power und Amergen.
Die Regierung machte keinen Hehl daraus, dass es sich bei dem Rettungspaket für British Energy um “staatliche Hilfen” handelte. Die EU-Kommission begann eine Untersuchung, ob es sich um unfaire Staatssubventionen handelte. [479] Die Kommission bewertete die Rettungsmaßnahmen mit undiskontierten 10 Mrd. £, entschied indes im September 2004, den Rettungsplan abzusegnen. [480] British Energy wurde im Januar 2005 wieder handlungsfähig und der Aktienkurs erhöhte sich von 2,85 £ in 2005 bis auf ein Maximum über 7 £ im Jahre 2006.
Die Restrukturierung des Unternehmens sah sieben Maßnahmen vor, die zwischen British Energy, den wichtigsten Gläubigern einschließlich BNFL und der Regierung vereinbart wurden: a) Maßnahmen zur Finanzierung der atomaren Haftpflichversicherung; b) Absprachen mit BNFL hinsichtlich der Brennstoffkette; c) Bei Betriebsunterbrechungen zu treffende Maßnahmen; d) Restrukturierungsverhandlungen über einen nachhaltigen Kapitaldienst, e) Einführung einer neuen Vermarktungsstrategie; f) Vermögensveräusserungen zur teilweisen Finanzierung der Maßnahmen; g) Stundung lokaler Steuern.
a) Maßnahmen zur Finanzierung der atomaren Haftpflichversicherung
Diese Maßnahmen wurden in folgende Unterkategorien aufgeteilt:
1. Alte Wiederaufarbeitungsverträge: Die Regierung übernimmt die Kosten. 2. Ungedeckte Haftpflichten: Die Regierung erklärt sich bereit, diese Kosten durch einen Atomhaftungsfonds (Nuclear Liabilities Fund – NLF) abzudecken. Zu diesen Pflichten gehören die Endlagerung der gebrauchten Brennstoffs (Plutonium, Uran, und der Abfälle aus der Wiederaufarbeitung von AGR-Brennstoff, Zwischen-und Endlagerung des gebrauchten PWR-Brennstoffs einschließlich des Baus eines Trockenlagers am Standort Sizewell-B sowie die Lagerung und Entsorgung von Prozessabfällen. 3. Stilllegungs-Rückstellungen: Die Regierung sichert zu, alle nicht vom NLF gedeckten Kosten zu übernehmen. 4. Steueraussetzung: Dies bezieht sich auf Steuerbeträge, die aus den drei vorhergehenden “Vermögenszuwächsen” resultieren würden; die Regierung hat eine gesetzliche Regelung vorbereitet, die diese Besteuerung verhindert.
Diese Fördermaßnahmen (siehe Tabelle 12) wurden untergraben, weil bereits gebildete Stilllegungs-Rückstellungen (NDF) in den Atomhaftungsfonds (NLF) eingeflossen sind und British Energy die Auflage behielt, auch weiterhin einen kleinen jährlichen Beitrag von ca. 2 Mio. £ in den Atomhaftungsfonds einzuzahlen.
Netto heutiger Wert nach Diskontierung mit nominal 5.4 % | Nicht diskontierter Wert | |
---|---|---|
Alte WAA-Verträge | 2 377 | 3 067 |
Unversicherte Haftpflicht | 951 | 3 375 |
Stilllegungsvorsorge | 1 115 | 5 062 |
Steuerstundungen | 1 047 | 1 077 |
Zahlungen BE an NLF | (2 007) | (2 510) |
Total | 3 483 | 10 071 |
Quelle: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:142:0026:0080:EN:PDF
Bemerkung: Die Diskontrate von 5,4 % nominal wird von der EU seit 1.1.2003 als Referenzsatz empfohlen (in Übereinstimmung mit einer Mitteilung der EU-Komission über die Methode der Festlegung von Referenz-und Diskontraten).
b) Maßnahmen, die mit BNFL über die Brennstoff-Ver-und Entsorgung getroffen wurden
Als Teil der Restrukturierungsmaßnahmen hat sich die staatliche British Nuclear Fuel BNFL, die der größte Gläubiger der British Energy war, bereiterklärt, ihre Verträge mit BE über die Brennstoffversorgung und die Wiederaufarbeitung bestrahlten Brennstoffs zu modifizieren (siehe Tabelle 13). Der Wert dieser Vertragsänderungen wird für zwei Zeitabschnitte veranschlagt, 2004-08 und die Zeit danach, sowie aufgeteilt in drei Varianten: “Upside” = Kleinste Belastung der Steuerzahler, „Bank“= Wahrscheinlichste Annahme, und „Downside“ = Höchste Belastung der Steuerzahler. Die Regierung erklärte, genaue Angaben über den Wert der an BE gewährten Vergünstigungen seien schwierig, da die alten Brennstofflieferverträge 2006 ausgelaufen wären. Die Anwendung unterschiedlicher Diskontraten für Maßnahmen a) und Maßnahmen b) machen die diskontierten Werte weniger vergleichbar.
Upside | Bank | Downside | |
---|---|---|---|
2004-08 | 46 | 72 | 103 |
Nicht diskontiert | -87 | 559 | 1,113 |
Netto jetziger | -289 | 174 | 589 |
Wert diskontiert zu 3.5 % |
Quelle: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:142:0026:0080:EN:PDF
Bemerkung: Der Diskontsatz von 3,5 % ist die im behördlichen Bereich gebräuchliche Rate.
c) Maßnahmen im Fall von Betriebsunterbrechungen
Als Teil des Restrukturierungsplans hat BE für den Fall von Betriebsunterbrechungen Vereinbarungen (die “Stillstands-Vereinbarungen”) über die Modalitäten ihrer Zahlungsverpflichtungen gegenüber BNFL sowie gegenüber einigen wichtigeren Gläubigern erzielt. Diese Vereinbarungen sollten für 2003 und 2004 gelten.
2003 | 2004 | Total | |
---|---|---|---|
Eingesparte Beträge | 300 | 642 | 942 |
Quelle: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:142:0026:0080:EN:PDF
d) Wichtige Gläubiger des Sanierungspakets
Zusätzlich zu den Stillstandsvereinbarungen, enthält der Sanierungsplan auch eine Restrukturierung und Tilgungspläne hinsichtlich wichtiger Gläubiger. Davon sind Schulden im Umfang von 1 263 Mio. £ betroffen. Diese Schulden wurden ebenfalls neu strukturiert durch die Begebung neuer Unternehmensanleihen und die Herausgabe von BE-Aktien. Der Wert dieser Sanierungsmaßnahmen wurde nicht angegeben, wahrscheinlich, weil die Gläubiger Privatunternehmen sind und die Kosten nicht der Steuerzahler trägt.
e) Einführung einer neuen Vermarktungsstrategie
Eine neue Vermarktungsstrategie für den Atomstrom aus den BE-Kraftwerken wurde eingeführt. Auch diese Massnahme scheint keine Auswirkungen für die Steuerzahler zu haben.
f) Veräusserung von BE-Vermögensteilen als Sanierungsbeitrag
Die Anteile an Bruce Power und Amergen wurden verkauft – ebenfalls wohl ohne die Steuerzahler zu belasten.
g) Lokale Steuerstundungen
Fünf betroffene Kommunen erklärten sich mit zinslosen Steuerstundungen zugunsten BE einverstanden. Insgesamt wurden Steuerstundungen im Wert von 4,3 Mio. £ von November 2002 bis February 2003 gewährt. Diese Raten wurden von BE voll gezahlt, und auch Verzugszinsen wurden im Oktober 2003 entrichtet. Auch hier also anscheinend keine Belastung der Steuerzahler oder der Kommunen.
Wenn wir den “Bank”-Wert für Maßnahmen unter b) zugrundelegen, dann ergibt sich für die Staatshilfen ein Wert von 11,5 Mrd. £ (siehe Tabelle 15).
Nicht diskontierter Wert | |
---|---|
Maßnahmen A | 10 071 |
Maßnahmen B | 559 |
Maßnahmen C | 942 |
Summe | 11 572 |
Als Gegenleistung für diese Staatshilfen erhielt die Regierung auf 65 % von BE’s Netto-Bareinnahmen, Geldbestände nach Abzug von Steuern, Finanzierungskosten und der jährlichen Zahlung an NLF von 20 Mio. £ Diese Einzahlung in den NLF konnte jederzeit auch in Aktien konvertiert werden. Für das Haushaltsjahr 2004/05 war kein Beitrag fällig – das Unternehmen ging erst im Januar 2005 wieder an den Markt, doch in den beiden Folgejahren wurde der Kapitaldienst geleistet (siehe Tabelle 16). In 2007/08 betrugen die Geldbestände etwa 305 Mio. £, doch der NLF verzichtete auf sein Anrecht auf Zahlung von 134 Mio. £. Für das erste Halbjahr 2008/09 ist keine Zahlung erfolgt, ob die Zahlung im zweiten Halbjahr eingeht, ist ungewiss.
Millionen £ | |
---|---|
2004/05 | 0 |
2005/06 | 105 |
2007/08 | 171 |
Total | 276 |
Quelle: British Energy Annual Report and Accounts, various http://www.british-energy.com/annualreports.php?pid=216
Im Mai 2007 teilte die Regierung ihre Absicht mit, ihren Anspruchsanteil an den Barbeständen von BE in Aktien umzutauschen und diese zu verkaufen. Das geschah am 6. Juni 2007 und erbrachte den Gegenwert von etwa 2,34 Mrd. £, der in den NLF eingezahlt wurde. Daraufhin wurde der Anspruch der Regierung auf Zugriff auf den Barbestand des Unternehmens auf 35,1 % reduziert. Im Dezember 2008 stimmte EDF einer Preisforderung von 12,5 Mrd. £ für die komplette Übernahme von BE zu, die auch den Erwerb des 36 %-Anteils von der britischen Regierung durch EDF beinhaltete. Dieser Anteil erbrachte 4,42 Mrd. £, die ebenfalls in den NLF flossen. [481] Trotz der Übernahme durch EDF behält die Regierung all ihre Verpflichtungen gegenüber British Energy, einschließlich ihrer Zusage, jedes Deckungsdefizit des NLF auszugleichen.
Die Gesamtsumme von 7 Mrd. £ wurde aus den Bargeldzugriffen auf die BE-Geldbestände eingezahlt, fast soviel wie die 8,4 Mrd. £, die von der Regierung für die Stilllegungsvorsorge und die alten Wiederaufarbeitungsverträge veranschlagt worden waren. Doch in den vier Jahren nach der Rettungsaktion sind die Zahlungsverpflichtungen aus dem NLF (für vertraglich ungesicherte Brennstoffentsorgung und Stilllegungskosten) auf Beträge von 8,8 Mrd. £ (davon 5,2 Mrd. £ für Stilllegungen) bis 12,1 Mrd. £ (davon 9,4 Mrd. £ für Stilllegungen) angestiegen. Der NLF bietet also keineswegs die Sicherheit, dass am Ende nicht doch noch die Steuerzahler für einige Kosten aufkommen müssen.
Selbst unter der Annahme, dass aus vertraglich ungesicherten Entsorgungs-und Stilllegungskosten keine Ansprüche an die Steuerzahler entstehen, beliefen sich die erwarteten Kosten der Rettungsaktion für British Energy auf etwa 3,4 Mrd £.
Das National Audit Office (NAO), Gegenstück des deutschen Bundesrechnungshofes, hat die mangelnde Kontrolle des Schuldengebahrens bei BE kritisiert. Die Rettungsaktion brachte an den Tag, dass die Steuerzahler unentrinnbar für diese hohen Schulden einstehen mussten. Das NAO monierte, dass die Regierung auf die sich entwickelnde Situation ein wachsameres Auge hätte haben müssen.482
Das Aufkommen aus dem Fossile-Brennstoffe-Stromzuschlag (FFL), ca. 2,7 Mrd. £, waren an die neuen Eigentümer der Magnox-Kraftwerke, Magnox Electric, weitergereicht worden. Dies deshalb, weil die Magnox-Reaktoren hohe Stilllegungskosten verursachen, und weil ihre Betriebsgenehmigungen bald auslaufen würden und der unmittelbare Bedarf hier deshalb größer war als bei den Kraftwerken von British Energy. Im Jahr 1998 wurde das Betreiberunternehmen Magnox Electric Teil der BNFL. Die von Magnox Electric eingebrachten Mittel wurden einem BNFL-Sonderfonds namens “Nuclear Liabilities Investment Portfolio (NLIP)” gutgeschrieben und wurden so angelegt, dass ein Wertverlust dieses Kapitals nicht zu befürchten war. Bis 2004, mit Beiträgen von BNFL und Zinsgewinnen, war der Fonds auf etwas über 4 Mrd. £ angewachsen. Der Fonds war aber ein internes Konto, also nicht streng vom Cashflow der BNFL abgegrenzt. Auch war BNFL in immer größeren finanziellen Nöten, weil sie ihre Verpflichtungen aus Vermögensbeteiligungen nicht hinreichend abdecken konnte und ihren Zahlungsverkehr nur noch über ministerielle Akkreditive abwickeln durfte.
Die Regierung verlor schließlich die Geduld und nahm BNFL sämtliche Anlagen an den diversen Standorten weg und übertrug sie der gerade in Gründung befindlichen Atom-Stilllegungsbehörde NDA (Nuclear Decommisioning Agency). Die Mittel des Sondervermögens „NLIP“ wurden stillschweigend in den Strom allgemeiner Regierungseinkünfte absorbiert und gingen in den übrigen Haushaltsumsätzen des Schatzamtes unter.
[1] Entspricht einem EPR (European Pressurized Water Reactor), wie in Finnland und Frankreich in Bau.
[2] Terawattstunden bzw. Milliarden kWh
[3] Anders als bei früheren Szenarien des Status Reports, unterstellen wir für alle Blöcke, die mit Stand vom 1. August 2009 von der IAEO als “in Bau” genannt sind, dass sie bis 2016 in Betrieb gegangen sein werden.
[4] Die Leistung der in Bau befindlichen Reaktoren reicht von 32 MW bis 1 600 MW, im Durchschnitt 880 MW, dieselbe Grössenordnung der in Betrieb befindlichen Reaktoren mit im Schnitt 855 MW. Während es ausgeschlossen scheint, die Anzahl der Reaktoren bis 2015 konstant zu halten, so wären 16 zusätzliche 1 000 MW Reaktoren ausreichend, um die Kapazität zu halten. Diese Anlagen müssten alle im Laufe des kommenden Jahres in Bau gehen und alle optimale Bauzeiten erreichen, was wenig wahrscheinlich scheint, aber nicht unmöglich ist.
[5] Plant Life Extension = Laufzeitverlängerung.
[6] Plus Laufzeitverlängerungen für Reaktoren in Grossbritannien, den Niederlanden und Spanien.
[7] Normalerweise sind dies Investitionen, die in geändertem Regulierungsumfeld nicht mehr amortisiert werden können.
[8] Mycle Schneider, “The World Nuclear Industry Status Report 2008”, The Bulletin of the Atomic Scientists, Nov.-Dez. 2008, http://www.thebulletin.org/web-edition/reports/2008-world-nuclear-industry-status-report Mycle Schneider with Antony Froggatt, “The World Nuclear Industry Status Report 2007”, commissioned by the Greens-EFA in the European Parliament, Brussels-Paris-London, January 2008; Französische Ausgabe Februar 2008; italienische und spanische Ausgabe April 2008 http://www.greens-efa.org/cms/topics/rubrik/6/6659.energy@en.htm
Frühere Versionen sind 2004 von den Grünen im Europäischen Parlament und 1992 gemeinsam vom World Watch Institute, Washington, Greenpeace International und WISE-Paris herausgebracht worden.
[10] IAEO-Datenbank PRIS (Power Reactor Information System): http://www.iaea.org/programmes/a2/index.html
[11] 1 GW = 1 Gigawatt = 1.000 Megawatt
[12] Mit Ausnahme des Jahres 1955, in dem es keine Betriebsaufnahme gab, nachdem 1954 in der damaligen UDSSR das erste kleine Atomkraftwerk (5 MW) ans Netz ging.
[13] Chubu Electric, Press Release, 22. Dezember 2008. Aber die IAEO-Statistik berücksichtigt die Entscheidung erst Ende Januar 2009.
[14] WNA, “Plans for new reactors worldwide”, März 2009, http://www.world-nuclear.org/info/inf17.html
[15] Das Äquivalent eines EPR-Reaktors (siehe weiter unten). 16 Platts, “World Electric Power Plants Database”, Januar 2008, zitiert in OECD-IEA, “World Energy Outlook 2008”, August 2008, S. 144 17 Terawattstunden = Mrd. kWh. Die Produktion fiel 0.4% netto (0.7% brutto) in 2008. Quellen: IAEA, „Nuclear Power Reactors in the World“, July 2009; BP, „Statistical Review of World Energy“, June 2009 18 Endenergie ist der Anteil der Primärenergie, der nach Abzug von Umwandlungs-und Leitungsverlusten an der Verbrauchsstelle ankommt.
[16] Platts, “World Electric Power Plants Database”, Januar 2008, zitiert in OECD-IEA, “World Energy Outlook 2008”, August 2008, S. 144
[17] Terawattstunden = Mrd. kWh. Die Produktion fiel 0.4% netto (0.7% brutto) in 2008. Quellen: IAEA, „Nuclear Power Reactors in the World“, July 2009; BP, „Statistical Review of World Energy“, June 2009
[18] Endenergie ist der Anteil der Primärenergie, der nach Abzug von Umwandlungs- und Leitungsverlusten an der Verbrauchsstelle ankommt.
[19] Die Quelle für Taiwan: http://www.etaiwannews.com/etn/news_content.php?id=908024&lang=eng_news&cate_img=35.jpg&cate_rss=news_Business
[21] OECD-IEA, “World Energy Outlook 2007”, 7. November 2007
[23] OECD-IEA, “World Energy Outlook 2008”, 22. Oktober 2008
[24] OECD-IEA, “World Energy Outlook 2006”, 7. November 2006
[25] Inter Academy Council, “Lighting the Way”, Oktober 2007
[26] US Department of Energy, Energy Information Administration, “International Energy Outlook 2006”, Juni 2006
[27] Der Report merkt auch an, dass die Atomstrom-Prognose für 2025 im IEO 2008 31 % höher ist als im IEO 2003. Das wäre ein dramatischer Anstieg in nur fünf Jahren.
[28] US Department of Energy, Energy Information Administration, “International Energy Outlook 2008 -Highlights”, Juni 2008, siehe: www.eia.doe.gov/oiaf/ieo/index.html
[29] IAEO, “Energy, Electricity and Nuclear Power Estimates for the Period up to 2030, Reference Data Series No. 1, Wien 2008
[30] IAEO, “International Status and Prospects of Nuclear Power”, 2008
[31] 180 GW zusätzlich zur 2004 installierten Reaktorkapazität von 366 GW
[32] Das entspricht etwa dem Doppelten der zurzeit installierten Reaktorkapazität. Die Zahlenangabe „729 GW“ statt “ungefähr 730 GW” suggeriert eine Genauigkeit, die ebensoweit von der Wirklichkeit entfernt ist wie die Zahl selbst.
[33] UNFCCC, “Analysis of existing and planned investment and financial flows relevant to the development of effective and appropriate international response to climate change”, 2007 http://unfccc.int/files/cooperation_and_support/financial_mechanism/application/pdf/background_paper.pdf
[34] ppme CO2 bezieht sich auf das ‚parts per million’-Äquivalent der CO2 –Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre
[35] Vortrag auf der “2009 Carnegie Endowment for International Peace International Non-Proliferation Conference”, Washington, D.C., 6. April 2009
[36] Die IAEO gibt in der Grafik irrtümlicherweise GW statt MW für die Nominalkapazität an.
[37] http://www.nrc.gov/reactors/new-reactors/col.html ; Zugriff: 11. Juli 2009
[38] US-DOE, “Status of Potential New Commercial Nuclear Reactors in the United States", 19. Februar 2009
[39] Ibidem
[40] Financial Times, 24. Oktober 2007
[41] Bloomberg, “EDF Shouldn’t Count on Prolonging Old Reactors”, 8. April 2009
[42] Wir beziehen uns auf die zurzeit erhältliche offizielle Vorausschau der individuellen Reaktor-Stilllegungs.termine.
[43] In früheren Ausgaben dieses Reports haben wir Reaktoren nicht berücksichtigt, die zwar in der Rubrik “in Bau” geführt waren, für die aber kein IAEO-offizielles Datum für einen Betriebsbeginn genannt worden war. In unserem hier gezeigten Szenario berücksichtigen wir alle als „in Bau“ gelisteten Reaktoren mit einem von uns unterstellten Betriebsbeginn bis 2016. Die betreffenden Daten wurden von MSC ermittelt.
[44] 16 zusätzliche Blöcke à 1 000 MW wären ausreichend, um die Kapazität beizubehalten, was angesichts vergangener und gegenwärtiger Erfahrungen mit Projektverzögerungen unwahrscheinlich aber nicht unmöglich erscheint.
[46] Eine Anzahl derzeit geplanter oder in Bau befindlicher Reaktoren gehören zu Reaktortypen, die bisher noch nirgendwo sonst fertiggestellt worden sind, z.B. der EPR und der AP1000.
[47] Bradford, et al. “Nuclear Power Joint Fact-Finding”, Keystone Center, Juni 2007
[49] UtiliPoint International, 21. Juni 2004
[50] Aktuell autorisierte Budgetpositionen beinhalten $18.5Mrd. für Reaktorinvestitionen und $2.0Mrd. für Brennstoffanlagen. Es gab allerdings wiederholte Anläufe, dieses Bürgschaftsvolumen erheblich zu erhöhen.
[52] “The Nuclear Renaissance Prerequisites”, Platts 3rd Annual European Nuclear Power Conference, London, UK, 30. Juni 2008
[53] The Guardian, “Mohamed ElBaradei warns of new nuclear age”, 15. Mai 2009
[54] IAEO, “International Status and Prospects of Nuclear Power”, 2008
[55] The IAEO nennt keine Einzelheiten; es ist unklar, wie umfassend die technische Hilfe in diesen Fällen ist.
[56] Betr. Hintergründe der atomtechnischen Kooperationsprogramme Frankreichs siehe: Mycle Schneider, “Nuclear France Abroad -History, Status and Prospects of French Nuclear Activities in Foreign Countries”, im Auftrag von CIGI, Canada, Paris, Mai 2009; http://www.npec-web.org/Frameset.asp?PageType=Single&PDFFile=Schneider%20.%20NuclearFranceAbroad&PDFFolder=Reports
[57] WNA, “Emerging Nuclear Energy Countries”, Mai 2009, http://www.world-nuclear.org/info/inf102.html
[58] Financial Express, “Government takes fresh move to set up N-power plant”, 26. März 2009
[59] UPI, “Albania, Croatia plan nuclear power plant”, 16. April 2009
[60] IAEO, “Research Reactor Data Base”, Zugriff: 9. Mai 2009
[61] The IAEO zählt 28 potentielle Einsteigerstaaten, deren Netze kleiner als 10 000 MW sind.
[62] Ziggy Switkowski, “Uranium mining, processing and nuclear energy review -opportunities for Australia?”, Draft report, Department of Prime Minister and Cabinet, November 2006; Switkowski ist inzwischen Vorsitzender der Australian Nuclear Science and Technology Organisation (ANSTO).
[63] Siehe: “More nuclear? What international experts say about our energy future”, Background Briefing, Greenpeace Australia, 19. November 2006, und “International experts additional comments on draft Nuclear Taskforce Report”, Background Briefing, Greenpeace Australia, 6. Dezember 2006,
[64] Die Errichtung von bis zu 25 000 MW an Reaktorkapazität bis 2050 würde den Netzzugang eines neuen 1200.MW-Reaktors alle 18 Monate ab 2020 bedeuten, dem Datum der frühestmöglichen Fertigstellung eines ersten Blockes.
[65] ABC, “Aussies will accept nuclear power, conference told”, 17. März 2009
[66] Siehe http://www.alp.org.au/media/0109/msrese160.php Zugriff: 10. Mai 2009
[67] The Santiago Times, “Chile Govt doubles 2009 Budget for Nuclear Energy Studies”, 6. Januar 2009
[68] Thaindian News, “Indonesia to build four nuclear power plants by 2025”, 12. März 2008
[69] Israel21c, “Israel and California cut world’s largest solar energy deal”, 12.Februar 2009, http://www.israel21c.org/bin/en.jsp?enDispWho=Articles%5El2460&enPage=BlankPage&enDisplay=view&enDispWhat=object&enVersion=0&enZone=Technology , Zugriff: 10. Mai 2009
[70] Siehe: Maria Rosaria Di Nucci, “Between Myth and Reality: Development, Problems and Perspectives of Nuclear Power in Italy”, in Lutz Mez, Mycle Schneider & Steve Thomas (eds),”International Perspectives on Energy Policy and the Role of Nuclear Power”, Multiscience, Brentwood, Mai 2009
[71] Yahoo Malaysia News, “India keen to sell nuclear reactors to Malaysia”, 27. April 2008
[72] WNA, “Emerging Nuclear Countries”, Mai 2009
[74] AFP, “RP revisits nuclear energy option at ‘white elephant’ plant", 8. Januar 2009
[75] IAEO, “IAEA Advises Philippines on Next Steps for ‘Mothballed’ NPP”, 12. Juli 2008
[76] WNN, “Emerging Nuclear Countries”, Mai 2009
[78] Piyasvasti Amranand, “Thailand’s Energy Policies”, Präsentation auf der “Power-Gen Asia”, 6. September 2007
[79] WNN, “Russia and Turkey talking cooperation”, 17. Februar 2009
[80] Government of the UAE, “Policy of the United Arab Emirates on the Evaluation and Potential Development of Peaceful Nuclear Energy”, undatiert. https://pcs.enec.gov.ae/ENECDocuments/ContentMgmtDocuments/UAE%20Policy%20on%20the%20Evaluation%20and%20Potential%20Development%20of%20Peaceful%20Nuclear%20Energy.pdf ; Zugriff: 15. Mai 2009
[81] Brad Sherman, “Key Members of Congress call on President Obama to Conduct Nuclear Trade Policy Review”, 7. April 2009, http://www.house.gov/list/press/ca27_sherman/morenews/40709UAELetter.html
[82] Platts, “Obama approves US-UAE agreement on civilian nuclear cooperation”, 20. Mai 2009
[83] CNN, “Chavez interested in nuclear help from Russia”, 28. September 2008
[84] Siehe: Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., “Nuclear Energy – Rebirth or Resuscitation”, Carnegie Endowment for International Peace, 2009. Der Bericht enthält eine gute Zusammenfassung der möglichen Implikationen verschiedener Expansions-Szenarien.
[85] Kristine L. Svinicki, “The Nuclear Renaissance in America”, NRC NEWS, Paris, 4. Mai 2009
[86] IAEO, “International Status and Prospects of Nuclear Power”, 2008
[87] Kristine L. Svinicki, “The Nuclear Renaissance in America”, NRC NEWS, Paris, 4. Mai 2009
[88] MPR, “DOE NP2010 Nuclear Power Plant Construction Infrastructure Assessment”, 21. Oktober 2005
[89] Financial Times, 24. Oktober 2007
[90] WNN, “Japan Steel Works prepares for orders”, 16. Mai 2007
[91] In der Fachpresse wurde berichtet, ein chinesischer Hersteller, Erzhong (ehemals: Second Heavy Machinery Works) in Dayan (Provinz Sechuan), habe angekündigt, dass diese Kapazität vorhanden sei, doch eindeutige Belege dafür fehlen. Erzhong verfügt (noch?) nicht über die erforderlichen internationalen Referenzen, um als Konkurrent von JSW auf dem Weltmarkt auftreten zu können.
[92] Nucleonics Week, 8. November 2007
[93] AREVA, “The Japan Steel Works, Ltd. (JSW) and AREVA sign a major industrial agreement on large forged part procurement”, Pressemitteilung, 4. November 2008
[94] Die meisten der großen in Bau befindlichen Reaktoren haben vier Dampferzeuger.
[95] Siehe CPDP, Compte Rendu du Débat Public EPR “Tête de série”, Paris 29. November 2005
[96] Nucleonics Week, 8. November 2007
[97] AREVA, “AREVA invests in Le Creusot to manufacture EPR reactor vessels in France”, Pressemitteilung 3. Juli 2008
[98] AREVA, “AREVA launches the Chalon 1300 plan”, Pressemitteilung 2. April 2009
[99] AREVA hat bereits einige Projekte zurückgestellt, einschließlich (im November 2008) das “Midwest” Uranminenprojekt in Saskatchewan, Kanada.
[100] WNN, „Accreditation for Chinese nuclear components“, 5. Juni 2009
[101] Dieser Absatz basiert im Wesentlichen auf: Mark Hibbs, “Chinese equipment fabricators set ambitious capacity targets”, Nucleonics Week, 22. Mai 2008
[102] WNN, “Russian heavy equipment manufacturer ZiO-Podolsk is increasing capacity to be able to produce four nuclear equipment sets per year”, 9. März 2009
[103] WNN, “More AP1000 containment vessels”, 19. Dezember 2008
[104] The Times, “British suppliers risk missing out on nuclear revival”, 3. April 2009
[105] Financial Times, “Manufacturer hopes to forge £30m nuclear plan », 24. November 2009
[106] Eric Schmitt, “Preparing for the Nuclear Power Renaissance”, Capgemini, März 2008
[107] Nebenbei kann eine Wiederholung der langen Geschichte von Projektabbrüchen, Insolvenzen von AKW-Betreibern und Kostenüberschreitungen, besonders in den USA, wohl kaum ein Ziel der heutigen Atomindustrie sein.
[108] Siehe Amory B. Lovins’ Analyse: “Nuclear Power: Climate Fix or Folly?”, April 2008, http://www.rmi.org/images/PDFs/Energy/E09-01_NuclPwrClimFixFolly1i09.pdf
[109] OECD-NEA, “Nuclear Education – Cause for Concern?”, NEA Report 2428, Paris, 2000
[110] Die Präsentationen sind zugänglich bei: http://www.iaea.org/inisnkm/nkm/cnkm/
[111] Die Präsentationen sind zugänglich bei: http://www.iaea.org/inisnkm/nkm/cnkm/
[112] Siehe die Konferenzbeiträge bei: www.iaea.org/inisnkm/nkm/conference2007.html
[113] A. Kazennov et al., “Evolution of NPP personnel training: trends, new needs and performance improvement focus”, IAEO, presentation at IAEA, International Conference on Knowledge Management in Nuclear Facilities, Wien, Österreich, 18.-21. Juni 2007
[114] Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., “Findings and Recommendations”, Conference Rapporteur, IAEO, International Conference on Knowledge Management in Nuclear Facilities, Wien, Österreich, 18.-21. Juni 2007
[115] OECD-NEA, “Nuclear Competence Building”, NEA Report 5588, Paris, 2004
[116] Ibidem
[117] OECD-NEA, “Statement by the NEA Steering Committee for Nuclear Energy regarding a government role in ensuring qualified human resources in the nuclear field”, 18. Oktober 2007
[118] WANO, “Dr S.K. Jain became the 10th President of WANO at the recent Biennial General Meeting in Chicago”, 25. September 2007, http://www.wano.org.uk/wano/Contact_Info/WanoPresident.asp
[119] Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Leiter der Nuclear Development Division, OECD.NEA, private Mitteilung, e-mail vom 7. Mai 2009
[120] Csaba Sükösd, “European approaches and initiatives for Nuclear Education & Training and Knowledge Management”, ENEN, Präsentation an der IAEO School of Nuclear Knowledge Management, Triest, Italien, 5. September 2008
[121] WNU, “Announcement of the Fifth Annual WNU Summer Institute, 5. July – 15. August 2009”, September 2008
[122] Eric Schmitt, “Preparing for the Nuclear Power Renaissance”, Capgemini, März 2008
[123] Kristine L. Svinicki, “The Nuclear Renaissance in America”, NRC NEWS, Paris, 4. März 2009
[124] Teresa Hansen, “Nuclear renaissance faces formidable challenges”, Power Engineering, siehe: http://pepei.pennnet.com/Articles/Article_Display.cfm?ARTICLE_ID=297569&p=6&dcmp=NPNews
[125] AREVA’s US recruiting official puts the figure at 27% within the next three years (siehe: http://marketplace.publicradio.org/display/web/2007/04/26 a_missing_generation_of_nuclear_energy_workers/ )
[126] Teresa Hansen, op.cit.
[127] Steve Tritch und Jack Lanzoni, “The Nuclear Renaissance: A Challenging Opportunity”, paper presented at the WNA Annual Conference Building the Nuclear Future, Challenges and Opportunities, 7. September 2006
[128] Die NRC hat außerdem einen der prominentesten kritischen Atomexperten der USA eingestellt, David Lochbaum, ehemaliger Forschungsleiter für Atomfragen bei der Union of Concerned Scientists.
[129] MPR, “DOE NP2010 Nuclear Power Plant Construction Infrastructure Assessment”, 21. Oktober 2005
[130] EDF-Group, „2008 Document de Référence – Leading the energy change“, April 2009
[131] Stellenangebote bei: www.edfrecrute.com am 15.Mai 2009
[132] Liz Smith, “Growing Engineers through Education”, AREVA, abstract of presentation at “Nuclear Revival: Maintaining Key Competencies For the Nuclear Energy: A Challenge and an Opportunity for Diversity Development”, WIN Global Annual Meeting, Marseilles, France, 26.-30. Mai 2008
[133] GIGA, “L’industrie nucléaire française : perspectives, métiers / Le besoin d’EDF en 2008”, Oktober 2007, http://www.giga-asso.com/fr/public/lindustrienucleairefranc/emploisperspectives1.html?PHPSESSID=2f7kmsonapea7ihktecmvdks45
[134] Marie-Madeleine Sève, “Le plan d’EDF pour faire le plein d’ingénieurs”, Management, April 2008
[135] Bruno Tarride, Brief an Bernard Bourret vom 24. Oktober 2008
[136] Emmanuel Bouchot, persönliche Mitteilung, e-mail vom 29. April 2009
[137] Patricia de la Morlais, persönliche Mitteilung, e-mail vom 4. Mai 2009
[138] ibidem
[139] Ibidem
[140] Innovation, Universities, Science and Skills Committee, “Engineering: turning ideas into reality”, House of Commons, Fourth Report of Session 2008-09, Volume I, 27. März 2009
[141] Ibidem
[142] Philip Thomas, “The Future Availability of Graduate Skills”, presentation to the BNIF/BNES Conference Energy Choices, 5. Dezember 2002
[143] P. Fritz und B. Kuczera, “Kompetenzverbund Kerntechnik – Eine Zwischenbilanz über die Jahre 2000 bis 2004”, Atomwirtschaft, Juni 2004
[144] Lothar Hahn, Präsentation bei einer von der IAEO veranstalteten “International Conference on Nuclear Knowledge Management: Strategies, Information Management and Human Resource Development”, 7.-10. September 2004
[145] Ausdrückliche Auskunftsverweigerung durch den Sprecher Joachim Knebel, private Mitteilung, 24. April 2009. Knebel argumentiert, durchaus beachtlichen Erfolge dieses Programms würden ausschließlich unter Verwendung von Drittmitteln erzielt; es seien Themen behandelt worden, die nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden könnten, z.B. neue Reaktorentwicklungen, Schnelle Brüter, und Fragen des „geschlossenen Brennstoffkreislaufs“. Die deutsche Gesetzgebung lasse die Finanzierung solcher Veranstaltungen nicht zu. Er sei deshalb nicht bereit für eine im Auftrag des BMU durchgeführte Studie Auskunft zu geben.
[146] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, „Kompetenzerhalt auf dem Gebiet der Reaktorsicherheit“, Drucksache 16/3072, 27. November 2006
[147] Nature, „Going Nuclear – Workforce shortages could slow growth of an industry poised for a comeback“, 7. Mai 2009
[148] Lothar Hahn, “Knowledge Management for Assuring High Standards in Nuclear Safety”, Vortrag auf der IAEA “International Conference on Nuclear Knowledge Management: Strategies, Information Management and Human Resource Development”, 7.-10. September 2004
[149] H. Mori, K. Miura, “Preservation of Nuclear Talented Experts in Japan by Cooperation of Industries, Research Institutes and Universities”, Vortrag auf der IAEA “International Conference on Nuclear Knowledge Management: Strategies, Information Management and Human Resource Development”, 7.-10. September 2004
[150] Alle nach 1973 erteilten Aufträge wurden storniert. In den folgenden Jahren wurden in den USA insgesamt 138 Reaktoren wieder abbestellt.
[151] Energy Information Administration, “Impacts of Rising Construction and Equipment Costs on Energy Industries”, Issues in Focus AEO2007. http://www.eia.doe.gov/oiaf/aeo/otheranalysis/cecei.html Zugriff am 31. März 2009.
[152] Nucleonics Week, “EDF: Flamanville-3 cost rise due to inflation, technical/regulatory changes”, 11. Dezember 2008, S. 1.
[153] The Keystone Center, „Nuclear Power Joint Fact-Finding“, Keystone Center, Keystone, 2007; http://www.ne.doe.gov/pdfFiles/rpt_KeystoneReportNuclearPowerJointFactFinding_2007.pdf ; Zugriff am 3. April 2009
[154] In USA steht “EPR” für “Evolutionary Pressurized Water Reactor”
[155] AREVA NP ist zurzeit noch ein Joint Venture des französischen Staatskonzerns AREVA (66 %) und des deutschen Elektronikkonzerns Siemens (34 %). Siemens hat allerdings im Januar 2009 seinen Ausstieg angekündigt
[156] Laut einer Meldung der London Times, hat die NII erhebliche Zweifel an der Konformität der EPR-Leittechnik mit britischen Sicherheitsstandards geäußert; siehe The Times, „UK regulator raises French nuclear concerns“, Times Online, 1. Juli 2009; http://business.timesonline.co.uk/tol/business/industry_sectors/natural_resources/article6613960.ece
[157] Nucleonics Week, “Westinghouse seeks Chinese consent to design changes on AP1000” 2. April 2009, S. 1
[158] GE Hitachi “GE Hitachi Seeks to Renew NRC Certification for ABWR Reactor Design” Business Wire, 15. Dezember 2008.
[159] Reuters, “DOE drops Luminant Texas from nuclear loan talks” 8. Mai 2009. http://uk.reuters.com/article/governmentFilingsNews/idUKN0741783620090507?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=sendNuclearHeadlines&pageNumber=1&virtualBrandChannel=0 Zugriff: 9. Mai 2009.
[160] Stephen Thomas, Peter Bradford, Antony Froggatt & David Milborrow, “The economics of nuclear power’, Amsterdam, Greenpeace International”, 2007.
[161] Stephen Thomas, “Nuclear Power in Britain since Chernobyl: A Rollercoaster Ride”, in Lutz Mez, Mycle Schneider & Steve Thomas (eds), "International Perspectives on Energy Policy and the Role of Nuclear Power’, Multiscience, Brentwood, 2009.
[162] BERR, Press release, “Clean up fund is precondition for new nuclear – Hutton”, 22. Februar 2008; http://www.gnn.gov.uk/environment/fullDetail.asp?ReleaseID=354629&NewsAreaID=2&NavigatedFromDepart ment=True
[163] Nucleonics Week, “Giant EPR said to be competitive: EDF to decide on order next year”, 6. November 1998, S. 1
[164] siehe Überblick über mehrere Studien in Stephen Thomas, Peter Bradford, Antony Froggatt & David Milborrow, “The Economics of Nuclear Power”, Amsterdam, Greenpeace International, 2007
[165] Projektleiter Martin Landtman erklärte: “Der Wert der ganzen Olkiluoto-3-Investition einschließlich der vertraglichen ’Schlüsselfertigen Lieferung’ beträgt etwa 3 Mrd €. (Geldwert 2003). Andere Zahlen sind nicht publiziert.“ Persönliche Mitteilung, e-mail an Mycle Schneider vom 8. Oktober 2004
[166] Nucleonics Week, “EC probing claims Olkiluoto loan guarantees were state aid”, 26. Oktober 2006.
[167] Nucleonics Week, “Areva reveals 47 % cost overrun on contract for Olkiluoto-3”, 5. März 2009, S.1
[168] Nucleonics Week, “Giant EPR said to be competitive: EDF to decide on order next year”, 6. November 1998, S.1
[169] Petroleum Economist, ”France mulls nuclear future”, März 2001
[170] Nucleonics Week, “EPR safety approval won’t last beyond 2002, regulator warns”, 6. März 1997
[171] Stephen Thomas, “Can nuclear power plants be built in Britain without public subsidies and guarantees?”, Vortrag auf der Konferenz: "Commercial Nuclear Energy in an Unstable, Carbon Constrained World“.gemeinsam veranstaltet vom “Nonproliferation Policy Education Center” and Radio Free Europe/Radio Liberty. 17.-18. März 2008
[172] Nucleonics Week, “Areva’s Olkiluoto-3 manager says engineering judgment undermined”, 26. März 2009, S. 4
[173] Nucleonics Week, “Areva reveals 47% cost overrun on contract for Olkiluoto-3”, Nucleonics Week, 5. März 2009, S. 1
[174] Agence France Presse, “Setbacks plague Finland’s French-built reactor”, 30. Januar 2009.
[175] Schreiben vom 9. Dezember 2008, dem Finnischen Fernsehen im Mai 2009 zugespielt. Von Greenpeace veröffentlicht unter: http://weblog.greenpeace.org/nuclear-reaction/2009/05/problems_with_olkiluoto_reacto.html
[176] Nucleonics Week, “EDF orders Flamanville-3 EPR NSSS, with startup targeted in 2012”, 5. Januar 2007, S. 1
[177] Nucleonics Week, “Flamanville-3 concrete pour marks start of nuclear construction”; 6. Dezember 2007, S. 3
[178] Nucleonics Week, “EDF to build Flamanville-3, says first EPR competitive with CCGT”, 11. Mai 2006, S. 1
[179] European Daily Electricity Markets, “EDF’s past efforts pay off with two EPR deals sealed in China”, 15. August 2008
[180] Nucleonics Week, “Concrete pouring at Flamanville-3 stopped after new problems found”, 29. Mai 2008, S.18
[181] Nucleonics Week, “EDF confirms target of starting up Flamanville-3 in 2012”, 20.November 2008, S.1
[182] Associated Press Worldstream, “EDF to lead up to euro50B in nuclear plant investment”, 4.Dezember 2008
[183] Nucleonics Week, “Areva official says costs for new EPR rising, exceeding $6.5 billion”, 4.September 2008, S.1
[184] Gordon MacKerron, “Nuclear Power under review”, in John Surrey, “The British Electricity Experiment”, Earthscan, London 1997
[185] Nucleonics Week, “Areva official says costs for new EPR rising, exceeding $6.5 billion”, 4. September 2008,
[186] The Times, “Reactors will cost twice estimate, says E.ON chief”, 5. Mai 2008, S.32
[187] Massachusetts Institute of Technology, 2003 ‘The Future of Nuclear Power’ MIT, Boston. http://web.mit.edu/nuclearpower/ Zugriff: 3. April 2009.
[188] Die MIT-Studie vergleicht Atomkraftwerke ausschliesslich mit Kohle-oder Gaskraftwerken.
[189] The Keystone Center, 2007: “Nuclear Power Joint Fact-Finding”, Keystone Center, Keystone; zu den elf Sponsoren der Studie gehören sieben Atombetreiber und ein Reaktorbauer.
[190] The Keystone Center, op cit, S.21: “Pacala/Socolow presented 15 possible technology wedges, not all completely independent of each other, and argued that at least seven of these wedges, or a larger number of partial wedges, would be necessary to stabilize global atmospheric CO2 concentrations.”
[191] Steve Pacala & Rob Socolow, “Stabilization Wedges: Solving the Climate Problem for the Next 50 Years with Current Technologies”, in Science, 13. August 2004
[192] Massachusetts Institute of Technology, 2009 ‘Update of the MIT 2003 Future of Nuclear Power Study’ MIT, Boston. http://web.mit.edu/nuclearpower/pdf/nuclearpower-update2009.pdf ; Zugriff am 26. Mai 2009
[193] Yangbo Du & John Parsons, „Update on the cost of nuclear power“, MIT Boston; http://web.mit.edu/nse/pdfs/NFC-108.pdf ; Zugriff am 26. Mai 2009.
[194] Moody’s, “New Nuclear Generation in the United States: Keeping Options Open vs Addressing An Inevitable Necessity”, Moody’s Global Credit Research, New York, 2. Oktober 2007
[195] Standard & Poor’s, “Construction Costs To Soar For New U.S. Nuclear Power Plants”, Standard & Poor’s, New York, 2008
[196] Wall Street Journal, „US Chooses Four Utilities to Revive Nuclear Industry“, 17. Juni 2009
[197] Nuclear Engineering International, ”Power Market Developments -The American Way”, Juni 2008
[198] Natural Gas Week, “Progress Signs Contract for New Florida Nukes”, 9. Januar 2009
[199] Platts, “US NRC move to delay Florida units at least 20 months: Progress”, 1. Mai 2009
[200] Nuclear Engineering International, “Power Market Developments -The American way”, Juni 2008
[201] Nuclear Engineering International, “Power Market Developments -The American way”, Juni 2008
[202] Nuclear Engineering International, “Power Market Developments -The American way”, Juni 2008
[203] Chattanooga Times, “Estimates for new nuclear plant rise”, 12. Dezember 2008, p A1
[204] WNN, “Duke Raises Cost Estimate for Lee Plant”, 7. November 2008
[205] Nucleonics Week, “Exelon drops ESBWR, looks at other reactor designs for its Texas project”, 27. November 2008, S.1
[206] Nucleonics Week “Entergy revises construction plans, looks again to acquisitions”, 26. Februar 2009, S.1
[207] Nucleonics Week “Entergy revises construction plans, looks again to acquisitions”, 26. Februar 2009, S.1
[209] Daily Record (Baltimore), “Constellation Energy CEO: French firm won’t influence Baltimore Gas & Electric Co.”, 28. April 2009
[210] Nucleonics Week ‘Entergy revises construction plans, looks again to acquisitions’ 26. Februar 2009, S.1 geplanten Vergabe staatlicher Kreditbürgschaften scheint das US-Energieministerium einem Spektrum von vier verschiedenen Reaktortechnologien den Zuschlag geben zu wollen.
[211] Standard & Poor’s, “Construction Costs to Soar for New US Nuclear Power Plants,” Ratings Direct, 15. Oktober 2008
[212] Areva, “AREVA Launches the Chalon 1300 Plan”, Areva Press Release, Paris, 2. April 2009
[213] Standard & Poor’s, “Construction Costs to Soar for New US Nuclear Power Plants,” Ratings Direct, 15. Oktober 2008
[214] Ibid.
[215] Ann MacLachlan, “HSE Preparing to Contract for Technical Safety Expertise”, Inside NRC, 10. November 2008.
[216] House of Commons Innovation, Universities, Science and Skills Committee, 2009 ‘Engineering: Turning Ideas into Reality’ Fourth Report of Session 2008/09 HC 50-I, The Stationery Office, London. http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200809/cmselect/cmdius/50/5002.htm Zugriff: 3. April 2009.
[217] Stephen Thomas, “The Collapse of British Energy: The True Cost of Nuclear Power, or: A British Failure?” Economia delle fonti di energia e dell’ambiente, no. 1–2, 2003: S. 61–78.
[218] Equity = Anleihen, Hypothekenschulden
[219] Massachusetts Institute of Technology, “The Future of Nuclear Power” MIT, Boston, 2003, http://web.mit.edu/nuclearpower/ Zugriff: 3. April 2009.
[220] The Keystone Center, “Nuclear Power Joint Fact-Finding”, Keystone Center, Keystone, 2007
[221] WACC = Weighted Average Cost of Capital
[222] John Surrey, “The British Electricity Experiment”, Earthscan, London, 1997
[223] Stephen Thomas, Peter Bradford, Antony Froggatt & David Milborrow, “The economics of nuclear power”, Amsterdam, Greenpeace International, 2007
[224] World Bank, “Guidelines for Environmental Assessment of Energy and Industry Projects”, World Bank technical paper No. 154/1992. Environmental Assessment Sourcebook, Vol. III.
[225] Asian Development Bank, “Energy Policy”, Working Paper, Januar 2009
[226] Rinaldo S.Brutoco, “Nuclear Power Finance and Development in the Climate Change Era”, American Bar Association Presentation, 5. März 2008
[227] United States Department of Energy, “A Roadmap to Deploy New Nuclear Power Plants in the United States by 2010”, Washington, US-DOE, 2001
[228] Congressional Research Service, “Potential Cost of Nuclear Power Plant Subsidies in S.14”, 7. Mai 2003. Requested by Senator Ron Wyden.
[229] Congressional Budget Office, “Cost Estimate of S.14 Energy Policy Act of 2003”, (Washington, Congressional Budget Office) http://www.cbo.gov/doc.cfm?index=4206.
[230] Redemansukript, Deputy Energy Secretary Dennis Spurgeon, auf dem Second Annual “Nuclear Fuel Cycle Monitor Global Nuclear Renaissance Summit”, Alexandria, Virginia, 23. Juli 2008.
[231] Congressional Budget Office, “Nuclear Power’s Role in Generating Electricity”, 2008, S.33. http://www.cbo.gov/ftpdocs/91xx/doc9133/05-02-Nuclear.pdf
[232] Platt’s Global Power Report “Nuclear Energy Institute President Says Congress Needs to Boost Loan Guarantees”, 16. Oktober 2008.
[234] Standard & Poor’s, “Construction Costs To Soar For New U.S. Nuclear Power Plants”, 2008
[235] Baa2 ist bereits eine schlechte Bonität. Aaa ist die beste Note und Ba1 wird bereits als „Junk Bond“ eingestuft.
[236] Nucleonics Week, “French export credit agency to insure loans for Cgnpc, Eskom”, 21. August 2008
[237] The Star, “Nuclear bid had funding – AREVA”, 30. Januar 2009.
[238] PBMR pty, “PBMR considering change in product strategy”, News Release, 5. Februar 2009 http://www.pbmr.co.za/index.asp?Content=218&Article=104&Year=2009
[239] Engineering News, 2008 “Eskom terminates Nuclear 1 procurement process, but SA still committed to nuclear”, 5. Dezember 2008.
[240] Nucleonics Week “US working with allies to change global rules for nuclear financing” 23. Oktober 2008.
[241] AREVA NP ist zu 66 % in AREVA-Eigentum und 34 % bei Siemens. Im Januar 2009 hat Siemens mitgeteilt, seinen Anteil an Areva zurückzuveräußern. In: The Economist, „Power Struggle -Nuclear Energy“, 6. Dezember 2008 (US Edition).
[242] Nucleonics Week “French export credit agency to insure loans for Cgnpc, Eskom”, 21. August 2008.
[243] Nucleonics Weeks, “Japan clears way for loan guarantees in US”, 25. September 2008
[244] Nucleonics Week, “US working with allies to change global rules for nuclear financing”, 23. Oktober 2008
[245] Irvine Bupp & Jean-Claude Derian, “Light Water: How the Nuclear Dream Dissolved”, NY. Basic Books, 1978.
[246] Standard & Poor’s, “Construction Costs To Soar For New U.S. Nuclear Power Plants”, 2008
[247] Man beachte, dass nach Leistungsminderungen von Reaktoren die IAEO und einige weitere Organisationen die Auslastung in Prozent des neuen niedrigeren Leistungslimits statt der ursprünglichen Nennkapazität angeben. Das ist natürlich auch nicht uninteressant, z.B. zur Beurteilung der Verfügbarkeit, aber für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse sollte die ursprüngliche Nennkapazität den Ausschlag geben, denn für die haben die Investoren schließlich bezahlt.
[248] Für Statistiken der Betriebs- und Managementkosten siehe: Nuclear Energy Institute, http://www.nei.org/index.asp?catnum=2&catid=95
[249] In ihrem Prospekt für den Neustart des Unternehmens British Energy heißt es: „Wir glauben, dass Leistungsminderungen eine Folge von dem zeitabhängigen Materialverschleiss der Anlage sind; teilweise wegen ungenügender Investitionen in den letzten Jahren; dies hat einen Wartungsstau bzw. Zeitverzug bei der erforderlichen Wartung zur Folge“, siehe: http://www.british-energy.co.uk/documents/Prospectus_-_Part_II.pdf
[250] Nucleonics Week, “US operating costs increased modestly in 2007”, 30. Oktober 2008, S.1
[251] Präsident des Board of Trade, Michael Heseltine, Hansard, 19. Oktober 1992
[252] Nuclear Engineering International, “US Nuclear Power – Can Competition give it renewed Life?”, Juni 1999
[253] Bis April 2009 hatten bereits 52 bzw. die Hälfte der in USA aktiven Reaktoren eine Genehmigung zur Laufzeitverlängerung, weitere sind beantragt.
[254] In Kapitel II wurde gezeigt, dass das zum Zeitpunkt der endgültigen Stilllegung erreichte Durchschnittsalter nur 22 Jahre beträgt. In Frankreich ist es dem AKW-Betreiber EDF bisher nicht gelungen, die Aufsichtbsbehörde davon zu überzeugen, dass ihre Reaktoren für 40 Jahre oder länger sicher betrieben werden können.
[255] Nucleonics Week, “Target date for operating Olkiluoto-3 again delayed, this time until 2012”, 23. Oktober 2008
[256] BERR, Press release, “Clean up fund is precondition for new nuclear – Hutton”, 22. Februar 2008; http://www.gnn.gov.uk/environment/fullDetail.asp?ReleaseID=354629&NewsAreaID=2&NavigatedFromDepart ment=True
[257] “Convention Supplementary to the Paris Convention of 29th July 1960 on Third Party Liability in the Field of Nuclear Energy”.
[258] “The Joint Protocol Relating to the Application of the Vienna Convention and the Paris Convention, September 1988.” Das Gemeinsame Protokoll trat am 27. April 1992 in Kraft.
[259] Das Gemeinsame Protokoll trat am 27. April 1992 in Kraft.
[260] Das “1997 Protocol to Amend the 1963 Vienna Convention”; das “2004 Protocol to Amend the 1960 Paris Convention”; und das “2004 Protocol to amend the 1963 Brussels Supplementary Supplementary Convention”.
[261] McRae hat ausgerechnet, das mehr als die Hälfte der weltweit installierten Reaktorkapazität in Staaten betrieben wird, auf deren Territorium die internationalen Atomhaftpflicht-Konventionen nicht gelten. Siehe: McRae, Ben, Overview of the Convention on Supplementary Compensation, in: „Reform of Civil Nuclear Liability“, OECD, 2000, S.175.
[262] Ibid, auf S.9. Die Atomversicherer äußerten in den Verhandlungen über die Änderung der Pariser Konvention frühzeitig Bedenken, siehe: Letter of the Comité Européen des Assurances vom 8. Dezember 2000.
[263] In Europa gibt es für Reaktorbetreiber neben kommerziellen Pools noch zwei Rückversicherungen. Die “European Mutual Assurance for the Nuclear Industry (EMANI)” wurde 1978 gegründet, und die “European Liability Insurance for the Nuclear Industry (ELINI)” entstand 2002. ELINI will 100 Mio. € für Schadenshaftung gegenüber Dritten vorhalten und seine 28 Mitglieder haben bis gegen Ende 2007 die Hälfte dieser Summe in einen besonderen Kapitalfonds eingezahlt. ELINI umfasst die meisten AKW-Betreiber Europas. Der Fonds von EMANI beträgt etwa 500 Mio. €. Siehe: “UIC 2007: Civil Liability for Nuclear Damage”, Uranium Information Centre, Issues Briefing Paper # 70, Oktober 2007 (http://www.uic.com.au/nip70.htm)
[264] HMG 2007: “The Role of Nuclear Power”, Consultation 2007.
[265] Panel Discussion, “Toward a Nuclear Power Renaissance ? Fact or Fiction”, 2009 Carnegie Endowment for International Peace International Non-Proliferation Conference, Washington, D.C., 6. April 2009
[266] Jedoch bleibt es unwahrscheinlich, dass die “Debatten” kurz-bis mittelfristig irgendwelche praktische Auswirkungen haben werden.
[267] The Keystone Center, “Nuclear Power Joint Fact-Finding”, Keystone Center, Keystone, 2007, S.43
[268] Stan Kaplan, “Power Plants: Characteristics and Costs, US Congressional Research Service”, 13. November 2008, RL34746.
[269] Joe Turnage, „New Nuclear Development: Part of the Strategy for a Lower Carbon Energy Future“, presentation at the International Trade Administration Nuclear Energy Summit, 8. Oktober 2008
[270] Nucleonics Week, 25. September 2008
[271] Kwok, 20. März 2009
[272] Daniel Horner und Ann MacLachlan, "US working with allies to change global rules on nuclear financing”, Platts, 23. Oktober 2008.
[273] The Keystone Center, “Nuclear Power Joint Fact-Finding”, Keystone Center, Keystone, 2007, S.58
[274] Doug Koplow, „Nuclear Power as Taxpayer Patronage: A Case Study of Subsidies to Calvert Cliffs Unit 3,“ prepared for the Nonproliferation Policy Education Center, 2009
[275] Joe Turnage, „New Nuclear Development: Part of the Strategy for a Lower Carbon Energy Future“, presentation at the International Trade Administration Nuclear Energy Summit, 8. Oktober 2008
[276] Koplow, Doug; “Federal Energy Subsidies: Energy, Environmental, and Fiscal Impacts, Technical Appendix”, Washington, DC: Alliance to Save Energy, 1993
[277] David Schlissel, Michael Mullett, and Robert Alvarez, “Nuclear Loan Guarantees: Another Taxpayer Bailout Ahead?”, Union of Concerned Scientists, March 2009, p.11
[278] Christopher Seiple, „Stranded Investment: The Other Side of the Story,“ Public Utilities Fortnightly, 15. März 1997
[279] Goldberg/Renewable Energy Portfolio Project, “Federal Energy Subsidies: Not All Technologies Are Created Equal”; Marshall Goldberg for the Renewable Energy Policy Project; July 2000 Research Report No. 11
[280] Charles Komanoff and Carla Roelofs, “Fiscal Fission: The Economic Failure of Nuclear Power”, Komanoff Energy Associates for Greenpeace, 1992
[281] Ibidem
[282] Koplow, Doug; “Federal Energy Subsidies: Energy, Environmental, and Fiscal Impacts, Technical Appendix”, Washington, DC: Alliance to Save Energy, 1993
[283] Heede, Morgan, Ridley/Center for Renewable Resources, “The Hidden Costs of Energy”; Rick Heede, Rick Morgan, and Scott Ridley; Center for Renewable Resources, 1985]|Subventionseffekt des Price-Anderson Act nicht geschätzt.| 1981|-|-|5,9|12,3|105%|Chapman et al./US EPA (1981) [[<284>Chapman et. al/US EPA (1981); “Energy Production and Residential Heating: Taxation, Subsidies, and Comparative Costs”; Duane Chapman, Kathleen Cole, and Michael Slott of Cornell University for the Ohio River Basin Energy Study; U. S. Environmental Protection Agency Office of Research and Development, 1981
[285] Bowring/Energy Information Administration, “Federal Subsidies to Nuclear Power: Reactor Design and the Fuel Cycle”; Pre-publication draft. Joseph Bowring, Energy Information Administration, March 1980
[286] Doug Koplow, „Nuclear Power as Taxpayer Patronage: A Case Study of Subsidies to Calvert Cliffs Unit 3,“ prepared for the Nonproliferation Policy Education Center, 2009
[287] Die tatsächlichen Subventionen waren wahrscheinlich noch höher, denn viele der Studien berücksichtigen nicht alle zu jener Zeit verfügbaren Staatshilfen. Außerdem ist der Wert des produzierten Stroms in den früheren Vergleichen wegen der Beschränkung auf den gewerblichen Einzelhandelspreis zu hoch angesetzt; die Betrachtung der Großhandelstarife hätte einen besseren Vergleichsmaßstab für die Wettbewerbsfähigkeit abgegeben.
[288] “Transcript to the Committee Workshop before the California Energy Resources Conservation and Development Corporation in the matter of ‘Preparation of the 2007 Integrated Energy Policy Report’ ” 28. Juni 2007, Volume II.
[289] Joe Turnage, „New Nuclear Development: Part of the Strategy for a Lower Carbon Energy Future“, presentation at the International Trade Administration Nuclear Energy Summit, 8. Oktober 2008, S.24f
[290] Doug Koplow, „Nuclear Power as Taxpayer Patronage: A Case Study of Subsidies to Calvert Cliffs Unit 3,“ prepared for the Nonproliferation Policy Education Center, 2009
[291] Hopkins, Jamie Smith und Adams, Paul. „Calvert County solicits reactor,“ Baltimore Sun, 9. August 2006
[292] Calvert County, „Budget Summary: FY2009 Commissioners Report“, Maryland, 2009
[293] Anthony Heyes, „Determining the Price of Price-Anderson,“ Regulation, Winter 2002-2003, in The Keystone Center, “Nuclear Power Joint Fact-Finding”, Juni 2007
[294] Geoffrey Rothwell, E-mail correspondence with Doug Koplow, Earth Track, 20. Oktober 2007
[295] Peter Bradford, „New Nuclear Plants and Climate Change,“ Congressional Presentations, 20. April 2007
[296] für eine ausführliche Betrachtung, siehe Anhang 5
[297] Falls nicht anders angegeben, stammen die Zahlenangeben zu „in Betrieb“ und „in Bau befindlichen Reaktoren (Stand Ende Juni 2009) und zum Atomstromanteil am gesamten Stromverbrauch (für 2008) aus der “IAEA Power Reactor Information System (PRIS)“ Datenbank. Die Angaben für den Atomstromanteil am Primärenergieverbrauch sind dem“Statistical Review of World Energy" der BP vom Juni 2008 entnommen.
[298] Rainer Moormann, “A safety re-evaluation of the AVR pebble bed reactor operation and its consequences for future HTR concepts”, Forschungszentrum Jülich, 2008, siehe: http://juwel.fz.juelich.de:8080/dspace/handle/2128/3136, Zugriff: 20. April 2009
[299] Stephen Thomas, “PBMR: hot or not?”, Nuclear Engineering International, April 2009
[300] Nucleonics Week, “French export credit agency to insure loans for CGNPC, Eskom”, 21. August 2008
[301] The Star, “Nuclear bid had funding – AREVA”, 30. Januar 2009.
[302] http://www.pub.iaea.org/MTCD/publications/PDF/cnpp2003/CNPP_Webpage/pages/\countryprofiles\Argentina\Argentina2003.htm
[303] Market Wire, “Argentina to Reinforce Nuclear Energy by Adding 700 MW and Building Fourth Nuclear Plant”, 7. Mai 2009
[304] WNN, “Argentina and Brazil Team Up for Nuclear”, 25. Februar 2008. Beide Staaten haben noch eine lange Wegstrecke vor sich, wenn sie mit ihren Plänen beispielgebend sein wollen. Sowohl die industriellen als auch die Nicht-Weiterverbreitungs-Aspekte beider Atomenergieprogramme waren alles andere als überzeugend.
[305] WNN, “Argentina and Brazil Team Up for Nuclear”, 25. Februar 2008.
[306] Bruce Power, “Bruce A Restart & Refurbishment project expanded”, 29. August 2007; http://www.brucepower.com/pagecontentU12.aspx?navuid=5002&dtuid=83558 Zugrtiff: 22. Mai 2009
[307] The Globe and Mail, “AECL favoured to build Ontario reactors: sources”, 20. Mai 2009
[308] The Star, „Economy let us delay nuclear plan, premier says“, 7. Juli 2009
[309] Michael Binder, Präsident, Canadian Nuclear Safety Commission, „Moving Forward“, Vortrag am 4. Juni 2008
[310] http://www.nrc.gov/reactors/operating/licensing/renewal/applications.html ; Zugriff: 11. Juli 2009
[311] http://www.nrc.gov/reactors/new-reactors/col.html ; Zugriff: 11. Juli 2009
[312] Clinton (Exelon), Grand Gulf (SERI), North Anna (Dominion)
[313] Vogtle (Southern)
[314] http://www.nrc.gov/reactors/new-reactors/esp.html ; Zugriff: 22. Mai 2009
[315] Entergy, “Entergy Temporarily Suspends Reactor License Applications”, Press Release, 9. Januar 2009
[316] Ameren, “AmerenUE Requests Sponsors to Withdraw Missouri Clean and Renewable Energy Construction Bills in General Assembly”, Press Release, 23. April 2009 ; http://ameren.mediaroom.com/index.php?s=43&item=634
[317] Ameren, “AmerenUE Requests Sponsors to Withdraw Missouri Clean and Renewable Energy Construction Bills in General Assembly”, Press Release, 23. April 2009 ; http://ameren.mediaroom.com/index.php?s=43&item=634
[318] Platts, “Exelon to ‘delay or cancel’ plans for new reactors, CEO says”, 15. Mai 2009
[319] Platts, “Exelon to ‘delay or cancel’ plans for new reactors, CEO says”, 15. Mai 2009
[320] Fortune Magazine berichtete von einem ’Fortune’s Brainstorm’ über die Atomenergiepolitik: “Energieminister Steven Chu lässt ja vielleicht noch über neue AKW mit sich reden, meinte einer der Teilnehmer, der aber nicht
[321] Junfeng Li, “China’s Wind Power Development Exceeds Expectations”, OPINION, World Watch Institute, 2. Juni 2008
[323] AREVA, Press Release, 26. November 2007
[324] Siehe die eingehende Erörterung der Implikationen des Abkommens bei: Zia Mian, et al. “Fissile Materials in South Asia: The Implications of the U.S.-India Nuclear Deal”, IPFM, September 2006
[325] Siehe vorhergehende Fussnote und u.a. Daryl Kimbal, “Fixing a flawed nuclear deal”, Arms Control Today, September 2007, http://www.armscontrol.org/act/2007_09/focus.asp
[326] Eine Gruppe von 45 Staaten, die durch eine Regulierung des internationalen Atomkommerzes die Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindern wollen.
[327] WNN, “Money no object for Indian reactor plans”, 25. März 2009
[328] Ibidem
[329] Chubu Electric, Press Release, 22. Dezember 2008
[331] WNN, “Data falsification prompts component checks”, 14. April 2009
[332] CNIC, “Kashiwazaki-Kariwa-7 Restart”, 8. Mai 2009; http://cnic.jp/english/topics/safety/earthquake/kk7restart8may09.html
[333] AFP, “Toshiba to raise $5bln: reports”, 18. April 2009
[334] Bloomberg, “Seismic Work on Japan Spent-Nuclear fuel Plant Boosts Costs 46%”, 16. April 2009
[335] Einzelheiten zu Pakistans Energie-und Atomprogramm bei: Zia Mian, Abdul H. Nayyar, “Pakistan and the Energy Challenge”, in Lutz Mez, Mycle Schneider & Steve Thomas (eds), “International Perspectives on Energy Policy and the Role of Nuclear Power”, Multiscience, Brentwood, 2009
[336] Siehe : Mycle Schneider, “Nucléaire : Paris, plaque tournante du trafic pakistanais”, Politis, Paris, 1989
[337] Bloomberg, “South Korea to Spend $28 Billion on New Power Plants”, 28. Dezember 2008
[340] WNN, “Taipower: More money to complete Lungmen”, 12. März 2009
[341] STUK, Press Release, 12. July 2006, http://www.stuk.fi/stuk/tiedotteet/2006/en_GB/news_419/ ; STUK, “Management of Safety Requirements in Subcontracting During the Olkiluoto-3 Nuclear Power Plant Construction Phase”, Investigation Report 1/06, Übersetzung vom 1. September 2006; ausführlicher Bericht bei: http://www.stuk.fi/stuk/tiedotteet/2006/en_GB/news_419/_files/76545710906084186/default/investigation_report.pdf
[342] Helsingin Sanomat, “TVO: Welding problems will not cause further delays to completion of Olkiluoto III”, 13. Mai 2009
[343] TVO, “Construction of a Nuclear Power Plant Unit at Olkiluoto – General Description – OL4”, August 2008
[344] Ministry of Employment and the Economy, “Application to the MEE for a desion-in-principle on expanding the spent nuclear fuel final disposal facility”, Press Release, 13. März 2009
[345] Eine detaillierte Analyse des französischen Energiesektors bei: Mycle Schneider, “Nuclear Power in France – Beyond the Myth”, im Auftrags der Fraktion der Grünen EF Gruppe im Europäischen Parlament, Brussels, Dezember 2008; http://www.greens-efa.org/cms/topics/rubrik/6/6659.energy@en.htm
[346] Hauptsächlich Druckwasserreaktoren (34 Blöcke zu je 900 MW, 20 zu je 1300 MW und 4 zu je1400 MW plus ein 250 MW-Brutreaktor (Phénix, Marcoule).
[347] ASN, Brief an den Direktor des Flamanville-3 Reaktorbauprojekts, 30. September 2008
[348] EDF, Press Release, 12. November 2008
[349] AG Energiebilanzen, “Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2008”, 20. Februar 2009
[350] Laut Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ sind 72 % der Befragten dafür, ältere Atomkraftwerke sofort abzuschalten; Bild am Sonntag, 12. Juli 2009
[351] Der CDU-Generalsekretär hat diese Position im Februar 2009 bestätigt, siehe: CDU, “Wir wollen die Laufzeiten verlängern”, 25. Februar 2009, www.cdu.de/archiv/2370_25720.htm ; Zugriff am 24. Mai 2009
[352] FORSA, “Meinungen zum Ausstieg aus der Atomkraft”, 23. April 2009
[354] Reuters, “Spanien betont Energiesparen, nicht Atomenergie”, 21. Januar 2009
[355] Ibidem.
[356] Allein im Jahr 2008 hat Spanien 2600MW neue PV-Kapazität ans Netz angeschlossen, das entspricht dem Wert aller im selben Jahr in der übrigen Welt installierten neuen Photovoltaikanlagen. Siehe REN21, “Renewables Global Status Report – 2009 Update”, Paris, 2009
[357] Regeringskansliet, “A sustainable energy and climate policy for the environment, competitiveness and long.term stability”, 5.Februar 2009
[359] CORE, “THORP – Living on a knife-edge. Future hopes evaporating fast.”, 18. Mai 2009
[360] Nuclear Engineering International, “Official figures show scale of Sellafield MOX Plant losses”, Mai 2009.
[361] The Observer, 19. September 2004
[362] Als Tony Blair im Mai 2006 das neue Atomenergieprogramm ankündigte, sagte er: ”Diese Tatsachen setzen die Erneuerung der Atomkraftwerke, ein großes Vorwärtsprogramm für die Erneuerbaren, und eine steile Aufwärtsbewegung der Energie-Effizienz mit Nachdruck auf die Tagesordnung.“ Siehe “Blair Presses the Nuclear Button,” The Guardian, 17. Mai 2006 ; http://www.guardian.co.uk/environment/2006/may/17/energy.business
[364] The Guardian, 23. Oktober 2007
[365] Sustainable Development Commission, “Is Nuclear the Answer?”, London, März 2006
[366] Schon Anfang 2006 hat EDF einen einflussreichen Verbündeten, Andrew Brown, den jüngeren Bruder des Premierministers, ab Mai 2009 als Pressesprecher für EDF Energy eingesetzt.
[367] Platt’s David Stellfox hat es im Februar 2009 in einem Vortrag in Washington DC so ausgedrückt: “Wie bringt man eine strauchelnde Industrie schnell wieder auf die Beine ? – Gebt sie den Franzosen !“
[368] Contract Journal, “Ten firms in race for £700m nuclear civils packages”, 20. Mai 2009
[369] WNN, “Westinghouse gets set for UK construction”, 5. September 2008
[370] Nicht alle Bewerber hielten durch. Als die Grundstückspreise explodierten, verabschiedete sich die Gruppe Iberdrola SA, GDF Suez SA and Scottish & Southern Energy Plc aus dem Bieterverfahren, siehe: Bloomberg, “Iberdrola Group Pulls Out of UK Nuclear Bidding, FT Reports”, 28. April 2009
[371] Gallup, “Attitudes on issues related to EU Energy Policy”, European Commission, DG TREN, April 2007
[372] North-West Evening Mail, “Nuclear Row – Residents will quit village”, 26. März 2009
[373] Financial Times, “EDF calls for support for nuclear industry”, 25. Mai 2009
[374] Conrad U. Brunner, “Democratic Decision-Making in Switzerland: Referenda for a Nuclear Phase-Out, in “Rethinking Nuclear Energy after September 11, 2001”, Global Health Watch, IPPNW, September 2004
[375] Conrad Brunner, “Switzerland – What’s Left from the Glaciers in the Alps”, in Lutz Mez, Mycle Schneider & Steve Thomas (eds), “International Perspectives on Energy Policy and the Role of Nuclear Power”, Multiscience, Brentwood, 2009
[376] Jan Haverkamp, “Comments on the non-technical summary of the EIA report of the Investment Proposal of the Belene Nuclear Power Plant”, Greenpeace, Juni 2004
[377] Antworten des EIA-Teams auf die Frage 29 der NGOs und Bürger “during the hearings on the Framework of the EIA for Belene”, 2004
[378] Financial Times Deutschland, „RWE scheitert mit Atomplänen“, 7 August 2009
[379] UCTE 2007: Physical electricity exchange of UCTE countries, http://www.ucte.org/_library/statsexchange/e_exchanges_2007.pdf
[380] International Energy Agency, „Energy Policies in IEA Countries, Country Review -Czech Republic“, IEA.
[381] Earth Times,; “Lithuanian president says work on nuclear plant to begin 2009”, 27. März 2009
[382] Reuters, “Lithuania to seek strategic investor for n-plant”, 12. März 2009
[383] European Commission, “Commission issues its opinion on units 3 and 4 of the Slovak Nuclear Power Plant of Mochovce”, IP/08/1143, 15. Juli 2008
[384] US-DOE, „Most Dangerous Reactors -A Worldwide Compendium of Reactor Risk“, US Department of Energy, Office on Energy Intelligence, Mai 1995
[385] Nach: IAEA PRIS August 2009, http://www.iaea.org/programmes/a2/index.html, soweit nichts anderes angegeben.
[386] In 2008, nach IAEA PRIS, Mai 2009
[387] In 2008, nach BP, „Statistical Review of World Energy“, Juni 2009
[388] Stand 1. August 2009; auf-oder abgerundet.
[389] Stand 1. August 2009
[390] Nach WNA; WNA listet zusätzlich 13 geplante Blöcke in möglichen Einsteigerstaaten auf; siehe: http://www.world-nuclear.org/info/reactors.html Zugriff: 28. Mai 2009
[391] +/-/= in Klammern bezeichnen Veränderungen im Jahr 2008 gegenüber 2007; Veränderungen unter 1% bleiben unberücksichtigt.
[392] Deutsche Statistiken (AG Energiebilanzen) geben den Anteil an der Brutto-Stromerzeugung mit nur 23.3% an.
[393] Angaben nach IAEO-PRIS, online Zugriff 6. August 2009, falls nicht anderweitig angegeben.
[394] Zahlreiche Verzögerungen. Neuestes Datum nach Januar 2008 veröffentlicht.
[395] Mehrfach verzögert, keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://world-nuclear.org/info/inf87.html
[396] Mehrfach verzögert, keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, Diese Angabe bei: http://world-nuclear.org/info/inf87.html
[397] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[398] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[399] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear-news.org/newsarticle.aspx?id=24440
[400] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[401] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[402] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe nach: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[403] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe nach: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[404] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[405] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe nach: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[406] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe nach: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[407] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: Westinghouse, Press Release, 1.April 2009
[408] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[409] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe nach: http://www.world-nuclear.com/info/inf63.html
[410] Nach mehrfachen Änderungen des ursprünglichen Datums für die „Betriebsaufnahme“ 2009, bezieht sich diese Angabe auf die “Fertigstellung“ des Reaktors, siehe: TVO, Press Release, 13. Januar 2009; die IAEO führt noch als Datum für die kommerzielle Inbetriebnahme den 1. Juni 2011; Zugriff 19. Juli 2009
[411] Wahrscheinlich mindestens etwa 9 Monate verzögert; AREVA-Chefin Anne Lauvergeon, erklärte im französischen Radio, der Bau sei mit einem Jahr in Verzug. EDF behauptet, das Projekt sei im Plan.
[412] Erneut verzögert nach verschobenem Starttermin 31.7.2007. Anfang 2009 erneut verschoben.
[413] Erneut verzögert nach verschobenem Starttermin Dezember 2008. Anfang 2009 erneut verschoben.
[414] 2008. Anfang 2009 erneut verschoben
[415] Mehrfach verzögert. keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe für Aufnahmedes kommerziellen Betriebs bei: http://www.world-nuclear.org/info/inf53.html
[416] Wiederholt verschoben nach geplantem Starttermin 30.7.2007; keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme mehr, diese Angabe bei http://www.world-nuclear.com/info/inf53.html
[417] Wiederholt verschoben nach geplantem Starttermin 31.7.2007; IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme 30.6.09 (sic), diese Angabe bei http://www.world-nuclear.com/info/inf53.html
[418] Erneut verschoben nach geplantem Starttermin 1.11.2007 (datiert Januar 2008).
[419] Dieser Block erscheint erst im Oktober 2008 auf der IAEO-Liste.
[420] Um 14 Tage verschoben. Zugriff 19. Juli 2009
[421] Verschoben vom geplanten Starttermin 1.Dezember 2009 (datiert Januar 2008).
[422] Beim “IAEA Power Reactor Information System (PRIS)” wird ein neuer Termin für den Baustart mit dem 18.7.2006 benannt. Bis 2003 hatte die französische “Atomic Energy Commission (CEA)” den BN-800 in der Rubrik “in Bau” mit dem Baustarttermin 1985“ aufgeführt. In den folgenden Ausgaben der jährlichen CEA-Publikation “ELECNUC, Nuclear Power Plants in the World”, tauchte BN-800 nicht mehr auf.
[423] Zahlreiche Terminverschiebungen, keine IAEO Angabe eines Starttermins, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.com/info/inf29.html
[424] Geplanter Starttermin 31.12.2010 verschoben (mit Datum Ende 2007), kein neuer Starttermin bei IAEO genannt; diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.org/info/inf45.html
[425] Geplanter Starttermin 31.12.2010 verschoben (mit Datum Ende 2007), kein neuer Starttermin bei IAEO. Kursk-5 ist eine Weiterentwicklung des RBMK; seine Fertigstellung ist völlig offen. Wir haben – nur für Modellierzwecke – willkürlich einen Starttermin in 2012 angenommen.
[426] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme. Diese Angabe für Beginn des kommerziellen Betriebs bei: http://www.world-nuclear.org/info/inf45.html
[427] Starttermin erstmals Anfang 2009 genannt.
[428] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme. Diese Angabe für Beginn des kommerziellen Betriebs bei: http://www.world-nuclear.org/info/inf45.html
[429] Kraftwerk sollte ursprünglich bei Severod gebaut werden und 2010 in Betrieb gehen: 2 Jahre Verzögerung.
[430] Kraftwerk sollte ursprünglich bei Severod gebaut werden und 2010 in Betrieb gehen: 2 Jahre Verzögerung.
[431] Geplanter Starttermin 31.12.2008 verschoben. (mit Datum Ende 2007) IAEO nennt keinen neuen Termin. Diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.org/info/inf45.html -Zugriff 19.7.2009
[432] Am 11. Juni 2009 wurde der Bau offiziell wieder aufgenommen.
[434] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.org/info/inf91.html
[433] Am 11. Juni 2009 wurde der Bau offiziell wieder aufgenommen.
[435] Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme, diese Angabe bei: http://www.world-nuclear.org/info/inf91.html
[436] Datum für kommerzielle Betriebsaufnahme im Frühjahr 2009 eingeführt.
[437] Data on Taiwan from http://www.world-nuclear.org/info/inf115_taiwan.html
[438] Geplanter Starttermin Mitte 2006 mehrfach verschoben. Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme.
[439] Geplanter Starttermin Mitte 2007 mehrfach verschoben. Keine IAEO-Angabe für Betriebsaufnahme.
[440] Starttermin erstmals Anfang 2009 gelistet.
[441] Nucleonics Week, „Finnish regulators anticipate challenging schedule for EPR“, 1. Januar 2004, S.21.
[442] Nucleonics Week, „Problems in getting information could delay review of Olkiluoto-3“, 1. April 2004, S.4.
[443] Nucleonics Week, „STUK okays Olkiluoto-3, sets limit on initial fuel burnup“, 27. Januar 2005, S.1.
[444] Nucleonics Week, „Finnish government issues license for construction of Olkiluoto-3“, 24. Februar 2005, S.1
[445] Nucleonics Week, „Multinational ceremony marks Olkiluoto-3’s cornerstone“, 17. September 2005, S.15
[446] Nucleonics Week, „Olkiluoto-3 base slab pour delay not expected to impact end date“, 20. October 2005, S.4
[447] Nucleonics Week, "Construction of Olkiluoto-3 behind schedule’ 2. Februar 2006, S.1
[448] Nucleonics Week, „STUK begins investigating construction delay at Olkiluoto-3“, 2. März 2006, S.8
[449] Nucleonics Week, „Olkiluoto-3 containment liner set in place, but project still lags“, 2. März 2006, S.8
[450] Nucleonics Week, „Host of problems caused delays at Olkiluoto-3, regulators say“, 13. Juli 2006, S.1
[451] Nucleonics Week, „Olkiluoto-3 delays lower AREVA nuclear profits by Eur 300 million“, 5. Oktober 2006, S.4
[452] Nucleonics Week, „Problems found with Olkiluoto-3 hot legs“, 19. Oktober 2006, S.1
[453] Nucleonics Week, „AREVA puts star engineer in charge of Olkiluoto-3 project“, 2. November 2006
[454] Nucleonics Week, „Olkiluoto-3 commercial date slips to late 2010 at earliest“, 7. Dezember 2006, p 1
[455] Finnish Broadcasting Company TV news, 30. Januar 2007
[456] Nucleonics Week, „Lack of complete design blamed for problems with Olkiluoto-3“, 17. Mai 2007, S.4
[457] Nucleonics Week ,„AREVA: Plane crash requirements to delay Olkiluoto-3 construction“, 16. August, 2007,
[458] Nucleonics Week, „Regulator requires repairs to welds on Olkiluoto-3 containment liner“, 20. September 2007, S.1
[459] Nucleonics Week, „AREVA, TVO at odds over resolution of Olkiluoto-3 cost overruns“, 6. September 2007 S.9
[460] Nucleonics Week, „Second top TVO executive leaving Olkiluoto-3“, 26. Juni 2008, S.1
[461] Nucleonics Week, „Target date for operating Olkiluoto-3 again delayed, this time until 2012“, 23. Oktober 2008
[462] Nucleonics Week, „STUK finds more problems with Olkiluoto-3 liner, forgings“, 13. November 2008, S.3
[463] Nucleonics Week, „TVO CEO sees improved workflow, potential for problems at Olkiluoto-3“, 20. November 2008, S.11
[464] Nucleonics Week, „Olkiluoto costs weigh on AREVA 2008 profits; TVO rejects blame“, 25. Dezember 2008, S.9
[465] Letter from Jukka Laaksonen to Anne Lauvergeon, 9. Dezember 2008
[466] Nucleonics Week, „TVO: Olkiluoto-3 operation delayed to June 2012“, 15. Januar 2009, S.1
[467] Nucleonics Week, „Siemens’ departure seen putting AREVA under financial stress“, 29. Januar 2009, S.14
[468] Nucleonics Week, „TVO: Olkiluoto-3 operation delayed to June 2012“, 15. Januar 2009, S.1
[469] Nucleonics Week, „AREVA reveals 47 % cost overrun on contract for Olkiluoto-3“, 5. März 2009, S.1
[470] Nucleonics Week, „Olkiluoto-3 arbitration could last ’several years,’ TVO says“, 19. März 2009, S.9
[471] Nucleonics Week, „AREVA reveals 47 % cost overrun on contract for Olkiluoto-3“, 5. März 2009, S.1
[472] Nach Steve Thomas, “Nuclear Power in Britain Since Chernobyl: A Rollercoaster Ride”, in Lutz Mez, Mycle Schneider & Steve Thomas, “International Perspectives on Energy Policy and the Role of Nuclear Power”, Multiscience Publishing, Brentwood, 2009
[473] Z.B. das Central Electricity Generating Board, “Analysis of generation costs 1983”, CEGB, London, 1983
[474] Gordon MacKerron, “Nuclear power under review”, in J Surrey, “The British electricity experiment. Privatisation: the record, the issues, the lessons”, Earthscan, London, 1996
[475] Stephen Thomas, “The organisation & the costs of the decommissioning nuclear plants in the UK” Economia delle fonti di energia e dell’ ambiente, no. 2, 2008.
[476] M. Heseltine, President of the Board of Trade, Hansard, 19. Oktober 1992
[477] Gordon MacKerron, “The Capital Costs of Sizewell C.”, submitted to the Government’s Nuclear Review as COLA 3, 1994
[478] Wenn wir eine Inflationsrate von jährlich 3 % seit 1995 und den Währungskurs mit 1 £=1.50 € annehmen, dann ergen sich Baukosten von annähernd 6000 €/kW.
[479] Staatshilfen sind als solche in der EU nicht illegal, solange sie nicht wettbewerbsverzerrend wirken.
[480] European Commission, “Commission decision of 22 September 2004 on the State aid which the United Kingdom is planning to implement for British Energy plc”, Official Journal of the European Union, European Commission, L 142 , 06/06/2005, S.26-80;
[481] Press Association, “Nuclear sale raise £4.5bn for decommissioning fund”, 19. Januar 2009 482 National Audit Office, “The restructuring of British Energy”, National Audit Office, London, 2006 http://www.nao.org.uk/publications/0506/restructuring_of_british_energ.aspx#fn1